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Konturen eines Jubiläums

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Sicherlich wäre es unzulässig, die Minderheitenfrage zu leugnen. Aber es gibt nicht nur sie. Es gibt auch das gemeinsame Kärnten/Skupna Koroška, das befruchtende Miteinander. Daza will die Kirche einen weiteren Beitrag leisten - und das Hemma-Jubiläum soll ein neuer Aufbruch’ sein.

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Sicherlich wäre es unzulässig, die Minderheitenfrage zu leugnen. Aber es gibt nicht nur sie. Es gibt auch das gemeinsame Kärnten/Skupna Koroška, das befruchtende Miteinander. Daza will die Kirche einen weiteren Beitrag leisten - und das Hemma-Jubiläum soll ein neuer Aufbruch’ sein.

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In den Fenstern des nördlichen Querschiffarms der Kathedrale von Chartres sitzen die Evangelisten auf den Schultern des Propheten, Symbol für eine Tradition, die nicht bedrückt, sondern trägt. Um eine solche tragende Tradition geht es auch in der Erinnerung an Hemma von Gurk, die 1287 seliggesprochen, aber erst 1938 zur Heiligen erklärt worden ist. Die alte Diözese Gurk nimmt dieses doppelte Jubiläum zum Anlaß für in die Breite und Tiefe greifende Bemühungen um eine, geistliche Erneuerung.

In keinem österreichischen Bundesland gibt es so viele Kir-

chen wie in Kärnten, aber in keinem anderen Kronland der Monarchie gab es im späten 19. Jahrhundert so wenig Priesternachwuchs wie hier: ein Zustand, der auch zur Zeit der Ersten Republik noch andauerte.

Dennoch war Kärnten nicht ein unreligiöses Land. Ein tiefes Begreifen der Welt als Schöpfung, ein Suchen Gottes in der Natur fand hier aber schwerer als anderswo zum Glauben an Gott auch als Erlöser; einem Glauben, der in der Skulptur und Malerei der Kärntner Gotik noch so ergreifend präsent war. Mißt man die Kirchlichkeit an der Zahl von Priester- und Ordensberufungen, dann hält Kärnten heute wieder mit den anderen Diözesen Schritt und ist einigen sogar etwas voraus.

„Hemma von Gurk — Säule des Glaubens" ist der Titel einer großen Ausstellung, die im Mai 1988 in der ehemaligen Bischofsresidenz, der Straßburg, über dem Gurktal eröffnet werden wird. Das Bild einer Säule, die fest im Boden gründet und eine große Last zu tragen vermag, ist charakteristisch für das Wesen Hemmas, jener starken Frau, deren Grab in der einzigartigen Krypta des nahegelegenen Gurker Domes von genau 100 Säulen umgeben ist.

Die Straßburg, immer noch dem bischöflichen Mensalgut zugehörig, ist die größte Burg Kärntens. Sie wurde in den 60er Jahren aus kirchlichen Mitteln teilweise wieder aufgebaut und mit einem riesigen neuen Dach versehön. Nur diese Vorgabe ermöglicht die kommende Ausstellung und wird auch in künftigen Jahren Wechselausstellungen ermöglichen, die dem wirtschaftlich nicht eben begünstigten Gurktal eine zusätzliche Attraktivität geben können.

Jüsi Gurker,JDom ,wir4 mit Kor sten von etwa zehn Millionen Schilling innen und zum Teil auch außen renoviert werden.

Die Arbeiten sollen abgeschlossen sein, wenn Papst Johannes Paul II. auf dem Platz vor der Südseite des Domes den Gottesdienst der Dreiländerwallfahrt mit den Pilgern aus Kärnten, Steiermark, Slowenien und Fri-aul feiern wird.

Hemma von Gurk hat viele Kirchen gebaut und wird zumeist mit einer Kirche in Händen dargestellt. Sie hat auch soziale Werke vollbracht, die zu ihrer Zeit nicht selbstverständlich waren. Nahe bei Deutsch-Griffen erinnert der Flurname Spitallein an ein längst verschwundenes Asyl für kranke Knappen, das die Heilige gestiftet hat.

Darum wird die Diözese Gurk aus Anlaß des Jubiläums im Dominikaner innenkloster in Friesach ein St.-Hemma-Haus für 60 schwerbehinderte Jugendliche mit Kosten von 20 Millionen Schilling errichten. Dombau und Wohnbau sollen nicht voneinander getrennt werden, wenn dies auch größte finanzielle Opfer erfordern wird.

Zum Bild der Kirche als Haus der Lebenden und der zu Gott Heimgegangenen, der Entfalteten und Behinderten, der Geborenen und der noch Ungeborenen, wie es durch die heilige Hemma repräsentiert wird, fügt sich untrennbar das Bild von der Kirche als Weg. ‘‘

Kärnten ist ein Land an der

Grenze. Wege führen von hier nach Slowenien und Italien. Drei Völker wohnen in einer Nachbarschaft, die in ihrer langen Geschichte meist eine friedliche war, die aber auch Konflikte erbracht hat. Der christliche Glaube war und ist eine starke Kraft im Leben dieser Völker, er ist auch eine Kraft, um Grenzen zu öffnen und zu überschreiten.

Die ARGE Alpen-Adria, deren derzeitiger Präsident der Kärntner Landeshauptmann ist, bekommt geistiges Gewicht nicht zuletzt aus der Tatsache, daß die Christen in allen Mitgliedsregionen eine unermüdete gestaltende Kraft in die Gesellschaft einbringen.

Sie bleiben damit nicht an den Grenzen ihres Landes stehen. Katholisch sein heißt ja weltumfassend sein, interessiert und verantwortlich für alle und für alles. Sie sind bemüht um ein möglichst weitreichendes Zusammenwirken aller Menschen guten Willens. Die der Gesellschaft, ja der ganzen Menschheit auferlegten Fragen und Probleme drängen zur Mobilisierung aller Kräfte, die helfen können. Die Christen sollen dazu nicht durch einen hektischen Aktivismus beitragen, sondern durch eine Umkehr zu den Quellen des Glaubens.

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