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Digital In Arbeit

Archiv für Völkerkunde

19451960198020002020

Herausgegeben vom Museum für Völkerkunde in Wien und vom Verein „Freunde der Völkerkunde". Redaktion: Etta Becker-Donner und Annemarie Schweeger-Hefel. Band IbisV.

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Herausgegeben vom Museum für Völkerkunde in Wien und vom Verein „Freunde der Völkerkunde". Redaktion: Etta Becker-Donner und Annemarie Schweeger-Hefel. Band IbisV.

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Wien, Wilhelm Braumüller, 1946—1950

Es gehörte nicht geringer Mut dazu, in Österreich bloß ein Jahr nach Beendigung des Krieges mit der Herausgabe einer neuen wissenschaftlichen Zeitschrift zu beginnen, zu einer Zeit, als so viele alteingeführte Zeitschriften Europas der herrschenden Schwierigkeiten wegen ihr Erscheinen eingestellt oder auf Jahre hinaus unterbrochen hatten. In einem Brief, der im zweiten Jahrgang abgedruckt ist, betont Professor Imbelloni in Buenos Aires, daß das „Archiv“ die erste völkerkundliche Zeitschrift war, die nach dem Krieg Argentinien aus Europa erreicht hat. Aus dem reichen Inhalt kann hier naturgemäß nur einiges Wenige hervorgehohen werden.

In einer großangelegten Arbeit über „Idolkult und Dualsystem bei den Ugriern" behandelt Josef H a e k e 1 ein Thema von großer religionswissenschaftlicher und soziologischer Bedeutung. Historische, ethnographische und archäologische Quellen werden gleichermaßen herangezogen. Der Gegenstand ist auch deswegen von besonderem Interesse, weil es sich bei den betreffenden sibirischen Stämmen um die nächsten Sprachverwandten der Magyaren handelt. Ebenfalls ein Problem aus dem sibirisch-zentralasiatischen Völkerkreis bespricht Karl Jettmar in seinem Artikel über die Herkunft der Türken. Renė von Nebesky- W o j k o w i t z, derzeit in Kalimpong im Himalaya, hat vier Arbeiten über verschiedene, Tibet betreffende Gegenstände beigesteuert, darunter eine über die noch so wenig bekannte tibetanische Bön-Religion.

Von den Beiträgen, die der Völkerkunde Afrikas gewidmet sind, seien Norbert M y 1 i u s' umfangreiche Arbeit über Ehe und Kind in Ostafrika, Martin Gus indes Artikel über Pygmäen und Waldneger, Ludwig Z ö h r e r s Besprechung des Kunstgewerbes der Tuareg in der Sahara und Annemarie Schweeger-Hefels Arbeit über den unterirdischen Vielkammerbau in Afrika und im Mittelmeergebiet besonders genannt.

Amerika ist unter anderem durch einen wertvollen Beitrag Martin Gus in des über die Geschichte der Erforschung südamerikanischer Völker vertreten. C. A. Burland und Karl Nowotny behandeln den Codex Vindobonensis, die berühmte mexikanische Bilderschrift der Österreichischen Nationalbibliothek. Der erste Band der Zeitschrift enthält einen Artikel über die merkwürdigen metallenen Schmuckplatten der Calchaqui von Hans Becker, der als diplomatischer Vertreter Österreichs in Chile auf so tragische Weise ums Leben gekommen ist.

Besonders begrüßenswert ist es, daß eine Reihe von Artikeln sich mit der Veröffentlichung und wissenschaftlichen Interpretation von Gegenständen oder ganzer Sammlungen aus dem Besitz des Museums befaßt. Hier ist in erster Linde die umfangreiche und sehr gründliche Arbeit Etta Becker-Donners über die nordwestargentinischen Sammlungen des Museums zu nennen. Von Robert Bleichsteiner liegt eine tiefschürfende

Abhandlung über die Bedeutung eines lamaistischen Kultbildes aus Tibet vor, von Fausta Nowotny eine Arbeit über die indischen Spielkarten des Museums. Karl Nowotny untersucht die archivalischen Nachrichten über die Gastgeschenke Montezumas an Cortes, von denen bekanntlich einige zu den größten Schätzen des Museums gehören.

