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Verschwundenes Königreich

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Die Besitzungen der Fürsten Schwarzenberg, Herzöge von Krummau, umfaßten vor dem ersten Weltkrieg ein Fünftel von ganz. Böhmen. Das war eine größere Bodenfläche, als sie das Königreich Sachsen besaß. Von diesem ungeheuren Besitz, dem „Königreich Schwarzenberg“, wie er genannt wurde, beließ die Bodenreform der ersten tschechischen Republik noch immer 47.000 Hektar Wald, 2250 Hektar Ackerland, 3300 Hektar Fischereigewässer, 9 Brauereien, 1 Elektrizitätswerk, 1 Fruchtsaftfabrik, 1 Steinbruch, 3 Ziegeleien und eine Anzahl von Schlössern, wie Krummau, Frauenberg, Prag, in der Hand der Familie. Als die Deutschen 1938 und 1939 zuerst das Sudetenland und dann den Rest Böhmens besetzten, begab sich das Oberhaupt der Familie, der „Großgrundbesitzer J. U. Dr. Adolf Schwarzenberg“ — die Führung von Adelstiteln in der Tschechoslowakei war ja verboten — auf eine Auslandsreise, er ging „in die Emigration“. Der ganze Besitz wurde von den Nationalsozialisten beschlagnahmt. Die rotweiße Flagge wurde auf den Schlössern eingezogen, die rotweißen Balken im Schloßhof von Krummau in blauweiße bayrische umgemalt, die alte Schloßwache, Grenadiere mit riesigen Bärenmützen, die sich die Schwarzenfoerge bis zum Schluß gehalten hatten, verschwanden ebenso und mir mehr die alten Kanonen mit ihren Steinkugeln träumten von der Vergangenheit.

Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges meldete sich der Fürst aus Zürich und machte seine Ansprüche geltend. Er war zweifellos ein von den Nazi Geschädigter, und er war kein Deutscher, dessen Besitz etwa unter die Beschlagnahmungsgesetze der Republik gefallen wäre. Dr. Adolf Schwarzenberg war immer bewußter Tscheche gewesen, hatte in seinem großen Verwaltungsapparat die tschechische Amtssprache eingeführt, den Präsidenten Dr. Benesch feierlich auf seinem Schloß empfangen, sein Doktorat auf einer tschechischen Universität erhalten und war Mitglied der tschechischen Agrarpartei gewesen, die ihn sogar einmal gebeten hatte, ein Mandat im Parlament anzunehmen. Die Wiedergutmachungsanträge des Fürsten wären für die neue tschechische Republik vielleicht eine Verlegenheit gewesen, hätte er sie nicht in einer besonderen Form vorgebracht. Er verzichtete auf seinen ganzen Besitz mit der Begründung, die neuen Begriffe von-Privateigentum erlaubten es ihm nicht mehr, den ererbten Besitz weiter zu behalten. Um aber dessen Geschlossenheit zu bewahren und Unrentabilität zu vermeiden und um die Rechtsansprüche seiner zahlreichen Angestellten und Pensionisten zu schützen, sehe er keinen anderen Ausweg, als die Güter dem Lande Böhmen ungeteilt zu übereignen, unter der Voraussetzung, daß sie den Charakter einer juridischen Person erhalten, dem Landesausschuß von Böhmen direkt unterstehen und von einem aus Fachleuten gebildeten Verwaltu^gsausschuß betreut werden. Der Vorsitz in diesem Verwaltungsausschuß soll erblich bei der Familie Schwarzenberg bleiben. Das Reinerträgnis der Schenkung dürfe nur für soziale und kulturelle Einrichtungen des Lande; Böhmen verwendet werden. Eer Geschenkgeber solle nur noch das Recht erhalten, alle

Objekte frei benützen zu dürfen, über einen jährlichen Dispositionsfonds von 1,2 Millionen Tschechenkronen zu verfügen und sämtliche Wertpapiere, die sich früher in seinem Eigentum befanden und die den Betrag von 11,2 Millionen Tschechenkronen ausmachten, wieder zurückzuerhalten.

Der Landesausschuß von Böhmen nahm mit beiden Händen dieses Angebot auf. Die Zerstückelung der Güter hatte sich bereits nach dem ersten Weltkrieg nicht immer als ein Vorteil erwiesen, große Kulturschätze, wie Schlösser und Museen, die nur Kosten verursachten, fielen zu Lasten des Staates. Durch das Angebot könnt einerseits eine Parzellierung vermieden werden, andererseits kamen die Güter doch der Allgemeinheit zugute. Der kommunistische Flügel des Landesausschusses verlangte jedoch eine bedingungslose Parzellierung des gesamten Komplexes, wurde aber überstimmt. Das Land Böhmen nahm das Angebot an und erreichte noch einige Zugeständnisse von Seiten des Fürsten, wie Streichung des Dispositionsfonds und Umänderung der erblichen in eine persönliche Vorstandsstellung.

Soweit wäre alles gut gewesen, wenn der kommunistische Landwirtschaftsminister nicht die Angelegenheit vor den Landwirtschaftsausschuß des Parlaments gebracht hätte. Doch die Mehrheit des Ausschusses entschied gegen den Minister, worauf dessen Parteipresse die Niederlage als einen Angriff reaktionärer Elemente bezeichnete, die dabei seien, eine neue grün-schwarze Koalition aufzubauen. Über diesen heftigen Streit wurde auf die Schwarzenbergischen Güter beinahe vergessen. Das Ende dieses ' geheimen Königreiches hätte beinahe auch das Ende der tschechischen Regierungskoalition bedeutet und bewies damit, daß das Ende einer alten Welt doch noch auch die neue erschüttern kann.

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