7030481-1989_28_12.jpg
Digital In Arbeit

Das Stift als Bühne

Werbung
Werbung
Werbung

Aus dem „lateinischen Brief“ des . Bischofs Reginbert von Passau erfahren wir, daß die „nobilissi-ma Domina“ Hildburg, Witwe des Grafen Gebhard von Bouige, auf ihrem Besitz in Altenbuig eine Mönchszelle nach der Regel des heiUgen Benedikt erbaut xmd den Mönchen daselbst Gebete imd Gottesdienste für ihren verstorbenen Gemahl und alle Verstorbenen der FamiÜe als dauernde Verpflichtung auferlegt habe.

Der Brief ist die älteste erhalten gebÜebeneAltenburger Urkunde. Er trägt das Datum 1144 und bescheinigt, daß der Bischof die Stiftung billigt und das Kloster in den kirch-hchen Rechtsstatus übernimmt. Mangels früherer Belege beginnt damit die offizielle Geschichte des Stiftes Altenburg, das somit in Kürze sein 850jähriges Jubiläum feiern wird.

Inden Jahrhundertenseines wechselvollen Bestehens hat Stift Altenburg niemals den Ruhm anderer Benediktinerklöster wie etwa Melk oder Göttweig erreicht. Bis heute ist das wenige Kilometer westhch von Horn gelegene Stift ein Geheimtip für Liebhaber, die des Prätentiösen überdrüssig das Verborgene und Wahre suchen- Zwar strahlt Stift Altenburg etwas Elitäres aus, aber nicht im Sinne von ÜberhebUchkeit sondem unter dem Blickwinkel von Wissenschaft und Glaube.

Zerstört und wieder aufgebaut, manchmal fast schon aufgegeben, zuletzt im Zweiten Weltkrieg, erhielt es seinjetziges Aussehen im 17. und 18. Jahrhundert. Eine Schöpfung des Barocks, Stein gewordenes Programm einer Geisteshaltung, die durch üire Vollkommenheit und Geschlossenheit fasziniert. Die Anordnung der Bauteile, der Räume spiegelt den Kosmos widen die elementaren Naturkräfte und das göttÜche Gesetz. Ül>er dem Wasser, dargestellt durch Krypta und Sala Terrena, befinden sichErde-archi-tektpnisch verwirklicht im Kaisertrakt - und Luft, symbolisiert durch die Bibliothek. Den Mittelpunkt bildet das Firmament, der Himmel, die Kirche. Trotzdem weist die Anlage menschliche Dimensionen auf, die Symbolik wirkt vertraut, fast volkstümUch.

Wenn behauptet wird, Stift Altenburg fände nicht seinesgleichen nördlich der Alpen, so beruht dies einerseits auf jener vollkommenen, geistig-symbolischen Bauordnung, und anderseits auf einer außergewöhnlichen Innengestaltung. Wie Büdlegenden lassen sich Fresken, Stuckdekorationen, Säulen und Treppen lesen, in drei Zentren erreichen sie ihre dramatischen Höhepunkte.

hl der Krypta mit ihren zweiarmigen Stiegen, der an eine Kirchenkanzel erinnernden Balustrade und den Wandbemalungen wird von einer höchst eigentümlichen Totenwelt erzählt. Die BibUothek, die mit ihren Säulen und Gemälden den salomonischen Tempel zum gedank-hchen Vorbildhat, gleichtmit ihren riesigen Ausmaßen wenig einer herkömmlichen klösterlichen Bücherstube, sondem wahrhaftig einem Tempel der Weisheit. In der Sala Terrena, der Nachbildung einer Grotte mit Muscheln, Nymphen und Delphinen, tauchen keineswegs imvermutet Figuren der Commedia dell’arte auf. Harlekin entrollt sein Programm und öffnet den BÜck auf die illusionistische Welt des Theaters. Limitten der dekorativen Bildvorhänge bleiben Assoziationen an das barocke Welttheater nicht aus. Dispute über Schein und Sein und die Welt als Bühne Gottes hegen in der Luft.

Alle drei Räume bieten kostbare und tiefgründige Dekorationen, sei es für Schauspiele der Phantasie, sei es für reale Theateraufführungen, die an barocke Traditionen, etwa des Jesuitentheaters oder der höfischen Oper, anschHeßen. MusUc und Theater entfalten sich auf fast zwingende Weise an solchen Orten, Von Juli bis September finden dort die Altenburger Sommerspiele und das Internationale Kammermusik-Festival statt, die beide keine Spektakel der großen Gesten, sondem Veranstaltungen für jene sind, die die Einzigartigkeit der Harmonie von Schauplatz und Darbietung schätzen.

Seltene Stücke

Auf dem Programm der Sommerspiele finden sich Stücke aus Humanismus und Barock, die, selten gespielt, doch Bestandteil der europäischen Kulturgeschichte sind. In der Krypta, dem Ballsaal des Totentanzes, wurde beispielsweise der „Hecastus“ von Hans Sachs aufge-

führt, eine der ersten Fassimgen des Jedermannes. In der BibUothek wird heuer „Der wundertätige Magus“ von Calderon de la Barca gespielt, der den Pakt des Magus Cyprianua mit dem Dämon zum Inhalt hat und an die Faustlegende erinnert.

Nicht einem falsch verstandenen Traditionalismus soU mit diesen Veranstaltungen das Wort geredet werden, sondem deren UniversaU-tät BoU auch imsere Zeit miteinbeziehen. Im nächsten Jahr istparaUel zur Aufführung des „Don Juan“ von Tirso de Molina eine Ausstellung geplant, in der Künstler diesen europäischen Mythos aus heutiger Sicht interpretieren.

Es gilt, zeitgemäße, vieUeicht zukunftsweisende kultureUe Ereignisse darzubieten, die sich nahtlos mit dem vorhandenen kulturellen Zentrum des Stiftes verbinden. Nicht ein Jahrmarkt derEitelkeiten soll entfaltet werden, sondem dem Besucher ist ein programmatisches Wunderwerk zu erschUeßen, und dieses behutsam und unaufdring-Uch durch Freude am Spiel zu er^ ganzen.

(Auffühhingen «« 2Z, 23., 29. utid 3a JuH. 5. und 6. August, Sonulag tun 18 U}tr, Sonntag um 16 Uhr; 5. August 16 und 18 Uhi; in der Stiäabi-bUothek.)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung