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Zagreb präsentiert christliche Kunst

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Die Ausstellung „Schätze der Zagreber Kathedrale“, die Besucher der Stadt Zagreb bis Mitte September sehen können, kam auf merkwürdige Weise zustande.

Der Kroate Ante Topič- Mimera, ein internationaler Kunsthändler und -Sammler (in Fachkreisen umstritten), hatte den Wunsch, seine Sammlung dem kroatischen Volk zu hinterlassen. Und wie es bei solchen Mäzenen üblich ist, forderte er vom Volk dafür ein Haus.

Sein Auge fiel auf das alte (schon 1783 aufgehobene) Jesuitenkloster in der Oberstadt von Zagreb, das in den letzten beiden

Jahrhunderten den verschiedensten Zwecken gedient hatte. Mit großem finanziellen Aufwand wurde es — modern, aber mit denkmalpflegerischer Verantwortung — in ein Ausstellungsgebäude verwandelt. Eine Pracht, innen und außen. Aber unserem Sammler sagte es nicht zu als Bleibe für seine (von Fachleuten unterschiedlich bewerteten) Schätze. Nun stand das Vaterland da mit seinem Bau. Es fand jedoch eine Widmung: „Museums-Räu- me der Stadt Zagreb“ heißt es nun.

Nachdem man zunächst Dürer- Graphik und dann zwei einheimische Künstler vorgestellt hatte, zeigte die Kirche des Erzbischofs sich hilfreich. Sie stellte ihre Kunstschätze zur Verfügung, die bis ins 11. Jahrhundert zurückreichen. Zugleich wurde die geradezu abenteuerliche Geschichte der Kathedrale vorgeführt.

Natürlich war sie nicht immer so groß wie heute, da sie sich stolz als „größte Kirche in Kroatien und auf der ganzen Balkan-Halbinsel“ bezeichnet und 5000 Gläubige aufnehmen kann. Das Bistum Zagreb wurde 1093 von dem ungarischen König Ladislaus I. gegründet, der als Schwager des letzten Kroatenkönigs das Land im Erbwege übernommen hatte. Knapp hundert Jahre nach seinem Tod wurde er heiliggesprochen und wird seither immer wie der mit den anderen wichtigen ungarischen Heiligen Stephan und dessen Sohn Emmerich abgebildet.

Bereits 1217 wurde die erste Kathedrale geweiht, die an der Stelle einer kleineren Kirche erbaut worden war. Der Mongolensturm von 1242 brachte schwere Zerstörungen, und fortan wechselten Wiederaufbau, vergrößerter Ausbau und neue Zerstörungen ab. Die Türkengefahr veranlaßte den Ausbau zur Festung. Das Innere wurde mit der Zeit prunkvoll ba- rockisiert.

Ein Erdbeben zerstörte 1880 wieder sehr viel. Der aus Wien berufene Dombaumeister Friedrich Schmidt, ein gebürtiger Schwabe, riet zu einer „großen“ Lösung im Geiste des damals herrschenden Historismus. Was er entwarf, vollendete sein Schüler Herman Bolle zur Perfektion: die schönste, reinste Gotik, die es je gab, aber ein bißchen steril. Vieles Alte, das den Stürmen der Zeit getrotzt hatte, mußte weichen, so der herrliche Barockaltar von Francesco Robba (1756) aus schwarzem und weißem Marmor, der jetzt in einer Dorfkirche steht.

Denkmalpflege im späten 19. Jahrhundert bedeutet oft rigorose Regotisierung, bei der man kaum erkennen kann, wo die Grenzen zwischen alt und neu verlaufen. Was bei einem Meister wie Friedrich Schmidt noch Format hatte, nähert sich bei Bolle dem Mittelmaß.

Die Ausstellung gibt zu all dem reiches Anschauungsmaterial: Die Kirche vor und nach dem Erdbeben in alten Fotos. Fotos auch von den erhalten gebliebenen, aber dislozierten Altären. Erinnerungen an Könige und Bischöfe (meist aus ungarischem Hochadel), vor allem die Pracht der Goldschmiede- und Textilarbeiten.

Das älteste Stück der Schatzkammer ist ein Evangeliar, das der erste Bischof im 11. Jahrhun dert aus Böhmen mitbrachte. Ein Mantel des Königs Ladislaus aus byzantinischem Textil wird gleichsam als Reliquie gezeigt. Dann folgen bis zur Barockzeit wertvolle Monstranzen und andere Goldschätze, Meßgewänder, Holzfiguren von zerstörten Altären, illuminierte Handschriften, Elfenbeinarbeiten. Bemerkenswert auch ein vorzügliches Aquarell der Kathedrale, das Friedrich Schmidt drei Jahre vor dem Erdbeben angefertigt hat.

Aus den Fenstern des Ausstellungsgebäudes fällt der Blick immer wieder auf die Kathedrale, die auf dem Nachbarhügel steht. Ein Besuch dort ist eine wertvolle Ergänzung zur Ausstellung. Bei genauem Hinsehen merkt man, daß sie doch nicht so ganz klinisch rein neugotisch ist. Etliche Relikte von früher — Renaissance- Chorgestühl, alte Gräber von Bischöfen und anderen bedeutenden Persönlichkeiten — haben den Umbau überdauert. Anderes ist hinzugekommen.

Natürlich finden bei den Gläubigen immer noch die Gräber der Erzbischöfe Stepinac und Seper die meiste Aufmerksamkeit. Man gedenkt aber auch der Helden der Kämpfe gegen die Türken, der Führer der ungarisch-kroatischen Rebellion gegen Habsburg Anno 1671, des nationalen Führers Kvaternik, der genau zweihundert Jahre später, 1871 umkam. Der kleine Kirchenführer, der auch auf deutsch zu haben ist, gibt auch historische Hinweise.

Man kann sich so mancherlei Gedanken machen bei einem Gang durch die Kirche und Schlüsse ziehen auf Probleme der Gegenwart. Von jeher hatte das Glaubensbekenntnis in Jugoslawien auch politische Bezüge. Im Augenblick herrscht im Land vor allem Geldmangel. Da ist sogar eine kirchliche Ausstellung erwünscht, damit man dem internationalen Publikum irgendeine kulturelle Attraktion bieten kann.

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