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Neue Freskenaufdeckungen in Kärnten

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Kaum irgendwo in Österreich sind die Kunstdenkmäler so nahe aneinande-gerückt wie in dem Kärntner Gurktale, in dessen waldiger Berglandschaft bäuerliche Siedlungen und Dörfer und alte Städtchen den Rahmen für einen Kunstbesitz edelster Art bilden. Es ist kaum ein Dorf, das nicht seine Sehenswürdigkeit hätte. Um den Gurker Dom, in dem die Aufdeckungen alter Kunst durch Jahrzehnte in kaum unterbrochener Kette bis in die jüngste Vergangenheit heraufliefen, sieht man heute schon eine Gruppe nächstbenachbarter wahrer Schaustücke alter kirchlicher Kunst versammelt. Da ist unter anderen das westlich von Gurk gelegene Dörfchen Z w e i n i t z, in dessen Kirche seit einem Jahrzehnt Fresko um Fresko in bezaubernder Schönheit enthüllt worden ist, nun das einsame Bergdörfchen Pisweg oberhalb von Gurk, das über 1000 Meter hodi auf dem südlichen Bergrücken des Tales liegt. Dort steht neben der alten, in ihrer ursprünglichen Anlage noch in romanische Zeit zurückgehende Pfarrkirche ein Karner Malereien bedecken die Gewölbefelder, die Wände und die Apsiden; sie stammen ersichtlich aus der Zeit des sogenannten zweiten Manierismus um 1280. Sowohl thematisch als auch stilistisch weisen sie eine in die Augen springende Verwandtschaft mit den in ihrer Art einzig dastehenden Fresken der Westempore des Gurker Domes auf, .die mit ihrem erregten Knitterstile der Periode des ersten Manierismus um 1220 herum angehören. Die Ähnlichkeit bezieht sich namentlich auf jene Partien in Gurk, die nach dem verheerenden Brande im Jahre 1260 von Fürstbischof Dietrich II. (1263 bis 1278) wiederhergestellt worden sind; der kunstsinnige Bischof, dessen Grabplatte links neben dem Nordeingange zur Krypta noch zu sehen ist, hatte keine Kosten gescheut und nach der urkundlichen Überlieferung zu ihrer Dek-kung einen ihm gehörigen Hof veräußert. Die restaurierten Partien wirken in der plastischeren Körperlichkeit ihrer Figuren erdennäher, aber auch erdenschwerer und lassen uns deutlich den Stilunterschied zu den ursprünglichen Fresken erkennen, deren Gestalten in einer übersinnlich-visionären Welt zu atmen scheinen.

Man hat bisher in den Fresken des Pis-weger Karners, die nur an der Dedce voll zur Wirkung kamen, an den Wänden aber in ihren unteren Bildfolgen stark verstümmelt und übertüncht ersdiienen, wegen der Abhängigkeit von den Gemälden der Bischofskapelle „provinzialisierie Ubernahmen“ der letzteren gesehen.

Der Karner ist in den verflossenen Sommermonaten von Dr. W a 1 1 i s e r, der sich schon durch seine Wiederherstellungsarbeiten in den Domen von Gurk und Maria-Saal verdient gemacht hat, einer kunstgerechten Restaurierung unterzogen worden. Dabei ist manches Uberraschende zutage gekommen, das den Meister dieser Fresken in neuem Lichte zeigt. Zunädist konnte an der Außenarchitektur des Karners selbst festgestellt werden, dß seine Apsis, die wie ein Erker an den Bau angeklebt erschien, auf einer bisher durch Aufschüttung des Bodens verdeckten Kon- . sole aufruht. Im Innern wurde ein durchschnittlich eineinhalb Meter breiter Bi'd-streifen, der sich rings um die Wände zieht, unterhalb der bisher sichtbaren Gemäldezyklen bloßgelegt, so daß sowohl früher lückenhaft erscheinende Darstellungen ergänzt als auch überhaupt ganz neue Bildszenen zum Vorschein gekommen sind. In die ersterwähnte Gruppe gehören zum Beispiel die Darstellungen von Maria Verkündigung und Christi Geburt. Erstere Szene kommt nun voll zur Geltung: Durch die Hände der Jungfrau, die vom Engel bei häuslidier Arbeit, der Abwicklung eines Wollknäuels überrascht wird, gleitet das Garn, das von einem in einer Holzschale liegenden Knäuel abläuft. Unter den neuaufgedeckten Bildern, zum Beispiel der Kreuzigung Christi — einer Stifterfigur mit nicht mehr leserlichem Spruchband — und den Bildnissen der Apostelfürsten Petrus und Paulus bietet die größte Überraschung eine Höllendarstellung an der Südwand. Eine genauere Deutung des Bildinhaltes ist bei der etwas sdiadhaften Erhaltung des Freskos kaum möglich. Weil links von der Höllenszene sich eine Auterstehung Christi findet, ist der Büd-zusammenhang wohl so zu deuten, daß der Auferstandene als Sieger über die Hölle erscheint. Die ganze Art der Darstellung, die zum Teil dramatisdie Kühnheit und Freiheit, mit der hier Bewegungsmotive wiedergegeben werden — so auch in den Pferden der Magierszene —, läßt es ratsam erscheinen, das bisherige Urteil über die künstlerischen Qualitäten des Freskanten zu revidieren, wenn wir es auch bei ihm nicht mit einem erstrangigen Meister wie in Gurk zu tun haben.

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