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DENN STILLSTAND IST RÜCKSCHRITT

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Wieder erhält das Museum Industrielle Arbeitswelt in Steyr ein neues Gesicht. Die Umbauar-beiten für die Ausstellung „Info: Eine Geschichte des Computers" sind in vollem Gang. Am 30. April 1993 öffnet das Haus seine Pforten dem Publikum, das mit einem neuen und sehr aktuellen Thema konfrontiert werden wird. Nach „Arbeit-Mensch-Maschine" (der oberösterreichischen Landesausstellung 1987), den „Roten am Land", „Metallerleben" und „Zeit-Gerecht: 100 Jahre Katholische Soziallehre", die von März 1991 bis Dezember 1992 gezeigt wurde, folgt also die nächste Sonderausstellung. Was ist der Grund dieses ständigen Wandels?

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Wieder erhält das Museum Industrielle Arbeitswelt in Steyr ein neues Gesicht. Die Umbauar-beiten für die Ausstellung „Info: Eine Geschichte des Computers" sind in vollem Gang. Am 30. April 1993 öffnet das Haus seine Pforten dem Publikum, das mit einem neuen und sehr aktuellen Thema konfrontiert werden wird. Nach „Arbeit-Mensch-Maschine" (der oberösterreichischen Landesausstellung 1987), den „Roten am Land", „Metallerleben" und „Zeit-Gerecht: 100 Jahre Katholische Soziallehre", die von März 1991 bis Dezember 1992 gezeigt wurde, folgt also die nächste Sonderausstellung. Was ist der Grund dieses ständigen Wandels?

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Üblicherweise wird in Museen eine Grundausstellung zu einem bestimmten Thema jähre-, wenn nicht jahrzehntelang in allenfalls leicht modifizierter Form gezeigt. So gibt es eben das naturhistorische, das kunsthistorische, das heeresgeschichtliche Museum, das Haus der Natur und viele andere. Auch das Grundthema des Museums Industrielle Arbeitswelt scheint klar zu sein scheint: Eben die Geschickte der industriellen Arbeitswelt, unter besonderer Betonung der Menschen, die dieser Arbeitswelt in irgend einer Weise verbunden waren und sind. Aber diese Arbeitswelt wandelt sich ständig. Um diesem Wandel gerecht zu werden, ändern sich die Themenschwerpunkte. Oft ist der Anlaß einer neuen Ausstellung ein Jubiläum: Bei „Metallerleben" war es das 100-Jahr-Jubiläum der Metallarbeitergewerkschaft, bei „Zeit-Gerecht" wurde an die hundertste Wiederkehr der Veröffentlichung der ersten Sozialenzyklika, Rerum no varum, durch Papst Leo XIII. erinnert.

Es ist ein Grundanliegen des Museums Industrielle Arbeitswelt, mit diesen wechselnden Ausstellungen aktuelle Themen von gesellschaftlicher Relevanz aufzugreifen, Themen, die ein möglichst breites Interesse finden sollen. Dabei kooperiert das Museum mit unterschiedlichen Partnern auf einer breiten politischen und weltanschaulichen Basis. Anhand der jeweiligen Ausstellungen soll auch Auseinandersetzung geschehen - die glatte Präsentation von unverbindlich dargestellten Inhalten ist die Sache des Museums nicht.

Daß das Museum überhaupt nach der oberösterreichischen Landesausstellung 1987( Arbeit-Mensch-Maschine) weiter „in Betrieb" blieb, war zunächst dem großen Erfolg der ersten Ausstellung mit ihren über 400.000 Besuchern zuzuschreiben. Dieser Erfolg, der alle Erwartungen übertroffen hatte, hing wahrscheinlich mit der Neuartigkeit des Themas zusammen. Nie zuvor war in einer Ausstellung dieses Umfangs die Geschichte der industriellen Arbeitswelt von den Anfängen bis zur Gegenwart thematisiert worden; eine Geschichte, mit der sich offenbar sehr viele Menschen identifizieren konnten.

Neu war neben dem Inhalt auch die Art und Weise der Darstellung. Der Wiener Architekt und Bühnenbildner

Hans Hoffer hatte eine sehr wirksame „Dramaturgie" entwickelt, die Geschichte gewissermaßen sinnlich erlebbar machte. In der Schusterstube, der Schmiede, der Arbeiterwohnung oder auch der Computerhalle konnten sich die Besucher sehr unmittelbar in die jeweilige Arbeits- und Lebenswelt einfühlen, wobei gerade bei älteren Besuchern der Reiz des Wiedererkennens der selbst erlebten Vergangenheit dazukam.

