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Digital In Arbeit

Wie die Arbeit geschah

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Es mag einmal angebracht sein, wenn derjenige, dem die Restaurierungs- und Sicherungsarbeiten an dem Karner in Pisweg vom Bundesdenkmalamt übertragen wurden, einer breiteren Öffentlichkeit von all den bewegenden Fragen, die bei solchen

Arbeiten auftauchen, Kenntnis und Rechenschaft gibt.

Der romanische Rundbau von Pisweg ist innen von vier Gurten getragen, hat eine halbrunde Apsis, die von einer Halbsäule gestützt wird. Zur Beleuditung des Innenraumes dienten fünf schmale rund-bogige Fenster, deren Fenstergewände sich nach innen und außen spitzbogig schlössen. Wir haben einen Bau vor uns, der Elemente der romanischen und gotischen Baukunst verwendet, also ein Werk der Ubergangszeit ist.

Das Innere des K a r n e r s machte bei Beginn der Arbeiten einen jämmerlichen Eindruck. Es war Ablagerungsstätte aller möglichen Kirchen- und Friedhofsinventarstücke. Fledermäuse und Spinnen verschmutzten den Raum. Die Wandgemälde waren stark geschwärzt und infolge früherer Dachschäden arg mitgenommen. Sdileierbil-dungen deckten große Partien. Bis zirka drei Meter über den Boden hinaus war alles übertüncht und roher, dicker, brauner waagrechter Stridi trennte den Gemäldestreifen mitten durch. Vom Gerüst aus waren die Schäden der Gemälde erst riditig sichtbar geworden: Putzzersetzungen, überall Spinnweben, Verrußungen, muffiger Zersetzungsgeruch — kurz ein Eindruck trostloser Verwahrlosung, vielleicht seit Jahrhunderten. Sollten die Zerstörungen nidit weitergehen, war es höchste Zeit einzugreifen.

Vorerst konzentrierte sich die Arbeit auf die Sicherung des schon sichtbaren Bestandes. Vorsichtige Reinigung hellte den Bestand auf und legte Partien frei, die vorher von einem Schleier verdeckt waren. Lockerer Putz wurde gefestigt und die kleinen, fehlenden

Putzstellen mit Mörtel geschlossen. Alte Übermalungen mit rohen schwarzen Linien wurden konstatiert und teilweise entfernt.

Während der Bildbestand durch diese Sicherungsarbeit wesentlidi an Klarheit gewann, waren immer noch einige Partien unklar geblieben und so entstand die Frage, was mit diesen Stellen gesdiehen soll. Eine Ergänzung der Fehlstellen, etwa der fehlenden Innenzeidinung und wichtiger Gewand-und Ges'chtsdetails, war von vorneherein ausgesdilossen, weil es unverantwortlich gewesen wäre, einen so starken Eingriff in dieses ehrwürdige Meisterwerk zu machen. Aber die Austupfung unwiditiger und optisdi störender Stellen im Hintergrund und die vorsichtige Schließung kleiner Unterbrediun-gen der Linienführung war für die Sichtbarmachung des alten Bestandes von großer Bedeutung. Es war für den Ausführenden während der Arbeit die größte Überraschung, wie sich die Formen durch die geringfügigen Aus-tupfungen von selbst ergeben und wie die E Erstellung bedeutend an Klarheit gewann, ohne dem Werk Gewalt an zutun oder etwa das Kolorit zu beeinflussen. Die Vergegenwärtigung des Zustandes vor der Arbeit und die Betrachtung der Resultate nach der Arbeit wird zur Überzeugung bringen, daß der alte Bestand bei dieser Methode erst wirksam geworden ist. Es wäre verfehlt, diese Methode überall und von jedem als Allheilmittel anwenden zu lassen. Nur ein Verantwortungsbewußter und von der größten Liebe zum alten Kunstwerk erfüllter Künstler, der bei jedem, audi den kleinsten Punkt, der auf eine Fehlstelle gesetzt wird, sich ständig kritisch kontrolliert, kann solche Aufgaben lösen. Je höher das Alter und je größer die Qualität des Kunstwerkes ist, um so mehr Zurückhaltung und Reserve, die bis zur vollkommenen Vermeidung jedes Pinselstriches führen kann, muß geübt werden. Nur solchen Kräften, die die absolute Gewähr für eine wirklidi pflegerische Behandlung unserer wertvollen Kunstschätze bilden, überträgt das Bundesdenkmalamt ähnlich wichtige Aufgaben.

