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Die Legende vom Bischof Otto von Gurk

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Linkerhand vom Südeingange zur hun-dertsäuligen Krypta der hl. Hemma befindet sich das heute fast im Boden versunkene Freigrab des Bischofs Otto I., des Vollenders des Gurker Domes. In etwas derber Manier, die mit der gleichzeitigen Kunstentwicklung nicht ganz Schritt zu halten vermag, aber einer monumentalen Feierlichkeit nicht entbehrt, ist auf der romanischen Grabplatte der Bischof in vollem Ornat, mit dem Kelche in der Linken und dem Stab in der Rechten, dargestellt. Die Tonsur läßt ihn als ehemaligen Regularchor-herrn und Dompropst der Kirche von Salzburg erkennen, bevor er zum Bischof von Gurk erwählt wurde. Als solcher ist er am 30. Juli 1214, bevor er noch die Weihe erhalten hat, gestorben; deshalb trägt er auch die Mitra nicht auf dem Haupte, sie ist vielmehr seitwärts über dem Kelche angebracht. So stellt ihn auch der Meister Heinrich in den berühmten Wandfresken der Bischofskapelle dar, als deren Stifter der Bischof zu den größten Kunstmäzenen des Domes zählt. In unmittelbarster Nähe dieses Grabes ist auch Ottos Vorgänger, der Bischof Wernher, bestattet worden (1195), der früher Propst von Klosterneuburg gewesen war und dort den berühmten Verdunaltar gestiftet hat. Der Grabstein Wernhers, der als erster von den Gurker Bischöfen erwiesenermaßen im Dome seine Ruhestätte fand und der Uberlieferung nach stehend beigesetzt wurde, ist nicht mehr erhalten. Bei den Restaurierungsarbeiten der zwanziger Jahre ist am Choraufgangspfeiler hinter Ottos Grab eine gemalte gotische, jetzt unter Glasschutz stehende Inschrift zum Vorschein gekommen, die die Namen Wernher und Otto enthält. Die Sage läßt die beiden Kirchen fürsten als nahe Verwandte erscheinen, wie das auch eine seit 1712 verschollene Steinplatte bezeugt, auf der es hieß: „Durch Blutsverwandtschaft verbunden, werden sie auf demselben Bischofssitz erhoben, nebeneinander beigesetzt und heißen Wernher und Otto.“ — Von letzterem, der seinem Oheim nach der Überlieferung „in frommer Sitte nachfolgte und in Fasten, Gebet und eifriger Ausübung des Predigtamtes die Lockungen der Welt und seiner vornehmen Freunde verachtete“, weiß die Legende folgende Begebenheit zu berichten:

Als er einst geschäftehalber längere Zeit von seiner Kirche abwesend war, wurde er von gottlosen Leuten aus Neid vergiftet. Als er sich darob krank fühlte, kehrte er sofort nach Hause zurück. So kam er denn nach seinem heute verfallenen Residenzschlosse Straßburg bei Gurk, um dort auf das Krankenlager zu sinken.

In seiner Todesangst ruft er seinen frommen und getreuen Kaplan und sagt zu ihm: „Lieber Arnold, unverzüglich, noch in dieser Nacht, mußt du dich nach Gurk aufmachen; in nächtlicher Stille gehe mit dem Küster Wolschalk in das Münster zum Grabe meines Oheims, des Bischofs Wernher; bitte ihn meinerseits, er soll mir den Beschluß des Himmels melden, ob ich noch weiterleben kann oder ob ich sterben muß.“

