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Sammeln, bewahren und forschen

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Das Joanneum wurde 1811 als Stiftung Erzherzog Johanns von Österreich gegründet. Es ist heute das älteste der Öffentlichkeit gewidmete Museum in Österreich und mit 14 Abteilungen zugleich das größte Landesmuseum. Die umfangreichen Sammlungen sind in mehreren historischen Gebäuden in Graz und drei Außenstellen untergebracht. Sie enthalten Sammlungen zur Naturkunde, Kulturgeschichte und Kunst des Landes. Außer den ständigen Schausammlungen sind auch die reichen Studiensammlungen, Fachbibliotheken und Archive der einzelnen Abteilungen zugänglich. Beratungen und Auskünfte werden durch Fachwissenschafter erteilt.

Das Joanneum veranstaltet Sonderausstellungen, Vorträge, Sonderführungen, Exkursionen und Seminare. Für Schülergruppen und ihre Lehrkräfte stellt ein Referat für Jugendbetreuung spezielle Unterrichtsmodelle zur Verfügung, für Kinder und Jugendliche werden Jugendklubs geführt.

Wenige Institutionen sind heute noch in der Lage, den Auftrag ihres Stifters als zukunftsweisende Verpflichtung betrachten zu können. Erzherzog Johann erwies sich durch das Gründungsstatut des Joanneums nicht nur als „Geschöpf des sogenannten Aufklärungszeitalters im erfreulichsten Sinne", sondern auch als ein Mann, der in die Zukunft blickte. In die Sprache der Gegenwart übertragen, sind die vier Pfeiler jeder verantwortungsbewußten Museumsarbeit klar bezeichnet: Sammeln, Bewahren, Erforschen, Vermitteln.

Die jüngste Entwicklung des Joanneums beweist überzeugend, daß das einträchtige Wirken aller Verantwortlichen, getragen von der Zustimmung und Unterstützung der Bevölkerung, unumgängliche Voraussetzung für die Erfüllung seines Stiftungsauftrages ist.

Hatte schon die Zeit nach dem Erzherzog-Johann-Jahr 1959 wesentliche Erweiterungen des Museums und einen steilen Anstieg des Besucherinteresses mit sich gebracht, so steht das Joanneum seit den siebziger Jahren vollends • unter dem Zeichen eines bisher beispiellosen Aufschwunges. Vierzehn Abteilungen stehen heute ihren Besuchern zur Verfügung. Einige von ihnen wurden bereits nach zeitgemäßen museologischen Gesichtspunkten völlig neu gestaltet.

Aber nicht nur die ständigen Schausammlungen dienen dem Besucher. Zeitlich begrenzte Sonderausstellungen und Einzelveranstaltungen wie Kurse, Vorträge, Sonderführungen, Seminare, Exkursionen im ganzen Land lenken das Interesse der Bevölkerung auf bestimmte Spezialthe-men, gewinnen dem Museum neue Anhänger und erhalten ihm seine alten Freunde. Auch die Mitarbeit des Joanneums an wichtigen Ausstellungen im In- und Ausland oder Unterstützung von repräsentativen Landesausstellungen und Symposien sind eine weiter Facette vielfältiger Aufgaben im Bereich der unmittelbaren Publikumsversorgung. Schließlich ermöglicht eine stattliche Reihe von derzeit über 350 Publikationen — Fachzeitschriften, Monographien, Kataloge — vertiefte Auseinandersetzung mit den am Museum vertretenen Fachbereichen und verbindet zugleich das Joanneum mit Hunderten verwandten Institutionen in aller Welt.

Die Aufgabe des Bewahrens beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Sammlungen und auf die gezeigten Baukörper, Anlagen und Räume. Angesichts zunehmender Bedrohung der Umwelt heißt das auch intensive Mitarbeit in allen Belangen des Natur- und Kulturgüterschutzes. Vom Gutachten über geschützte Tiere bis zur selbständigen Durchführung sämtlicher Aufgaben der Landesarchäologie, von der Beratung Tausender Fragesteller bis zu vielfältigen Dokumentationsaufgaben in allen Fachbereichen.

Damit hängt auch jener joanneische Auftrag untrennbar zusammen, dem sich das Museum seit seiner Gründung in besonderem Maße verpflichtet weiß: die Forschung. Eine Reihe bedeutender Forscherpersönlichkeiten schuf die Grundlagen, die heute den wissenschaftlichen Stab des Joanneums befähigen, auch neue Forschungsaufgaben im Dienst der Öffentlichkeit zu übernehmen. Ob es nun um die geistige und materielle Geschichte unseres Landes geht, um die Erschließung von Rohstoffquellen oder die Erhaltung natürlicher Lebensräume—bei allen sind Vertreter des Joanneums maßgeblich beteiligt. Ihre Mitarbeit und ihr Rat werden auch in Angelegenheiten von überregionaler Bedeutung gesucht und anerkannt.

Die vielseitige und vielschichtige Tätigkeit des Joanneums wurde kürzlich auch international in besonderer Weise gewürdigt: Am 7. Mai 1984 überreichte in Straßburg der Präsident des Europaparlaments Karl Ahrens dem Direktor des Joanneums den angesehenen „Museumspreis des Europarates". Dieser Preis wird seit 1977 alljährlich an ein europäisches Museum verliehen, das „einen hervorragenden Beitrag zum Verständnis des europäischen Kulturerbes" leistet. Nach Museen in Spanien, Norwegen, der Bundesrepublik Deutschland, Irland, Schweden und Finnland wurde nun der Europapreis zum ersten Mal einem österreichischen Museum verliehen.

Für das Joanneum, dessen Tätigkeit „an den Wegkreuzungen von Ost- und West-, Nord- und Südeuropa" ebenso hervorgehoben wurde wie sein erfolgreicher Einsatz für eine zeitgemäße Vermittlung seiner Sammlungen, ist diese hohe Auszeichnung eine Anerkennung seines Weges im Sinne des joanneischen Stiftungsauftrages und der steiri-schen Kulturpolitik. Zugleich bestätigt die abschließende Feststellung der Jury in der Broschüre, die anläßlich der Preisverleihung aufgelegt wurde, die besondere Verpflichtung des Steiermärki-schen Landesmuseums für die Allgemeinheit: „Das Joanneum ist ein wahrhaft europäisches Museum."

Der Autor leitet des Landesmuseum Joanneum in Graz.

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