Überirdische Pracht des Lichtes

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750 Jahre nach dem Baubeginn wurde dem Kölner Dom ein Festjahr gewidmet, das in der Ausstellung "Himmelslicht - Europäische Glasmalerei im Jahrhundert des Kölner Dombaus 1248-1349" seinen ab-schließenden Höhepunkt fand.

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750 Jahre nach dem Baubeginn wurde dem Kölner Dom ein Festjahr gewidmet, das in der Ausstellung "Himmelslicht - Europäische Glasmalerei im Jahrhundert des Kölner Dombaus 1248-1349" seinen ab-schließenden Höhepunkt fand.

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Noch heute erlebt man den Kölner Dom - je nach Lichteinfall mehr oder weniger intensiv - als überirdischen Raum. Für die Menschen des Mittelalters war er das Erlebnis des "Himmlischen Jerusalem". Nachdem in Frankreich die Gotik schon voll ausgeprägt war, entstand die Kölner Kathedrale als vollkommenster Bau dieses Stils, als Summe der Erfahrungen vieler Jahrzehnte westlich des Rheins. Die hoch aufstrebende Konstruktion, das ganze Maß- und Strebenwerk dient dem Licht. Die Wände sind von der tragenden Funktion der dicken romanischen Mauern weitgehend entlastet durch schlanke Pfeiler. Sie sind durchfenstert, transparent. Die Glasmaler, die im frühen 13. Jahrhundert ihr Handwerk schon gut beherrschten, bekamen ganz neue Aufgaben.

Die Funktion des Glases als Fensterverschluß, Lichtquelle und Bildmedium erforderte immer neue Anpassung an Größe und Form der Fenster. Es galt, die überlangen, schmalen Öffnungen sinnvoll zu füllen. Breitere Flächen ließen sich gliedern durch das steinerne Maßwerk, durch Bleiruten oder durch Strukturen, die mit Schwarzlot aufgemalt und eingebrannt wurden. Die Gliederung durch gemalte Architektur paßte sich dem aktuellen Stil der Dombauhütte an. Man unterscheidet erzählende Fenster, Standfiguren-Fenster und Ornament-Fenster. Die Erzählungen aus der Bibel wurden meist im unteren Bereich angeordnet, weil man sie dort am besten sehen konnte. Ähnlich wie bei den Email-Malereien des Verduner Altars in Klosterneuburg wurden gern Szenen aus dem Alten solchen aus dem Neuen Testament gegenübergestellt: Himmelfahrt des Elias - Himmelfahrt Christi, Moses am brennenden Dornbusch - Geburt Christi, Königin von Saba vor Salomon - Anbetung der Heiligen Drei Könige ... Darüber sieht man im Kölner Dom die Standfiguren: Herrscher und Heilige.

Ornamente, die oft auch als Rahmen für eine Bilderzählung verwendet wurden, konnten abstrakt sein oder etwa Pflanzen und Blätter zeigen. Im Gegensatz zur stilisierenden Romanik malte die Gotik botanisch bestimmbare Pflanzen: ein Hinweis auf größere Aufmerksamkeit für die Natur, wie sie sich im späten Mittelalter entwickelte. Nach oben zu, wo man kaum noch Einzelheiten erkennen könnte, verwendete man helle Fenster mit abstrakter Grisaille-Malerei, die möglichst viel Licht durchließen.

Die Lichtregie ist das eigentliche Wunder dieser Malerei. Mit nur wenigen Farben (Blau, Grün, Rot, Gelb, getöntes Weiß) wurde eine geradezu brennende Leuchtkraft erzielt. Die Berechnung des Lichteinfalls je nach Sonnenstand vollendet erst das Kunstwerk, das den sakralen Raum sich von der Erdenschwere lösen läßt. Die Gläubigen können den Alltag vergessen und auf eine bessere Welt hoffen. Man erinnert sich, daß der Kölner Dom ja als monumentale Hülle für die im goldenen Schrein aufbewahrten Reliquien der Heiligen Drei Könige erbaut wurde und daß man Pilger aus ganz Europa erwartete - im Wettstreit mit dem spanischen Santiago de Compostela.

Verständlich, daß wohlhabende Leute sich nicht lange bitten ließen, als Sponsoren zu wirken. Versprach doch die Stiftung eines solchen sehr kostspieligen Fensters nach damaliger Auffassung einen erheblichen Sünden-Ablaß. Wie auf vielen Altarbildern ließen sich auch hier die Stifter verewigen und empfahlen sich der Fürbitte der Gläubigen.

Doch die Moden kommen und gehen. Die farbenfrohe barocke Architektur verlangte viel ungefiltertes Licht. Farbfenster wurden entbehrlich bis störend. Kriege, die Aufklärung, die Französische Revolution brachten mutwillige Zerstörung der zerbrechlichen Fenster mit sich. Aber gleichzeitig entwickelte sich - zuerst in England - eine romantische Besinnung aufs Mittelalter: "Gothic Revival". Die Bewegung hat den Schriftsteller und Kunstfreund Horace Walpole zum Ahnherrn. Sein Landhaus "Strawberry Hill" war der Ausgangspunkt. Nun sammelte man auf der Insel, vor allem aber auf dem Kontinent alles, was die Säkularisation entbehrlich gemacht, aber noch nicht vernichtet hatte. Köln war ein höchst ergiebiger Fundort. Ganze Schiffsladungen von alter Glasmalerei sollen damals nach England gegangen sein. Gleich nach 1800 folgten deutsche Aristokraten dem englischen Beispiel. Das "Gotische Haus" in Wörlitz, das Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau errichten ließ, das Berliner Kronprinzen-Palais, das Schloß Erbach im Odenwald sind prominente Beispiele. Der Höhepunkt aller neugotischen Bestrebungen war dann der Weiterbau des Kölner Domes zu einem deutschen National-Heiligtum, der nach langen Werbe- und Sammel-Aktionen 1842 begann und 1880 vollendet wurde. Da war dann auch die Glasmalerei als Handwerk neu belebt. Man sammelte nicht mehr die Überreste, sondern schuf Neues und exportierte in alle Welt.

All das belegt die Ausstellung, die natürlich im Gesamtkunstwerk Kölner Dom ihr Zentrum hat. In den neutralen Räumen der Josef-Haubrich-Kunsthalle wurden Wände so aufgestellt, daß die Fenster in klug erdachter Beleuchtung zu bester Wirkung kommen. Die wenigsten dieser fast hundert Objekte sind für die Ausstellung aus Kirchen ausgebaut worden. Viele befanden sich in Museen, etliche waren aber auch in Restaurierungs-Werkstätten, von wo sie ausgeliehen werden konnten, bevor sie wieder an ihren alten Platz zurückkehren werden. Über die neuesten Techniken der Restaurierung, die ja auf die starke Umweltbelastung Rücksicht nehmen muß, kann man sich ebenso informieren wie über die Arbeitsweise der gotischen Künstler, oder etwa über die theologischen und liturgischen Programme der Bilder. Natürlich sieht man diese erlesenen Glasgemälde aus einer Nähe, wie sie von den Künstlern nie gedacht war. Aber das ist auch ein besondere Attraktion für Kunstfreunde, die es in diesem Umfang und in dieser Qualität noch nie gab und wohl auch nie wieder geben wird.

Ehrlich: die Reise lohnt sich. Aber erfahrungsgemäß ist in den letzten Tagen das Gedränge besonders groß!

Bis 7. März

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