Der Kaplan tat so, wie ihm befohlen ward Als er nach Gurk kam, nimmt er den Sigrist mit sich und in der Nacht, als schon alle aus Jer Kirche fortgegangen waren, betreten beide das Münster. Mit brennenden Kerzen und einem Rauchfasse gehen sie zum Grab des Bischofs Wernher. Sie finden es offen und sehen den schon längst verstorbenen Bischof außen vor ihm stehen. Während sie in staunender Furcht nähertreten, begrüßt sie der Bischof mit ihren Namen und ermahnt sie, daß sie sich nicht fürchten sollten, indem er dann fortfährt: „Ich weiß, daß mein Verwandter Otto krank ist; da er allzusehr vor dem Tode zurückschreckt, hat er euch zu mir gesandt, um durch mich zu erfahren, ob er schon sterben müsse oder ob er noch weiterleben könne. Zwar ist der Tag der ewigen Ruhe und die Zeit der Freude wünschenswerter als dieses Leben; er soll aber nicht umsonst gebeten haben; darum begleite du mich, Wolschalk, währenddessen der Kaplan hier warten soll, in die Krypta hinunter, damit wir durch die heilige Hemma, die Gründerin dieser Kirche, die sich beim Herrn mehr verdient gemacht hat, hören, was mit meinem Mitbruder Otto werden soll.“

Der Bischof und der Sigrist steigen zusammen in die Krypta hinab, und gehen zum Sarkophag der heiligen Hemma; er war durch eine eiserne Tür abgeschlossen, die sich aber von selbst auf tat. Und siehe, die hohe Frau trat heraus, angetan mit dem Ordenskleide und in hellem Lichte strahlend, begrüßte fromm die Kommenden und sagte: „Ich weiß, daß ihr im Auftrage Ottos, der sich vor dem Sterben fürchtet, kommt; er braucht den Tod nicht zu fürchten, da er doch fromm lebt; damit aber sein Gebet in wirksamer Weise Erhörung finde, m geriet Ihr, Bisch f Wernher, indes der Sigrist hinausgehen sei, mit mir zur Himmelskönigin, damit durch die mächtige Fürsprecherin der Christenheit uis kundgetan werde, .was unserem Freun le Otto zu antworten ist.“ So schritten denn St. Hemma und der Bischof zum nahen Altar der seligsten Jungfrau. (Es handelt sich wohl um den seinerzeitigen Hochaltar :n der Ostapsis der Krypta, mit der heute auf dem Liebfrauenaltar in der Nordostecke derselben stehenden uralten romanischen Madonna, die der Legende nach von . Hemma selbst nach Gurk gebracht worden war, in Wirklichkeit aber erst um 1200 entstanden und in josefinischer Zeit zu ihrem Schaden überschnitzt worden ist.) Bald öffnete sich der Altar in der Mitte und erstrahlte in einer unendlichen Fülle von Licht, aus dem die auserwählte Königin hervortrat. Sie begrüßte die geliebten Ankömmlinge mit freundlichen Worten und sprach: „Otto soll sich nicht fürchten, aus diesem Leben scheiden zu müssen, da doch der Lohn am Ende seiner Laufbahn winkt. Denn wer in diesem Leben gerecht lebt, wird in Sicherheit entschlafen. Unser treuer Otto wird am drittnächsten Tage um die dritte Stunde sterben und er kann sich darauf verlassen, daß ich ihm in seiner Todesstunde nahe sein und seine Seele vor jeder Angst befreien werde.“

Nach dieser Botschaft verneigten Hemma und Bischof Wernher ihr Haupt vor der glor-i reichen Königin, die wieder in den Altai schrein zurückkehrte und gingen weg, Hemma in ihren Sarkophag, Wernher stieg aber aus der Krypta empor und erzählte den oben Wartenden, was diese zum Teil schon selbst wußten, da sie durch das Kryptafenster hinuntergeblickt hatten. Sofort kehrte der Bischof in seine Gruft zurück, legte sich nieder und schloß sie über sich zu. Jene aber gingen hinweg und berichteten ihrem bischöflichen Herrn das Gehörte. Otto verschied zur vorausgesetzten Zeit und Stunde.

Das Volk verehrt Bischof Otto als Heiligen und heute noch liegen oft frische Blumen auf seinem Grabe, das vom Hauche wehmütiger Romantik umwittert ist.

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