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Stätte der Besinnung und Einkehr

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DER DOM ZU GURK. Von Siegfried Hartwagner. Verlag Carinthia, Klagenfurt. 40 Seiten Text, 47 Bilderläuterungen und 177 Schwarzweißabbildungen. Preis 198 S.

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DER DOM ZU GURK. Von Siegfried Hartwagner. Verlag Carinthia, Klagenfurt. 40 Seiten Text, 47 Bilderläuterungen und 177 Schwarzweißabbildungen. Preis 198 S.

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Seiner abgelegenen Lage im Tal der Gurk hat es der bedeutendste der romanischen Epoche Österreichs zu verdanken, daß er im wesentlichen nahezu unberührt erhalten blieb. In einem Gebiet uralter Kultstätten und wahrscheinlich auf einer solchen oder zumindest in ihrer unmittelbaren Nähe von der Mitte des 12. bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts errichtet, birgt er das Grab der heiligen Hemma, die am Entstehen des Bistums entscheidenden Anteil hatte, in einer wunderbaren hundertsäuligen Krypta, herrliche Fresken, das riesige Fastentuch aus dem 15. Jahrhundert, die Hemma-Reliefs, den Schnitzaltar von Michael Hönel, den Kreuzaltar und die Kanzel von Georg Raphael Donner. Die dreischiffige Pfeiler- zurückj-ldie er ausgezeichnet, ketffit pnd- basiIika.mit.dqppeltüriger Westfassade und selbständig verarbeitet,, verweist, auį d'ie dreiapsidalem,Ostchor des Domes ?u Gurk große mittelalterliche Philosophie, doch ist wahrscheinlich das Werk lombardischer steht er immer mitten im Problembereich r des deutschen Idealismus und der Existenzphilosophie. Es ist ein sehr eigenständiges, manchmal auch schwer verständliches Denken, nichtsdestoweniger ein sehr fruchtbares Philosophieren, das eine fortschreitende Lebensbegründung sucht, dessen innerste Frage nach dem Sein eine Frage nach dem Sinn wird. Das Denken erschöpft sich auch nicht in einer bloßen Kritik modernen Philosophierens, sondern vermag in Sfeinmetze, im Baugedanken aber bayrischdeutsch.

Seit geraumer Zeit hat nun eine größere und eingehende Publikation über diese „steinerne Schatztruhe Kärntens“ gefehlt, was besonders im Hinblick auf die Bedeutung des Bauwerkes und seiner immer zahlreicher werdenden Besucher und Bewunderer als schmerzliche Lücke empfunden werden mußte. Das hervorragende Werk von Dr. Siegfried Hartwagner, des Kärntner Landeskonservators, ist wie anderes geeignet, sie zu schließen. Band verarbeitet auch die neuesten schungsergebnisse — wobei die Festlegung der Fresken der Westempore auf die Zeit zwischen 1284 und 1287 höchst einleuchtend und die Darstellung der Bauabschnitte überzeugend sind — in einer Gesamtdarstellung, die sich dem Fachmann als gründliche wissenschaftliche Arbeit und dem Laien als leicht lesbare künstlerische Monographie anbietet und somit das oft scheinbar Unvereinbare auf das glücklichste vereint. Der Stil ist elegant und plastisch, klar und prägnant; die Aufnahmen des Verfassers geben ein umfassendes Bild des Domes und seiner Kunstschätze, wobei esguter Gedanke ! war, ‘ die Erläuterungen zum Bildteil, die auch die Literaturhinweise und den wissenschaftlichen Apparat enthalten, dem Buch in einem herausnehmbaren Schuber beizugeben. Typographie und Gesamtausstattung des Bandes sind so schön, daß der Wunsch, seine Wirkung in einer späteren Ausgabe durch Marginalnoten im Textteil gesteigert zu sehen, fast vermessen erscheint. Bewegend und mahnend wirkt der Dom zu Gurk, wirkt auch dieses Werk, wenn der Verfasser abschließend feststellt, daß heute, in der Zeit des satten Wohlstandes, es nicht mehr, wie noch vor vierzig Jahren und früher, die Opfer des Volkes sind, die dem Dom seine Erhaltung sichern, und schreibt:

„Dies sollte uns allen zu denken geben, denn die Zeit, in der wir leben, hat auch den Menschen geprägt. Dereinst zogen Pilger, oft unter härtesten Entbehrungen, über staubige Straßen von weit her nach Gurk, um hier, am Ziel ihrer Wallfahrt, zu inbrünstigem Gebet in die Knie zu sinken. Heute eilen Besucher, in Kraftfahrzeugen sitzend, in dieses Tal, um vor oder nach einer Erfrischungspause den Dom zu besichtigen. Dabei werfen viele ihre Zigaretten achtlos auf die Gräber zu Seiten des Weges, nehmen viele nicht einmal mehr die Hände aus den Taschen, wenn sie das Heiligtum betreten. Es fehlt heute an Ehrfurcht. Ehrfurcht aber zumindest müßte man haben, wenn man diese allein schon durch unzählbare Gebete geweihte Örtlichkeit betritt… In Gurk hat uns jeder Stein etwas zu sagen, und beim Anblick der altehrwürdigen Kathedrale müßte jedem bewußt werden, daß dieser Bau für alle Zeiten, ja für die Ewigkeit gebaut zu sein scheint; ganz im Gegensatz zu unseren kurzlebigen Architekturen, die morgen bereits durch ein .moderneres’ Gebäude ihren Wert einbüßen. Hier in Gurk spiegelt keines der in vielen Jahrhunderten mit dem Dom verwachsenen Kunstwerke die nackte Selbstgefälligkeit dessen, der es geschaffen, erschöpft sich keines in ästhetischem Spiel. Hier sind alle Werke in den Dienst des Höchsten gestellt.

Ehrfurcht gebietet diese Stätte, Ehrfurcht gebieten die von begnadeten Händen geformten Werke der Kunst, die, obgleich aus verschiedensten Epochen stammend, zusammenwuchsen zu einer grandiosen Einheit, zusammenklingen zu einem herrlichen Lobgesang an den Allmächtigen. Nur wer sich in Ehrfurcht naht, wird hier stets aufs neue von dem Edlen und Schönen beglückt, das ihn allseitig umgibt; nur dem Ehrfürchtigen wird Gurk zum unvergeßlichen Erlebnis.“

Diesen eindringlichen Mahnworten des Verfassers ist nichts anzufügen, außer dem Wunsch, daß dieses Buch, das sich leidenschaftlich und demütig in den Dienst eines Höheren stellt, den Weg zu allen Freunden der Kunst finden möge.

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