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Gigantisches

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Die Wiener Festwochen stehen vor der Tür, durch deren Spalt wir bereits einen Blick tun konnten. Das Programm umfaßt, innerhalb eines knappen Monats, an die tausend Veranstaltungen, deren „Kern“ vier große Zyklen bilden: das Beethoven-Jubiläum, die Hundertjahrfeier des Musikvereins zu Ehren seines Goldenen Saales, ein internationales Schauspielfestival sowie ein Nonstopprogramm im Museum des 20. Jahrhunderts mit dem Titel „Arena 70“, das mit seinen Jazzgruppen, Liedersängern und Multimedia-Ensembles hauptsächlich für die Jugend gedacht ist. 56 Konzerte werden im Musikverein stattfinden, darunter, unter Karajans Leitung, fünf Abende mit sämtlichen Beethoven-Symphonien, die ja alle, seit 1792, in dieser Stadt geschaffen wurden.— Daß er in den 35 Jahren seines Wiener Aufenthaltes 69mal umgezogen ist, wie uns in der Maisondernummer des offiziellen Organs der Bundeshauptstadt Wien versichert wird, ist wohl schwerlich nachzuweisen und eher eine Hausnummer. Gesicherter sind die Forschungsergebnisse von Rudolf Klein, der in seinem vor kurzem erschienenen Buch 26 Wohnungen Beethovens nachgewiesen hat...

Überhaupt, dieses Heft! „Keine andere Stadt der Welt schenkt sich und ihren Bürgern ein so großes Fest wie Wien.“ Mag sein. Aber man soll nicht so auf die Pauke hauen, sondern erst einmal ein wenig abwarten, ob es auch ein gutes Festival wird.

„Treffen der Giganten“ verkünden auf Seite 3 der genannten Broschüre große weiße Balken-lettem auf schwarzem Grund, der sieben dieser Giganten — von Bernstein, Böhm und Karajan über Ozawa und Krips bis Oi-strach und Rostropowitsch — einrahmt und der an seiner unteren rechten Ecke noch Platz für die Nennung weiterer 17 Gigantennamen läßt — darunter auch einige weibliche.

„Die Flamme lodert“, ist der Titel der Beethoven-Ausstellung der Stadt Wien — sei's drum, denn das Wort stammt aus einer Komposition des „Giganten“. Aber diese Flamme — oder war es der Glanz der vielen gigantischen Namen — scheint die geistigen Väter und Hersteller dieses Heftes geblendet zu haben: Beethovens Geburtstag ist falsch angegeben,nämlich um volle zehn Monate zu früh, und die Zahl seiner Klaviersonaten hat sich, auf der gleichen Seite, unversehens auf 64 erhöht. (Wir kennen nur 32, die in Wien geschrieben wurden, und drei weitere, die aus Beethovens Bonner Zeit stammen.)

Über die „fesche“ Charakterisierung des „Ludwig van“, wie er hier ein wenig familiär tituliert wird, mag man verschiedener Meinung sein. Darüber entscheidet der Geschmack, der gute oder der weniger gute, über den sich sehr wohl streiten ließe. Und bei einem so reichlichen Angebot an Konzerten mag es nur wenigen aufgefallen sein, die das Vorprogramm mit dem jetztigen detaillierten verglichen haben, daß ein Konzert, nämlich das als Jubiläumsveranstaltung der Gesellschaft der Musikfreunde unter dem japanischen Dirigenten Oko Kamu angekündigte, unter den Tisch gefallen ist. Es geht uns nicht um dieses einzelne Konzert, wohl aber um die — aufgehobene oder nur aufgeschobene? — Uraufführung eines Klavierkonzertes von Frank Martin, das dieser für Paul Badura-Skoda und für die jubilierende Gesellschaft geschrieben hat. Wem wohl diese echte, die Musikwelt interessierende Premiere geopfert wurde?

Auf alle Fälle gilt auch für dieses Fest das Axiom, daß das Ganze nicht mehr sein kann als die Summe seiner Teile. Für das Gelingen jedes einzelnen wünschen wir Glück.

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