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Grenzen waren vergessen

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Für die Slowenen aus den Diözesen Ljubljana, Maribor und Köper wurde der Tag des Papstbesuches in mehrfacher Hinsicht zu einem Ereignis. Zuerst einmal erlebten sie die jugoslawischösterreichische Grenze in jeder Hinsicht als eine offene Grenze. Dafür gebührt Lob und Anerkennung den Behörden Sloweniens, die dies ermöglicht haben.

Tief verankert im slowenischen Volk ist die Marienverehrung. Es war somit nur natürlich, wenn ihr erstes Ziel im Rahmen der Dreiländerwallfahrt Maria Saal war. Von hier aus erfolgte vor 1200 Jahren die Christianisierung der Slowenen.

Verschiedene Ereignisse nach 1945 führten dazu, daß die Slowenen den Eindruck hatten, in Maria Saal nicht mehr erwünscht zu sein. Am Tag des Papstbesuches brachte die Bevölkerung von Maria Saal jedoch mit vielen Katholiken des Landes überzeugend zum Ausdruck, daß slowenische Pilger hier in Maria Saal immer willkommen sind. Die Begegnung im Dom wurde zu einem Fest der Gemeinsamkeit, voll Verheißung für die Zukunft.

Und dann die Begegnung mit dem heiligen Vater in Gurk! Kärnten liegt am Schnittpunkt des romanischen, slawischen und germanischen Kulturkreises. Noch nie in der Geschichte des Landes kam dies so deutlich zum Ausdruck wie bei diesem Papstbesuch. Jeder Teilnehmer spürte es: Mein Volk, meine Volksgruppe, ich selbst bin Teil dieser Kirche, der Weltkirche; mein Volk, mein Vaterland, Europa lebt auch aus meiner, aus unserer christlichen Uberzeugung. Die Worte des Papstes waren unmißverständlich: Wenn die Christen diesen Platz in Europa nicht mit ihrem Glauben einzunehmen bereit sind, dann werden dies andere tun.

Vergessen waren bei der Eucharistiefeier alle Vorurteile, vergessen die sprachlichen Unterschiede und nationalen Gegensätze, vergessen die Grenzen, die, in welcher Art auch immer, trennen mögen. Den Tag in Gurk beherrschte das Bewußtsein: Wir alle sind eine Familie, wir gehören zur großen europäischen Völkergemeinschaft, das gemeinsame Europa ist keine Illusion mehr, sondern greifbare Realität, wenn wir uns der Wurzeln Europas, die im Christentum ihren Ursprung haben, bewußt sind.

Als die Kärntner Diözesansyn-ode 1972 das Dokument über das „Zusammenleben der Deutschen und Slowenen in der Kirche Kärntens“ und die Österreich-Synode 1974 ein Minderheitenkonzept zur Förderung und Erhaltung der Volksgruppen in Österreich mit überwältigender Mehrheit angenommen haben, konnte niemand ahnen, daß diese Idee der Versöhnung und eines friedlichen Zusammenlebens schon sehr bald im Licht einer europäischen Dimension als Aufgabe der Völker Europas erstrahlen wird.

Bezogen auf Kärnten, erwarte ich mir von diesem Papstbesuch hinsichtlich des Zusammenlebens der slowenisch- und deutschsprachigen Kärntner ein verstärktes Bemühen auf beiden Seiten, zu einem besseren gegenseitigen Verstehen im Lande beizutragen. Der Papst hat immer wieder eindringlich auf die Aufgaben jedes einzelnen in der Gesellschaft und die Rolle der Völker in der europäischen Gemeinschaft und in der Welt hingewiesen: Unsere Beziehungen zueinander müssen getragen sein von der Liebe zu Christus und den Mitmenschen.

Das Erleben des gemeinsamen Glaubens in Lied und Wort in den Muttersprachen der Völker und Volksgruppen der Regionen Kärnten, Steiermark, Slowenien und Friaul in Gurk hat unter den Teilnehmern der Dreiländerwallfahrt die Kraft und Hoffnung gestärkt, die Zukunft noch bewußter gemeinsam zu gestaltend

Der Autor ist Co-Vorsitzender des Deutsch-Slowenischen Koordinationsausschusses der Diözese Gurk-Klagenfurt.

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