Ein neues Museum entsteht

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Die Pläne zur Fusionierung von Volkskunde- und Völkerkundemuseum zu einem „Museum der Kulturen“ im Jahr 2016 sind weit fortgeschritten. Sein Überleben verdankt das Volkskundemuseum in Wien-Josefstadt dem unermüdlichen Engagement seiner Direktorin Margot Schindler.

Margot Schindler, Direktorin des Österreichischen Volkskundemuseums in Wien-Josefstadt, sieht mit Optimismus in die Zukunft. Anlass für ihr positives Denken: Ihr Museum, dem sie seit 1. April 2006 – kein Aprilscherz ! – vorsteht, scheint nach langen Irrungen und Wirrungen gerettet zu sein, „obwohl wir derzeit von der Hand im Mund leben und noch nicht einmal das Budget für 2009 überwiesen ist!“

Die Schwierigkeiten, denen sich das stimmungsvolle Volkskundemuseum seit Jahrzehnten gegenübersieht, sind durch die eigenwillige Rechtskonstruktion bedingt: Es handelt sich nämlich um kein Bundesmuseum, wie jeder annimmt, sondern steht im Eigentum des ehrwürdigen Vereines für Volkskunde, der 1895 gegründet wurde. Die Mitarbeiter im Palais Schönborn, das der Stadt Wien gehört und dem Verein mietfrei zur Verfügung steht, werden zwar vom Bund bezahlt, für die Erhaltung des in die Jahre gekommenen Hauses ist jedoch der Verein zuständig, der vom Kulturministerium eine Subvention von 300.000 Euro jährlich erhält. „Ein Betrag, mit dem man freilich kein Palais erhalten kann, das vor 300 Jahren von Lucas von Hildebrandt erbaut wurde. Vordringlich sind Dacherneuerung, Kanalsanierung und Erneuerung der Elektroinstallationen, nicht zuletzt gehört die Fassade ausgebessert, Arbeiten, die grob gerechnet insgesamt etwa 4,8 Millionen Euro ausmachen“, rechnet Margot Schindler vor. Ein entsprechendes Sanierungskonzept liegt vor.

Sanierung hat begonnen

Nach langwierigen Verhandlungen ist es der rastlosen Museumsmanagerin gelungen – als geborene Waldviertlerin mit Hartnäckigkeit und Selbstbewusstsein gleichermaßen ausgestattet –, dass die Magistratsabteilung 34 mit der Sanierung begonnen hat. Die massive Decke über der Bibliothek, die mehr als 130.000 Bände beherbergt, wird erneuert und neu aufgehängt, weitere Schritte der Dachsanierung werden folgen.

Das renovierte Barockschloss Schönborn, in dem des Kardinals Ahnen einst residierten, wird jedoch nach der Generalsanierung vermutlich nicht mehr das Volkskundemuseum beherbergen. Dies deshalb, weil geplant ist, Volkskundemuseum und Völkerkundemuseum zusammenzuführen und in der Neuen Hofburg am Heldenplatz neu zu situieren. So sieht es jedenfalls das Konzept „Museum neu – Museum der Kulturen“ vor, das auf 40 Seiten eingehend die Sinnhaftigkeit einer Fusionierung darstellt, die auch die Volkskunde-Chefin voll mitträgt: „In einer globalisierten Welt mit teils freiwillig, teils unfreiwillig mobilen Bürgern, ist die Trennung zwischen Europa und dem Rest der Welt nicht mehr aufrechtzuerhalten, was jedoch nicht bedeutet, dass in diesem neuen Museum die unterschiedlichen Fachtraditionen von Volks- und Völkerkunde restlos verschwinden werden!“ Das kleine, aber feine Museum wird also von der Laudongasse in der Josefstadt auf den Heldenplatz in die Neue Hofburg im Stadtzentrum übersiedeln, in Räume, die von beeindruckender Größe sind und auch den Museumsbestand aufnehmen könnten. Die Depots im Hafen Freudenau und im Luftschutzkeller unter dem Schönborn-Park bleiben erhalten, abgeschlossen soll die Fusion mit der Eröffnung des „Museums der Kulturen“ im Jahre 2016 werden.

Margot Schindler, Jahrgang 1952, sieht den Zeitplan mit Gelassenheit, denn 2016 wird sie wohl kein neues Direktionszimmer mehr beziehen, sondern in den wohlverdienten Ruhestand wechseln. Das geplante große Kulturmuseum – ähnlich den ethnografischen Museen in Budapest, Zagreb, Ljubljana oder Basel – wird ein neues eigenständiges und unabhängiges Bundesmuseum formieren und damit eine empfindliche Lücke in der nationalen Museumslandschaft schließen.

Frohgemut ob dieser Entwicklung in Richtung Fusionierung geht Margot Schindler an die Realisierung der nächsten Aktivitäten des Volkskundemuseums im altgewohnten Ambiente des Palais Schönborn: Im April 2010 wird die Ausstellung „120 Jahre 1. Mai“ eröffnet, die einen Überblick über die Entwicklung in Österreich mit Seitenblicken auf die ganze Welt bietet. Wobei es noch viel Unbekanntes gibt: Wer weiß zum Beispiel, dass der Maibaum erst 1938 von den Nationalsozialisten nach Wien gebracht wurde. Ausstellungsstücke werden gesucht, vom mit rotem Krepp geschmückten Radl bis zu Fotos. Nach dieser Ausstellung über die Arbeiter und ihren Feiertag folgt im Herbst eine Ausstellung über Europas Nationalheilige, die vom Oberösterreichischen Landesmuseum übernommen wird und dann in europäische Hauptstädte weiterzieht.

Erobern, entdecken, erforschen

Dazu kommen Forschungsprojekte wie ein bilaterales mit der Slowakei, wobei Bratislava mit dem Keramik- und Weinbauzentrum Modra die Schwerpunkte bilden. Nicht zuletzt wurde das Österreichische Volkskundemuseum ersucht, für die NÖ Landesausstellung 2011 in Hainburg und Carnuntum unter dem Motto „erobern-entdecken-erforschen“ einen Abschnitt zu erarbeiten und Schaustücke zur Verfügung zu stellen – und davon gibt es ja genug. Schließlich wurde das Österreichische Volkskundemuseum 1895 mit dem Anspruch gegründet, ein Monument des Vielvölkerstaates zu etablieren. Die Sammlung umfasst Möbel, Krippen, Modelle, Skulpturen, religiöse Volkskunst, Textilien, Schmuck, Keramik mit über 15.000 Objekten und eine der größten Fotosammlungen Österreichs. Dies alles wird ab 2016 im „Museum der Kulturen“ in der Neuen Hofburg zu besichtigen sein. Vorausgesetzt, die maroden Staatsfinanzen ermöglichen die Übersiedlung der Schätze von der Laudongasse auf den Heldenplatz …

* Der Autor ist Mitarbeiter der Kulturzeitschrift „morgen“

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