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Ein dreifaches Hoch!

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Die Bernstein-Konzerte während der vergangenen Woche waren nicht nur ein Fest fürs Ohr (hierüber wird in unserem Kulturteil referiert), sondern auch eines fürs Auge. Der überfüllte Saal, dessen Podium von Scheinwerfern angestrahlt war, präsentierte sich einem animierten Publikum in neuem Glanz. Dieser entstand dadurch, daß man ihn genau nach den Plänen restaurierte, die sich im Museum der Stadt Wien befanden und die damals, vor mehr als 50 Jahren, nie ganz verwirklicht wurden.

Dieser Glanz und diese Schönheit kommen zunächst von den hellen, freundlichen Farben Weiß, Rot, Terracotta und ein wenig Grün. Es entstand damals eigentlich kein Paradigma des Jugendstils, das jetzt restauriert wurde, sondern eher — wie es ein Fachmann und Ästhet definiert hat — ein Repräsentationsraum, der charakteristisch ist für den Geschmack des Großbürgertums, das zwar vom Jugendstil beeinflußt war, jedoch große Sympathie für Direc’toireformen hatte. Die Bauzeit, etwa 1911 bis 1913, liegt ja auch nach der Blüte des Secessionismus.

Nachdem wir schon nach einer ersten Presseführung unsere Leser mit den Details bekanntgemacht haben, können wir uns ihre Aufzählung ersparen und raten: hingehen und anschauen. Dazu ist bei jedem Konzert Gelegenheit. Aber woran wir bei dieser Gelegenheit erinnern wollen, ist die abenteuerliche Geschichte des Gebäudes, das ursprünglich als Mittelpunkt großer gesellschaftlicher Ereignisse bestimmt, im Jahr 1913 nicht weniger als acht Speisesäle sowie eine eigene Konditorei und Blumenbinderei beherbergte. Das Eröffnungskonzert der Saison 1913/14 dirigierte Richard Strauss, in den ersten Monaten gastierten hier Pablo Casals, Eugėne d’Albert, Backhaus und Huberman. Und dann kam der Erste Weltkrieg, der das gesellschaftliche Treiben an-

fangs kaum hemmte — nur stand, was hier geschah, unter anderen Zeichen. Auch Zeichen einer während des Zweiten Weltkrieges unvorstellbaren Toleranz: Während die durch Karl Kraus bekanntgewordene Schlachtfeldhyäne Alice Scha- lek vor den Schülern der Oberstufen aller Gymnasien Wiens eine Reihe von kriegerischen Vorträgen hielt, wetterte und klagte im danebenliegenden Mozartsaal der Autor von „Die letzten Tage der Menschheit” und ließ seine bekannten Beschwörungen und Verwünschungen gegen den Krieg und die oben genannte Pressedame auf sein fasziniertes Publikum niedergehen.

Aber nach der furchtbaren Nachkriegsgrippeepidemie, die auch unter den österreichischen Künstlern so große Verheerungen anrichtete, gab es 1919 wieder ein Nachkriegsballfest und bereits 1920/21 einen Gus’tav-Mahler-Zyklus. Bruno Walter dirigierte Haydns „Schöpfung”, und 1923/24 veranstaltete man eine Woche neuer Musik mit Werken von Bartök, Milhaud, Strawinsky und Schönberg, bei dessen „Gurreliedern” der Donkosakenchor mdtwirkte… Das Programmheft kostete 4000 Kronen. Dagegen mußte man für das darauffolgende Konzert lediglich nur noch den Einheitseintrittspreis von 1.50 Schilling berappen…Und so könnte man fortfahren in der Erzählung der Geschichte des Hauses und des Großen Saales. Ein andermal vielleicht mehr davon, besonders über die Zeit von 1938 bis 1945 und die Jahre danach.

Aber eines Mannes muß noch gedacht werden, der wie ein Schatten — aber nicht wie der blutige Agamemnons, sondern wie ein leichter und freundlicher über diesem Fest lag: Es war der des ersten Generalsekretärs der Konzerthausgesellschaft, Dr. Egon Seefehlner,

den Wien schon seit vielen Jahren an Berlin verloren hat, wo er Generalintendant der Deutschen Oper ist. Er war es, der in den 15 Jahren seines Wirkens (1946 bis 1961) uns und alle, die darauf neugierig waren, mit der gesamten neuen Musik vertraut machte, die man sieben Jahre — manche meinen es seien sogar elf gewesen — nicht hören konnte. Sein Nachfolger wurde Peter Weiser, und ihm und seinen Helfern und Geldgebern, den Künstlern und Handwerkern gilt das dreifache „Hoch!” in unserem Titel. Denn seiner Initiative ist es zu danken, daß aus einem häßlichen, unfestlichen Saal ein Prunkstück wurde, dessen Besichtigung allein schon einen Konzertbesuch lohnt. Staat und Stadt taten das ihre — und haben damit für manche Bausünde Buße getan. Also auch ihnen und allen die mithalfen, ein „Dankeschön”.

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