Die leichte Verständlichkeit der Darstellung hat ganz bestimmt zur Beliebtheit des Museums gerade bei nicht wissenschaftlich und historisch vorgebildeten Menschen entscheidend beigetragen. Es ging eben vor allem um die Geschichte der „einfachen" Menschen, die bis vor nicht allzu langer Zeit (und zum Teil sogar noch heute) in den Geschichtsbüchern eher am Rande behandelt wurde und im Schatten der großen Persönlichkeiten ihr bescheidenes Dasein fristete.

Abgesehen von der hohen Akzeptanz durch das Publikum hat auch die internationale Anerkennung dazu geführt, daß sich die Verantwortlichen mit dem Gedanken einer Weiterführung des Museumsbetriebs über den Zeitraum der Landesausstellung hinaus zu befassen begannen. Nachdem diese Weiterführung auch durch die maßgeblichen Stellen im Bund, Land und vor allem auch im Unterrichtsministerium unterstützt worden war, war der weitere Betrieb des Museums Industrielle Arbeitswelt vorerst gesichert. Mit der Idee eines Arbeitsweltmuseums in Steyr von Anfang an verbunden war ein Mann, auf dessen enorme Verdienste in diesem Rahmen nicht ausführlicher eingegangen werden kann, der aber zumindest erwähnt werden muß: Universitätsprofessor Josef Weidenholzer hat sieben Jahre aufopfernder Tätigkeit für die Sache des Museums hinter sich. Von der Propagierung der Idee über die Durchführung der Landesausstellung bis zu Sicherung des Dauerbetriebs war er mehr noch als der Kopf die Seele des Museums.

Wie bereits erwähnt, gab es in den Jahren seit 1987 eine Reihe von Sonderausstellungen, die zum Teil aufwendige Umbauten und umfangreiche Vorbereitungsarbeiten nötig machten. Eine entscheidende Frage dabei war, wie das Publikum und die Öffentlichkeit auf die wechselnden Sonderausstellungen reagieren würden.

Natürlich sprechen die unterschiedlichen Themen jeweils ein spezifisches Publikum an. Aber es hat sich neben dem Fach- auch ein Stammpublikum herausgebildet, das das Museum unabhängig vom jeweiligen thematischen Schwerpunkt seit Beginn der Ausstellungstätigkeit immer wieder besucht. Den Löwenanteil dieser „Stammkunden" machen mit Sicherheit die Schulen aus. Von Beginn an hat das Museum Arbeitswelt auf die Museumspädagogik gesetzt, und es ist wohl nicht übertrieben, wenn man von einer österreichweiten Vorreiterrolle auf diesem Gebiet spricht.

Es gibt allerdings auch nüchternpragmatische, noch genauer gesagt: finanztechnische Gründe für den ständigen Wechsel der Ausstellungsinhalte. Das Museum Arbeitswelt ist kein Stadt-, Landes- oder Bundesmuseum und verfügt aus diesem Grund über keine durchgehende Finanzsicherheit. Die Mittel für den Betrieb müssen also von Jahr zu Jahr neu aufgebracht werden. Deshalb muß das Museum, das als privater Verein organisiert ist, potentielle Geldgeber durch qualifizierte Arbeit und ständiges Engagement überzeugen. Daß außerdem ein hohes Maß an Flexibilität erforderlich ist, um auf aktuelle Entwicklungen schnell genug reagieren zu können, läßt sich denken.

Über den Ausstellungsbetrieb hinaus bietet das Museum Industrielle Arbeitswelt ein reichhaltiges Veranstaltungsprogramm an, das Lehrerfortbildung, Schülerprojekte, Symposien, Vorträge, aber auch Konzerte sowie Präsentationen zeitgenössischer Kunst umfaßt. Damit sprengt das Museum die Grenzen der tradierten Auffassung und tut den Schritt hin zum Bildungs-, Ausstellungs- und Projektzentrum. Es wird aber auch das nötige Maß an öffentlicher Unterstützung erforderlich sein, damit das Museum Industrielle Arbeitswelt seine Aufgaben auch in Zukunft erfüllen kann.

Christian Eder ist Leiter der pädagogischen Abteilung des Museums Industrielle Arbeitswelt in Steyr.

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