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Ein Reflex österreichischer Kulturleistung

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Durch einen im rumänischen Staatsgesetzblatt vom 19. August 1946 erschienenen Erlaß ist nebst anderen kulturellen Vermögenswerten der Siebenbürger Sachsen das Baron Brukenthalsche Museum in Hermannstadt in das Eigentum des rumänisdien Staates übernommen worden. Eine Entschädigung oder Ablösung an den früheren Besitzer, die Hermannstädter evangelische Kirchengemeinde, wurde nicht in Aussicht gestellt. Ob ein gegen die juridisch fehlerhafte Form der Enteignung erhobener Einspruch Erfolg haben wird, steht dahin.

Uns interessiert in diesem Zusammenhang nicht der politische Hintergrund o'er die juridische Form der Enteignung sondrrn deren kultureller Aspekt Das Brukenthalsche Museum in Hermannstadt — woh! die bedeutendste in „Volksdeutschem“ Besitz befindliche Einrichtung dieser Art und eine der größten musealen Sammlungen ganz Südosteuropas bestehend aus einer wertvollen Gemäldegalerie, einer wissenschaftlichen Studienbibliothek von rund 150.000 Bänden mit Dutzenden von Inkunabeln, Unika und seltenen Werken, einer Handschriftenabteilung, einem volkskundlichen Museum, Altertumssammlung, Münzkabinett, „Rüstkammer“ und einer prähistorischen Sammlung — darf mit Fug und Recht als eine Ausstrahlung österreichischer Kulturleistng angesprochen werden. Das gilt sowohl für die Person des Stifters als auch für den Charakter seiner Sammlungen.

Stifter ist der aus siebenbürgisch-sächsischer Wurzel entsprossene österreichische Staatsmann Samuel von Brukentha! (1721 bis 1803), der von der Kaiserin Maria Theresia für seine als Gubernator des damals österreichischen Großfürstentums Siebenbürgen erworbenen Verdienste in den erblichen Freiherrnstand erhoben wurde. Sein Verdienst war es, die österreichische Herrschaft in dem vom Türkenjoch befreiten Siebenbürgen populär gemacht zu haben, nachdem das fast einhundert Jahre hindurch nicht gelungen war. Nach der Vertreibung der Türken unter den Mauern Wiens (1683) und Ofens (1686) war Siebenbürgen im Jahre 1691 durch das Leopoldinische Diplom ein Kronland Österreichs geworden. Es war indessen nicht einfach, das von den drei „Nationen“ der Ungarn, Sachsen und Rumänen bewohnte reiche und fruchtbare, aber aus einer eigentümlichen Geschichte und ständisch-religiösen Gliederung heraus, schwierige Land für den Habsburgerstaat innerlich zu gewinnen. Brukenthal bat das zuwegegebracht. Seine Erfolge auf dem Gebiet der Politik und Verwaltung fanden ihren Niedersdilag in dem starken Einfluß österreichischer Lebensform, die er dem Land vermittelte. Als Gubernator lebte er abwechselnd in Wien und in Hermannstadt, das damals die Hauptstadt des Kronlandes war, und verpflajizte durch sein lebendiges Beispiel die Lebensart des österreichischen Adels in den Osten. Als Bauherr ließ er das prächtige Palais auf dem Großen Ring in Hermannstadt, das heute einen Großteil seiner Sammlungen beherbergt, auffuhr und die reizenden Sommerschlösser in Frede und Sambata-de-Jos sowie die einstige Som-merresidenz vor dem Rotenturmer Tor in Hermannstadt alle von den namhaftesten österreichischen und süddeutschen Baukünstlern jener Zeit erstellen (Fischer von Erlach, Blaumann und andere).

Als Mäzen brachte Brukenthal Kunst und Literatur zur Blüte und sammelte selbst mit trefflichem Verständnis Bücher, Gemälde, Münzen, Altertümer. Durch seine Beziehun-

Unsererseits schließen wir, wie wir begonnen, achtungsvoll, aber darum nicht minder ernst mit dem u nausgesetzten und bis zu seiner Realisierung nie rastenden Rufe: Heiligl heilig! heilig! — Gerechtigkeit, zugängliche Gerechtigkeitl Gerechtigkeit nicht für die wenigen, sondern für alle! Nicht länger dem Namen nach, sondern endlich wirkliche

Gerechtigkeit! Bentham, Petition for justice gen zum Wiener Hof stand er mit den führenden Geistern der Zeit in Verbindung. Man darf ihn als einen Verpflanzer des Josephinismus nach Siebenbürgen ansprechen, und es ist eine Ironie des Schicksals, daß er sich gerade aus den Grundsätzen eines wohlverstandenen Liberalismus heraus gewissen Anordnungen Josephs II widersetzen mußte und so in Konflikt mit dem Kaiser kam.

Dem überstürzenden Reformdrang des Kaisers setzte der siebenbürgische Staatsmann das Recht des langsam und organisch Gewachsenen entgegen. Als Joseph die Einführung der deutschen Amtssprache auf dem Gesamtgebiet der Monarchie anordnete, erhob Brukenthal seine warnende Stimme und vertrat, auf dem Fundament der Toleranz fußend, das Recht der „Nationalitäten“ auf eigene Sprache und Kultur. So kam es denn, daß der ungeduldig Erfolge ersehnende Kaiser den von seiner Mutter Maria Theresia so geschätzten treuen Berater fallen ließ. Brukenthal hat, ohne sich durch die Zurücksetzung verbittern zu lassen, mehr als anderthalb Jahrzehnte lang seine führende kulturelle Rolle als Privatmann weitergeführt und bei seinem kinderlos erfolgten Tod seine schon damals ungeheuer wertvollen Sammlungen der Allgemeinheit hinterlassen; er vermachte sie für den Fall des Aussterbens des Brukenthalschen Mannesstammes der evangelischen Kirchengemeinde, beziehungweise dem evangelisch-sächsischen Gymnasium in Hermannstadt, das heute nach dem Namen des Stifters benannt ist.

Man darf sagen, daß die Sachsen die Sammlungen im Geist des großen Mannes verwaltet und weiterentwickelt haben. Der noch vom Stifter herrührende österreichische Einschlag ist über die österreichische Zeit Siebenbürgens hinaus bewahrt worden (1867 wurde Siebenbürgen ungarisch, 1918 rumänisch) und im Geist echt österreichischer Vorurteilslosigkeit in Nationalitätendingen haben sie allen siebenbürgischen Völkerschaften offengestanden und gedient. Deutsche, ungarische und rumänische Gelehrte haben ihre Forsch jngen in brüderlicher Eintracht in den Räumen und an den Sdiätzen des Museums getrieben, Besucher aus allen Teilen der Weit haben sich an ihnen erfreut und fortgebildet. Mit den ehemals österreichischen Universitäten in Czernowitz und Lemberg, den Spuren alt-österreidiisdier Verwaltung in heute längst „nationalisierten“ Gebieter der einstigen „Militärgrenze“ von Agram bis Nassod, mit so vielen anderen Resten einst österreichischer Lebensform und Leistung ist auch das Baron Brukenthalsche Museum ein Reflex österreichischer Kulturleistung gewesen.

Nun wollen die Rumänen es in Besitz nehmen. Es ist ein gewichtiges Kulturerbe, das sie antreten werden. Man kann, sollte es dabei bleiben, nur wünschen und hoffen, daß sie die Verpflichtung aus diesem Erbe erkennen.

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