Der Umstand, daß Wien mit dem „Archiv für Völkerkunde“, den „Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft“ und den beiden Serienwerken des Universitätsinstituts für Völkerkunde („Wiener Beiträge zur Kulturgeschichte und Linguistik“ und „Acta Ethno-' logica et Linguistica“) nunmehr vier der Völkerkunde gewidmete periodische Druckschriften besitzt — ein Reichtum, der kaum irgendwo Überboten oder auch nur erreicht werden dürfte —, dokumentiert schon rein äußerlich seine Stellung als eines der hervorragendsten Zentren völkerkundlicher Forschung. Diese Bedeutung Wiens für die Wissenschaft vom Menschen und seinen Kulturen hat auch darin weltweite Anerkennung gefunden, daß es zum Sitz des vierten internationalen Kongresses für Anthropologie und Ethnologie gewählt wurde, der im kommenden September hier tagen wird.

Univ.-Prof. Dr. Robert Heine-Geldern

Die neue Weltschau. Internationale Aussprache über den Anbruch eines neuen aper- spektivischen Zeitalters, veranstaltet von der Handelshochschule St. Gallen-, Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart 1952. 271 Seiten.

Die Kausalkette, an welche die neuzeitliche Naurwissenschaft die Welt kettet, beginnt zu verrosten. Die dreidimensionale Betrachtungsweise seit der Renaissance, ihre „Perspektive", weicht der „A-PerspektiVe", der Betrachtungsweise der vierdimensionalen Wirklichkeit von heute, wobei das Präfix „a" nicht als alpha negativum, sondern als alpha privativum, als ein Freisein, aufscheint. Es ist die „Freiheit vom kausalen Zwang“, die in vorliegender Aufsatzreihe unter anderen von Jean Gebser (Bern), Arthur March (Innsbruck), C. F. Weizsäcker (Göttingen), A. Portmann (Basel) dargelegt wird. Damit beginnt nach Max Brod (Tel Aviv) die „Suche nach einem neuen Sinn unseres Daseins". Damit hat aber auch, was soziologisch von W. Tritsch (Paris) leider nicht ausgezeichnet wird, die „soziale Physik“, die mathematischnaturwissenschaftliche Vorausberechnung sozialer Abläufe, ein Ende gefunden.

Univ.-Prof. Dr. August M. Knoll

Der Weltäther. Ein Beitrag zur Lösung des Materieproblems. Von Heinrich Pohl. Verlag Felizian Rauch, Innsbruck. 93 Seiten

Man kann über naturphilosophische Probleme nur dann mit Erfolg philosophieren, wenn man sich gründlich mit den naturwissenschaftlichen Ergebnissen vertraut gemacht. Man kann nur richtig über klar

erkannte und verstandene Phänomene tiefer nachsinnen.. Diese Voraussetzung hat sich H. Pohl in hervorragendem Maße erarbeitet. Drum haben seine klar herausgearbeiteten Ergebnisse etwas sehr überzeugendes. Interessant wirkt der Schlußabschnitt in Hinblick auf die oben besprochenen Gedanken Was- muths: „Unsere Begriffe sind oft einseitig, vielfach von Zeitströmungen und durch die Denkweise des einzelnen mitbestimmt. Auch unser Bemühen um den Weltäther wird sich diesem Gesetz nicht vollends entziehen können. Vielleicht war die starre Substanz, die

nur äußerlich-passiv in ihrer Umwelt steht, und der zu ihr passende mechanische .Äther' ein Niederschlag der individualistischen Geisteshaltung des vergangenen Jahrhunderts. Heute im Zeitalter des Weltverkehrs wird der Gedanke der inneren Verbundenheit und Abhängigkeit viel stärker bewußt Die dynamische Auffassung, die Feldtheorie und schließlich unser Weltäther nichts anderes als ein Ausdruck der naturgemäßen Verbindung, die alle Einzelwesen zu einer großen Gemeinschaft zusammenschließ' "

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