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Eröffnung mit zwei Pianisten

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Das erste Konzert im Zyklus „D i e große Symphonie“ leitete Sir' Malcolm S a r g e n t, der elegante britische Kavaliersdirigent, in seiner Heimat hochgeschätzt und auch in Wien nicht unbekannt. Mit den Wiener Symphonikern musizierte er leicht, duftig und elegant Haydns Symphonie in G-Dur, Nr. 88. Sir Malcolm entgeht kein Detail, und mit seiner virtuosen Dirigiertechnik gelingt es ihm, alles Gewünschte zu realisieren. Was in ihm als Musiker an Emotion und Temperament steckt, ist nicht leicht zu ergründen. Bezeichnenderweise zog sich der Largosatz ein wenig in die Länge, was sicher nicht an Haydn, sondern an der mangelnden inneren Spannung bei der Interpreten lag. — Das folgende K1 a-vierkonzert in e-moll von C h o-p i n spielte der kninp 30j5hrige polnische Pianist Adam Harasiewicz, der heute zu den allerersten Chopin-Interpreten zählt. Seinen Solopart trug er merkwürdig kühl und distanziert vor. Sein romantischleidenschaftliches Temperament schien unter strenge Kontrolle gestellt. Vielleicht unter die des Dirigenten, der sich — merkwürdigerweise — vor dem Pianisten postiert hatte (nicht, wie üblich und gewohnt, hinter dem Flügel, mit dem Rücken zum Solisten). — Nach dem sehr lebhaften Beifall des bis auf den letzten Platz gefüllten Saales mußte der Referent das Musikvereinsgebäude verlassen (Respi-ghis „Fontane di Roma“ und die Ouvertüre zu „Benvenuto Cellini“ von Berlioz bildeten den zweiten Teil des Programms), um im Großen Konzerthaussaal dem zweiten Teil des Klavierabends von Tamäs Väsäry beizuwohnen.

Der seit 1956 in der Schweiz lebende junge Ungar, Jahrgang 1933, begann als

Wunderkind. Mit acht Jahren debütierte er als Konzertpianist, und mit vierzehn erhielt er den Franz Liszt-Preis. Weitere internationale Auszeichnungen folgten. Er verdankt sie vor allem einer stupenden Technik, für die es anscheinend keine unlösbaren Probleme gibt. Das ist um so erstaunlicher, als man dem hochaufgeschossenen, überschlanken blonden Jüngling rein physisch solche Schwerarbeit, wie er sie an diesem Abend produzierte, nicht zutrauen würde. Den ersten Teil seines Programms (im ersten Konzert des Zyklus „Meistersolisten“) bildeten Werke von Chopin (Sonate b-moll, Scherzo E-Dur, Andante Spianato und Grande Polonaise Es-Dur. Diesen Teil mußte der Referent leider versäumen). Die zweite Hälfte des Abends war Liszt gewidmet: der Dante-Sonate, den Wasserspielen in der Villa d'Este und der Sechsten ungarische Rhapsodie. Die Fantasia quasi Sonata mit den) Titel „Apres une lecture de Dante“ ist eine geniale „symphonische Dichtung“ für Klavier, schön, kühn und poetisch, dabei von vollendeter musikalischer Gestalt. Sie steht im italienischen Band der „Annees de pelerinage“, dem auch die 40 Jahre später entstandenen „Wasserspiele“ entstammen: früher, gleichfalls genialen Vorläufern des Impressionismus, wie ihn, auf seinem Höhepunkt, Debussy repräsentiert. Mit Liszts 19 ungarischen Rhapsodien haben wir weniger Freude, die Kalamität beginnt mit den kitschigen Zigeunerthemen und endet bei deren salonmäßiger' Ausstaffierung. — Aber Väsäry spielt das alles mit dem gleichen Ausdruck und. wie uns scheinen wollte, mit dem gleichen, vor allem aufs Technische gerichteten Interesse. — Und dann gab er ein aus mehr als zehn Draufgaben bestehendes Extrakonzert: gleichfalls Chopin und Liszt gewidmet, höchst Bedeutendes mit Flachvirtuosem bunt gemischt, alles, ohne Unterschied, in der gleichen, gleichmäßigen, unfehlbaren Manier vorgetragen, was dns Publikum — hauptsächlich das sehr zahlreich vertretene jugendliche — in lautes Entzücken versetzte.

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