Die zweite Etappe der Arbeiten war die Freilegung und Sicherung des übertünchten Bestandes. Je tiefer die Malschicht zum Erdboden reichte, um so mehr zerstört war sie. Zum Glück war bis zu einem Meter über dem Erdboden nur ein Vorhang gemalt, von dem bis auf einige Spuren nichts mehr erhalten ist. Mit Schabern und feinen Hämmern mußte die Tünche entfernt werden, e..ie mühevolle und heikle Kleinarbeit. Galt es ja doch, jede, auch die allerkleinste Originalstelle herauszubekommen.

Die Aufdeckung hat erstens einen Gemäldestreifen, der nur zur Hälfte sichtbar war, komplettiert, und zweitens einen anderen Gemäldestreifen zur Gänze neu erschlossen. Allerdings, je tiefer er reichte, um so weniger an Detailzeichnung kam heraus.

Das Thema der Darstellung scheint zuerst etwas ungeordnet zu sein, aber bei genauer Betrachtung schält sich der Gedanke des Sündenfalles, der Erlösung und des Weltgerichtes mit den Folgen heraus, ein Thema, das dem Zwecke des Baues entspricht. Die Gurten, auf denen die Jakobsleiter gemalt ist, teilen den Raum in vier Teile.

Die Frage nach der Urheberschaft der Gemälde kann erst jetzt nach der Sicherung und Sichtbarmachung des alten Bestandes eingehender erörtert werden. Damit werden sich die Fachleute noch näher beschäftigen.

Was nun den Bildaufbau betrifft, so können wir drei Phasen unterscheiden: erstens die Vorzeichnung, zweitens eine malerische Durchmodellierung, die zum größeren Teil verlorengegangen ist, drittens eine rohe Zeichnung mit schwarzen Pinselstrichen, die in einzelnen Gewändern und besonders bei einigen Engeln der Jakobsleiter in Erscheinung tritt. Diese rohe, rein zeichnerische Formenspradie steht im Widerspruch zu der ersten und zweiten Phase und ist zweifellos auf eine spätere Übermalung, die allerdings schon sehr früh anzusetzen ist, zurückzuführen. Proben haben ergeben, daß diese Übermalung Teile der zweiten Phase verdeckt. Allerdings ist die darunter befindliche Malschicht nicht gut und oft gar nicht erhalten, so daß nur dort abgedeckt wurde, wo die Arbeit Erfolg versprach.

Durch die neuen Funde repräsentiert sich der Meister als wesentlich selbständiger in seiner Erfindungsgabe, als bisher angenommen wurde. Während der Meister in den Paradiesesdarstellungen eine starke Abhängigkeit von dem Meister der Gurker Westempore verrät, ist in dem horizontalen Gemäldestreifen eine selbständige Abwandlung der traditionellen Darstellungstypen zu bemerken, die in Erstaunen versetzt. So zum Beispiel das Traben und Galoppieren der drei Königspferde, die dramatische Höllendarstellung, das Erschrecken Marias, während sie mit Abwicklung eines Fadens beschäftigt ist. Schon Frodl hat auf die freiere, selbständigere Behandlung der alten Typen in den waag-rchten Streifen hingewiesen. Aber jetzt, nach der Aufdeckung, wird erst klar, wie weit der Naturalismus schon getrieben ist. Auch in den Paradiesesdarstellungen kann man nicht von einer völligen Abschreibung sprechen. Es zeigen sich Variationen, die bei der überragenden Größe und Bedeutng des Gurker Meisters immerhin bemerkenswert sind. Der Piswegermeister reicht aber keineswegs an den Gurker heran. Es ist anzunehmen, daß ein Schüler des zweiten Gurker Meisters die Ausstattung des Karners übernommen hat. Die Entstehungszeit der Gemälde wird aus stilistischen Gründen in die achtziger Jahre des 13. Jahrhunderts zu versetzen sein. Der knittrige Stil hat schon seine innere Klarheit verloren und wird zum Schema, das seiner Auflösung harrt.

Da nun der Karner seine Auferstehung gefeiert hat, war es wesentlich, ihn der Wiederverwendung zuzuführen und seine Betreu-und zu gewährleisten. Durch die Anbringung einer schlichten Tafel mit dem Namen der Kriegsopfer als Antependium an der Mensa, ist dem Raum die alte pietätvolle Bestimmung wiedergegeben worden.

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