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Die Beethoven-Feier

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Anläßlich des Beethoven-Gedenkens zu dem 175. Geburtstage des Meisters am Sonntag kehrte bei allen, die Zeuge der festlichen Wochen im März 1927 waren, die Erinnerung an jene weltumspannende Wiener Beethoven-Zentenarfeier zurück, die in ihrer Art kaum ihresgleichen aufzuweisen hat. Sämtliche Kulturnationen, durch Staatsmänner und namhafte Größen der Musik- und Gelehrtenwelt vertreten, huldigten damals dem genialen Musikheroen in seiner Wahlheimat Wien, die ihren Gästen nicht nur ein umfassendes Beethoven-Programm abrollte, sondern auch für jede führende Musiknation ein Gastgeschenk in Form von Musteraufführungen eines geschichtlich bedeutsamen Werkes ihres Landes zu bieten hatte. In der Ehrung der Manen des einzigartigen Künstlers und großen Menschen, in dessen Musik die Idee der Menschenverbrüderung das Bleibende im Wechsel darstellt, fanden sich Vertreter aller Reiche hier zusammen, und der Wille „Nie wieder Krieg!“ schien damals bei all diesen glänzenden Feiern als cantus firmus mitzuschwingen.

Bei solchem Rückblick erscheint das Nach“ her der letzten Jahre wie ein wüster Alptraum und das Wirkliche daran manifestiert sich erst wieder in unserer Not, die uns infolge der mangelnden Verkehrsmittel noch weitgehend von außen absperrt und selbst in unserem Lande trennende Mauern auftürmt. Es wäre nicht angebracht und auch sicher nicht gerecht, wollte man die bescheidenen Feiern des 16. Dezember mit dem Beethovenfest 1927 vergleichen. Im gegenwärtigen Falle kam es in erster Linie auf den guten Willen an und der war vorhanden. Man wußte die günstige Gegebenheit des Sonntags, auf den das Jubiläum fiel, geschickt zu nützen, um eine doch recht gut aufeinander abgestimmte Folge von Veranstaltungen zu ermöglichen, die sich natürlich ganz auf das gegenwärtig in Wien verfügbare Künstlermaterial beschränken mußten. Im Mittelpunkt der Feiern stand ein offizieller Huldigungsakt beim Beethoven-Denkmale nächst dem Konzerthause. Raoul Aslan zog in seinem festlichen Prolog die edelsten Register eines unverfälschten Burgtheatertons. Im Namen der Stadt Wien legte Bürgermeister General Körner, im Namen der österreichischen Kunstverwaltung Minister a. D. Dr. Pernter Kränze an den Stufen des Denkmals nieder. Beide verkündeten als die Repräsentanten von Stadt und Staat den Dank des österreichischen Volkes dem Meister gegenüber, der in Wien seine zweite Heimat gefunden und den Ruhm dieser durch sein Schaffen glanzvoll vermehrt hat. Die Jugend stellte sich mit frischem Chorgesang ein. Umrahmt wurde die Feier durch Vorträge eines Bläserchors.

Dankbar war man für eine von Heinz Fleischmann betreute Aufführung der „kleinen“ Messe in C, die den Auftakt der Feiern gab und in der Burgkapelle eine zahlreiche Zuhörerschaft fand. Man würde sich nicht einfallen, lassen, dieses Werk, dessen Entstehung zeitlich der 5. und 6. Symphonie benachbart ist, klein zu nennen, wenn nicht die spätere „Missa solemnis“ die Maßstäbe verrückt und die C-Messe unverdient in Schatten gestellt hätte. In die Orchesterdarbietungen im Konzertsaal teilten sich die Wiener Philharmoniker unter Felix Prohaska mit den Wiener Symphonikern unter Josef Krips und Robert Fanta. Das symphonische Schaffen Beethovens war hier mit der Vierten, Fünften und Neunten vertreten, während die „Ravag“ in ihrem Beethoven-Zyklus bei der „Eroica“ hielt und diese zum Mittelpunkt einer Rundfunk-Ehrung des Jubilars machte. Außer einigen Ouvertüren Beethovens waren auch Solowerke zu hören, wobei Dr. Paul Weingarten das Klavier (Es-dur-Konzert), Tibor Varga die Geige (Romanzen) und Josefine Stransky den Gesang (Klärchen-Lieder) überzeugend vertraten. Im Nachmittags - Festkonzert im Konzerthaus sprach Stadtrat Dr. Matejka zum Anlaß und kennzeichnete die Gestalt Beethovens als Künstler und Mensch. Die Wiener Staatsoper hatte in ihrer „Fidelio“-Inszenierung im Theater an der Wien eine willkommene Beitragsmöglichkeit, die zugleich historische Beziehungen knüpfen und damit der Not eine Tugend abgewinnen konnte.

Wichtig bleibt bei all diesen ehrlichen Bemühungen um eine würdige Ehrung Beethovens die gelungene Herausschälung des ethischen Kerns, der bei dem edlen und vorbildgebenden Menschentum dieses Künstlers in unserer Zeit so tröstend und aufrichtend wirkte und besonders durch Aufführungen der Fünften, Neunten, der Messe und „Fidelio“ sinnvoll gegeben war. Dr.T.

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