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Konzert und Concerto

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In den Jahren 1930 und 1931 arbeitete Maurice Ravel — merkwürdiger Fall! — gleichzeitig an zwei Klavierkonzerten. Das eine, für die linke Hand (von dem vor kurzem verstorbenen Pianisten Paul Wittgenstein bestellt) hat dramatisch-rhapsodischen Charakter. Das andere, in hellem G - d u r, sollte, nach Ravels Worten, ein Konzert im genauesten und wörtlichsten Sinn derjenigen von Mozart und Saint-Saens werden, „nicht gegen, sondern durchaus für das Klavier“ … Mit dieser Charakteristik wollte Ravel sein Konzert gegen andere Kompositionen gleichen Namens absetzen, in denen das Klavier gewissermaßen als Orchesterinstrument behandelt wird und im Endergebnis so etwas zustande kommt wie eine symphonische Orchesterphantasie mit obligatem Klavier, anderseits sollte es sich von dem spröden Tonsatz der Zwölftoner unterscheiden, denen das speziell Klavieristische, wie man es etwa bei Schumann oder Chopin findet, nichts mehr zu bedeuten schien. — Ravel ist mit seinem G-dur-Konzert ein Meisterwerk gelungen, dem, vom Uraufführungstag bis heute, auch der äußere Erfolg nicht versagt geblieben ist. Die beiden geistvollwitzigen Ecksätze, mit Jazzeffekten aufgeputzt und von nervöser Beweglichkeit, flankieren ein Adagio assai. dessen lyrische Kantilene, vom Klaviersolo angestimmt, nicht weniger als 35 Takte umfaßt. Dieser an Mozart und Chopin gemahnende Satz,

der so schwerelos vorüberzieht, hat Ravel unsägliche Mühe gekostet und dem Wortkargen das Geständnis erpreßt: „Ich füge Takt an Takt aneinander und gehe dabei fast zugrunde!“ — Nun, auch die Darbietung des etwa halbstündigen Werkes ist des Schweißes der Edelsten wert, und Nikita M a g a 1 o f f hat dem Klavierpart eine sorgfältige, feine, saubere Interpretation zuteil werden lassen. Wobei, nach einem Wort Ravels, in seiner Musik nicht viel zu interpretieren ist: er habe versucht, alles exakt aufzuschreiben, und es genüge, wenn man alles genau so ausführt, wie es vorgeschrieben ist. — Sorgfältig war auch die Begleitung durch die Symphoniker unter der Leitung von Wolfgang Sawallisch, der es höchstens ein wenig an jener Brillanz fehlte, die dieses Werk gut vertragen kann. Das 7. Konzert im Zyklus „Die große Symphonie“ hatte übrigens ein recht apartes Programm. Jede Begegnung mit Mendelssohns Musik zum „S o m- m ern ach ts traum“, aus der vier Stücke gespielt wurden, bereitet ungetrübte Freude, und Mozarts Jupiter- Symphonie war ein wirklich krönender Abschluß dieses schönen Konzerts.

Ausschließlich italienische Meister standen auf dem Programm des 7. Abonnementskonzerts der Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Mario Rossi. Hauptstück des ersten Teiles war das „P r i m o

Concerto per Orchestra“ von Goffredo Petrassi, Jahrgang 1904, der zwischen 1933 und 1955 insgesamt fünf solcher Orchesterkonzerte geschrieben hat, in denen Geist und Form des Barocks lebendig werden. Die Musik Petrassis ist von gemäßigter Modernität und verleugnet auch keineswegs die großen zeitgenössischen Vorbilder dieser Richtung (Strawinsky, Hindemith, Casella u. a.). Die an Händel gemahnende geschlossene Form der drei kurzen Sätze, die prägnante Ostinatorhythmik und der sonore, von tiefen Bässen grundierte (aber nie schwelgerische) Klang verdecken die harmonischen Kühnheiten. Darin ist Petrassi ganz Romane, ganz Erbe des „genie latin“, das sich auch in den übrigen Stücken des Programms glänzend manifestierte: in einer der vielen Ouvertüren Cherubinis („II crescendo“), einer von Ghedini bearbeiteten „Aria della b a 11 a g 1 i a“ für Blasinstrumente von Gabrieli und einem „Gloria“ für Soli, gemischten Chor und Orchester von Antonio Vivaldi. (Wiener Staatsopernchor mit den Solisten Christiane Sorell, Sonja Draksler und Regina Resnik.) Mario Rossi war, wie zu erwarten, ein ausgezeichneter Interpret der Musik seiner Landsleute, und die philharmonischen Bläser haben in der farbig-festlichen (aber ach, wie friedlichen!) Schlachtenmusik Gabrielis besonders fein und klangschön gespielt. — Auch dieses Konzert mit seinem erfreulich von der Schablone abweichenden Programm stand offensichtlich unter dem Glücksstern der Siebenzahl.

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