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Schloßkonzerte am Attersee

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Das Wasserschloß Johann Michael Prunners in Kammer am Attersee war auch heuer wieder Aufführungsort für fünf sommerliche Konzerte in den Monaten Juli und August. Der etwa 400 Menschen fassende Rittersaal entfaltet bei Kerzenlicht und Blumenschmuck in alten Vasen eine Romantik, welche die Aufnahmebereitschaft für Kammermusik besonders erhöht. Ein wenig Improvisation nimmt man gerne in Kauf, denn eine Autofahrt im regennassen, fackelerhellten Schloßhof ist ebensowenig alltäglich wie das Gewittertoben des Attersees zu den Klängen von Mozart.

Man kommt im großen Abendkleid mit Perlenschmuck, im Dirndl oder als autostoppender Musikstudent in Blue jeans. Die fast familiäre Atmosphäre nimmt alle freudig auf. Private Initiative ohne großen Aufwand an Organisation ermöglicht mäßige Preise. Noch ist der Geist echten Mäzenatentums zu spüren, dessen Lohn in erster Linie ein volles Haus zu Ehren der Kunst ist. ‘

Im ersten Konzert hörte man heuer den Gitarrevirtuosen Karl Scheit mit Werken des 16. und 19. Jahrhunderts. Das Programm verdeutlichte die Entwicklung der Lautenkomposition, von anonymen Tabulatoren bis zu Johann Sebastian Bach, der dem Instrument eine starke Aussage anvertraut hat. Die „Legenda“ des Spaniers Isaac Albinez deutete den Kontakt mit der Gegenwart an. Die Auswahl war anspruchsvoll.

Ein Klavierabend des Wiener Pianisten Walter K a m p e r gab Gelegenheit, das Wachsen eines Musikers zu konstatieren, der in Kammer vor Jahren seine erste Begegnung mit dem oberösterreichischen Publikum suchte. Kamper ist ein sensibler Künstler, der vom Lampenfieber nie ganz frei wird, und den erst die Woge des Wohlwollens, das er verdient, zur echten Leistung befähigt. Er spielte Beethoven, Schumann und Schubert. Für letzteren scheint er der ideale Interpret zu sein.

Enrico M a i n a r d i, seit Jahren Favorit in Kammer, hat heuer etwas enttäuscht. Die drückende Schwüle, die bei seinem Konzertabend auf dem überfüllten Saal lastete, mag schuld gewesen sein. Die 6. Solosuite von Johann Sebastian Bach, noch dazu im Zuge einer Umstellung überraschend an Stelle von Vivaldi auf Programm gesetzt, überstieg das Aufnahmevermögen der Zuhörerschaft. Das Spiel war von einigen Fehlern verschaffet. Begleitet von Carlo Z e c c h i, bot Mainardi noch Sonaten von Beethoven und Chopin. An das salonmusikalische Cellowerk Chopins wendete der Künstler sein höchstes Können.

Ohne Zweifel die bemerkenswerteste Rarität unter den Schloßkonzerten war das Gastspiel des Konsortiums für alte Musik an der Akademie Mozarteum unter der Leitung von Franz Tentą. Das Programm war so ungewohnt, daß Professor Tentą klugerweise einen Einführungsvor- trag hielt und das Museum der zwei Dutzend alter Instrumente erst einmal demonstrierte. Von den dreißig Programmnummern hinterließen die von Eric zur Egg und Eva Schindler gesungenen Lieder der Renaissance den tiefsten Eindruck. Die Instrumentalstücke zwischen Landsknechtrhythmus und Gregorianischem Choral vermochten eine Ahnung mittelalterlichen Musikschaffens zu vermitteln. Das Programm war in der Absicht, einen guten Querschnitt zu bieten, gewählt und verdient auch Anerkennung als volksbildnerische Leistung.

Auf der Durchreise zu den Salzburger Festspielen spielte schließlich das W i e- ner Philharmonische Streichquartett in Kammer. Die Quartette von Haydn und Schubert waren in dem runden Zusammenklang zu einer einzigen Stimme zu hören — und zu genießen. Ein fünfter Kollege aus der Philharmonie erlaubte in der Mitte des Konzerts eine Erweiterung zu Mozarts Quintett in Es-dur, KV 614. Willy Boskovsky, Otto Strasser, Rudolf Streng, Emanuel Brabec und Friedrich Hübner konnten sich eine Viertelstunde lang unter dem stürmischen Applaus des Hauses verbeugen. Die Ehrfurcht, welche der Hausherr, Rittmeister von Jeszensky, der Hymne im zweiten Satz des Kaiserquartetts bezeugt hatte, mag als Symbol für die Achtung vor dieseT Musik in solcher Wiedergabe stehen. Im historischen Rahmen ist sie immeT noch Abglanz einer Größe, die in der Geschichte vergänglich, im Reich der Kunst aber unvergänglich ist.

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