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St. Pölten: Die Entwicklung zur Hauptstadt hat begonnen

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Eineinhalb Jahre sind seit dem historischen Landtagsbeschluß des vergangenen Jahres vergangen, womit ein 65 Jahre währender und letztlich unhaltbarer Zustand für Niederösterreich beendet wurde. Wenn man heute Bilanz über die seit Sommer 1986 eingetretene Entwicklung zieht, so muß man eigentlich mehr als zufrieden sein. Wenn auch von gewisser Seite immer wieder Klage darüber geführt wird, daß manches zu langsam gehe, muß doch einerseits berücksichtigt und anerkannt werden, daß man nicht eine sechseinhalb Jahrzehnte dauernde Situation schlagartig ändern kann und daß man auch andererseits nicht erwarten kann, daß ein solches Jahrhundertprojekt über Nacht aus dem Boden gestampft werden kann. Die Dimension eines solchen Vorhabens ist - und schon gar nicht in einer so sensiblen Zeit der öffentlichen'Mitbestimmung -nicht dazu angetan, Entscheidungen, die auf Jahrzehnte und auf Jahrhunderte wirksam sein werden, unter Zeitdruck praktisch „Uber das Knie zu brechen“.

Unter Anlegung solcher Perspektiven ergibt sich sicher ein überaus positives Bild. Vielleicht am spektakulärsten ist die Tatsache - die bisher leider in der öffentlichen Meinung eher untergegangen ist -, daß in diesen eineinhalb Jahren allein in der Stadt St. Pölten an die 200 neue Firmen und Betriebe entstanden sind, etwas, womit eigentlich niemand in so kurzer Zeit gerechnet hat. Diese Bilanz ist anscheinend so sensationell, daß viele diese Zahlen gar nicht zur Kenntnis nehmen wollten und eher geneigt waren, an fehlerhafte Statistiken zu glauben.

Das neue Landhaus

Eine zentrale Funktion im ganzen Geschehen hat sicherlich das Vorhaben des Landes selbst, die Einrichtungen der Landespolitik und der Landesverwaltung in die Hauptstadt zu verlegen. Das gesamte Projekt soll ja etwa ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen, was bedeutet, daß man Mitte der neunziger Jahre mit der Fertigstellung des neuen Landhauses rechnen können wird. Wem auch diese Vorgangsweise schleppend erscheint, muß wissen, daß man nicht etwa - was wesentlich leichter abzuwickeln wäre - die vorhandene Organisation im Verhältnis 1:1 zu transferieren gewillt ist, sondern daß man im Zuge der Übersiedlung auch eine Verwaltungsreform im Sinne der Dezentralisierung und der verstärkten Bürgernähe verwirklichen will. Das heißt, daß eine ganze Anzahl von Abteilungen beziehungsweise Aufgabenbereichen nicht in die Landeszentrale nach St. Pölten kommen wird, sondern in verschiedenen Bezirksorten angesiedelt werden soll. Statt für etwa 3500 Beschäftigte wird man daher für nur 2700 bis 2800 Landesbedienstete räumliche Vorsorge In der Hauptstadt treffen müssen. Dies Ist sicherlich ein sehr modernes, zukunftsorientiertes und demokratiefreundliches Modell, dem sich vor allem Landeshauptmann Siegfried Ludwig verpflichtet fühlt.

Ein allgemeines Raumprogramm für die Landeszentrale Hegt bereits vor, ein detailliertes Konzept wird in den nächsten Monaten ausgearbeitet.

Schon in wenigen Monaten soll auch die endgültige Frage des Standortes geklärt sein, wobei vermutlich der sogenannten Ost-Variante der Vorzug gegeben wird. Diese hat verschiedene Vorteile, insbesondere eine günstige Verkehrsiage und auch die relativ leichte Verfügbarkelt der Baugründe.

Es wird freilich nicht bis zum Bau dieses neuen Landhauses dauern, ehe verschiedene andere Großprojekte realisiert werden. Ein erstes spektakuläres Beispiel Ist die neue Landessportschule, für die nach Abschluß eines Architektenwettbewerbs bereits die Welchen gestellt wurden. Schon 1988 soll mit dem Bau dieses wichtigen Objektes begonnen werden. Ebenfalls unter einem Landesaspekt läuft der Neubau einer neuen Traisenbrücke im Osten der Stadt, die eine eminent wichtige verkehrspolitische Funktion haben wird.

Man darf davon ausgehen, daß die Verwaltung im weitesten Sinn in der neuen Hauptstadt breiten Raum einnehmen wird, geht es doch hier um den International stark expandierenden tertiären Bereich, also den Dienstleistungssektor. Die Hauptstadtgründung wird daher auch Investitionen des Bundes zur Folge haben. Schon jetzt weiß man, daß es zur Errichtung eines großen Sicherheitszentrums, in dem das Landesgendar-merlekommando und die Sicherheitsdirektion integriert werden, kommen wird, ferner wurden eine neue ÖBB-Lehrwerkstatte. eine Postgarage und ein neues Bundesamtsgebäude angekündigt.

Auf diesen Trend „aufspringen“ wollen auch verschiedene Versicherungen und Bankinstitute, wie etwa die Nationalbank, die Nö Versicherung und auch die Bundesländerversicherung.

Überaus bedeutsam ist aber auch, daß sich auch das Landesbewußtsein wie auch das Selbstbewußtsein der Niederösterreicher Immer stärker zu heben beginnt: Ausdruck hiefür ist die Bildung der eigenen Landeskammer der Rechtsanwälte mit Sitz In St. Pölten und auch die Forderung nach einem eigenen Landesvorstand der Bundesversicherungsanstalt. Auch von der Transferierung der Nö Molkerei von Wien nach Niederösterreich wird bereits gesprochen.

Information der Niederösterreichischen Landesregierung.

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