Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Auf Spuren der Besiegten
Wien hat durch das kürzlich von Wissenschaftsminister Hans Tuppy präsentierte Museumskonzept die Chance, wieder eine Führungsrolle in Europa zu spielen, indem es im Messepalast, den ehemaligen Hofstallungen, die Vieldimensionalität menschlicher Kultur museal demonstriert und interpretiert. Denn gemäß dem bereits 1984 vom Vorstand des Instituts für Völkerkunde Walter Dostal eingebrachten Vorschlag soll in dem freigewordenen Komplex an der U-2 außer den Sammlungen des Museums moderner Kunst und des Museums des 20. Jahrhunderts sowie einer zeitgemäßen Erfordernissen entsprechenden Ausstellungshalle mit den zentralen technischen Einrichtungen (vom chemischen Labor bis zur Hausdruk- kerei) erstmals ein Museum etabliert werden, in dem die eigene Kultur mit jener der „anderen“ konfrontiert wird.
Erstellt hat das von Dostal initiierte Konzept eine Kommission aus in- und ausländischen Experten wie Dieter Ronte, Friedrich Waidacher, Thomas Fillitz, Siegfried Haas und Alfred Janata. Mit Ausnahme des immer wieder isoliert agierenden Leiters des Museums für Völkerkunde Hans Manndorff haben alle von dem Projekt betroffenen Direktoren diese Zentralisierung begrüßt.
Die Zusammenführung der Sammlungsbestände aus der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museumst des
Museums für Völkerkunde, der Ostasiatischen und Islamischen Abteilung des Museums für Angewandte Kunst und des Museums für Volkskunde bedeutet nämlich für die in der Neuen Hofburg verbleibenden Institutionen nicht nur mehr Raum für deren Exponate und Depotbestände. Die Österreichische Nationalbibliothek erhält darüber hinaus durch den Auszug des Völkerkunde-Museums zusätzliche Lesesäle, die Sammlung alter Musikinstrumente wird um einen Konzertsaal bereichert, und das Ephesos-Museum gewinnt Raum für ein weiteres Lapidarium sowie für das Heroon von Gölbasi/Try- sa.
In „Museen, Völker und Kulturen“ im Messepalast, unterteilt in Schau- und zusätzliche Studiensammlungen, soll auf 25.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche (ein Drittel des Gesamtareals) dokumentiert werden, wer wir sind, wo wir stehen und woher wir kommen, und zwar gerade durch das Nebeneinander von Objekten aus ur- und frühgeschichtlicher und römischer Zeit, der Volkskultur in Österreich und den Kulturen im außereuropäischen Raum. Das Gemeinsame und das Unterschiedliche soll auch fächerübergreifend dargestellt werden und dokumentieren, welche Spuren die Kontakte und Konfrontationen einander benachbarter Völker - nicht nur die Sieger, sondern auch die Besieg ten und Kolonialisierten — hinterlassen haben.
Keine der kulturanthropologischen Sammlungen könnte für sich allein ihr Anliegen so umfassend und pointiert vor Augen führen, wie dies im Dialog möglich ist. Anhand europäischer wie auch außereuropäischer Beispiele und unter Einbeziehung von städtischen Randgruppen in Österreich sollte etwa Wohnen, Schlafen, Eßkultur, Hygiene, Kleidung und Schmuck gezeigt werden.
Zur Zeit halten hingegen Minister Tuppy und die meisten Direktoren die früher auch in Erwägung. gezogene Transferierung der Exponate der österreichischen Galerie aus dem architektonisch großartigen und historisch bedeutsamen Belvedere nicht für sinnvoll.
Rationelle Gründe sprechen für gemeinsames Forschen, eine gemeinsame PR-Stelle und einen für alle zuständigen Finanzmanager. Die spezielle Eigenheit der Museen sollte hingegen gewahrt und die rechtliche Gleichstellung der integrierten Sammlungen garantiert werden.
Bleibt somit nur zu wünschen, daß die Jahrhundert-Chance im Messepalast wirklich noch in diesem Jahrhundert Realität wird - unabhängig davon, ob 1995 die Weltausstellung in Wien und Budapest stattfindet. Die Absichtserklärung liegt jedenfalls vor und das dafür notwendige Kapital angeblich bereit.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!