Markenzeichen Drei Könige

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Auch wenn der 6. Jänner in Köln kein Feiertag ist, sondern ein normaler Arbeitstag, ist er für Kölner ein besonderer: Seit 850 Jahren, seit dem 23. Juli 1164, liegen dort die Gebeine der Heiligen Drei Könige. Die berühmteste deutsche Kathedrale, der Kölner Dom, ist als Schrein für sie errichtet worden. Am 6. Jänner gibt es ein feierliches Hochamt und die Kölner können ausnahmsweise einen Blick in den Reliquienschrein werfen.

Späte Interpretationen

Im Neuen Testament berichtet nur das Matthäus-Evangelium von Weisen aus dem Morgenland, die, von einem Stern geleitet, nach Bethlehem kamen, um Jesus zu huldigen. "Weil ihnen aber im Traum geboten wurde, nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land." So endet die biblische Geschichte. Dort steht weder, dass es drei waren, noch, dass es Könige waren, geschweige denn, wie sie hießen -all dies sind spätere Interpretationen. Diese Weiterentwicklungen und Verfeinerungen der biblischen Geschichte bezogen sich zunächst auf die lebenden drei Könige, erst 1158 werden ihre sterblichen Überreste erstmals vom Abt des Klosters Mont Saint-Michel urkundlich erwähnt. Er lokalisiert sie in der Kirche S. Eustorgio in Mailand. Dorthin hatte sie der Legende nach der heilige Eustorgius im 4. Jahrhundert von Konstantinopel gebracht, damit er neben ihnen beerdigt werden konnte.

Kurz darauf, 1162, eroberte Kaiser Friedrich Barbarossa Mailand, eignete sich die Reliquien an und übergab sie im Juni 1164 an seinen Kanzler, dem Kölner Erzbischof Rainald von Dassel. In Köln gab es bereits einen besonderen Bezug zu den Heiligen Drei Königen: Auf dem monumentalen Holztor der romanischen Kirche Sankt Maria im Kapitol aus dem 11. Jahrhundert gibt es eine der ausführlichsten Darstellungen der biblischen Geschichte der Drei. Dieses Tor war sicherlich eine der Inspirationen Rainald von Dassels, nicht umsonst verständigte er die Kölner am 12. Juni 1164 von seiner bevorstehenden Ankunft, damit sie ihm und den Reliquien einen würdigen Empfang bereiten konnten. In einer feierlichen Prozession, vorbei an Sankt Maria im Kapitol brachte er die wertvollen Reliquien am 23. Juli nach Köln -in Erinnerung daran entstand später die bis heute erhaltene Dreikönigenpforte. Die Originalstatuen befinden sich im Museum Schnütgen. Im Katalog zur Sonderausstellung "Mythos, Kunst und Kult" anlässlich des 850-Jahr-Jubiläums ist von einer "Erfindung" der Dreikönigsreliquien die Rede.

Als gewiefter Politiker war Rainald von Dassel dabei vor allem von poltischen und wirtschaftlichen Motiven geleitet: Durch die Präsenz der Dreikönigsreliquien wollte er das Prestige der Stadt heben und Pilger anlocken und auf Dauer das Krönungsrecht der Erzbischöfe von Köln festigen -denn diese durften den Kaiser wählen und ihm im nahen Aachen die Krone aufs Haupt setzen. Der erste Weg der neuen Kaiser führte sie lange Zeit auf Pilgerfahrt zu den Heiligen Drei Königen in Köln. Nicht umsonst ist Rainald von Dassel also auf dem von 1190 bis 1225 in der Werkstatt von Nikolaus von Verdun geschaffenen bis dato größten Reliquienschrein mit einem Reliefportrait verewigt.

Die "rechte herrscherliche Devotion"

Für Europas Herrscher waren die Heiligen Drei Könige stets von besonderer Bedeutung: In ihrer Huldigung des Jesuskindes waren diese nach mittelalterlichem Verständnis vorbildliche Vertreter ihres Standes, sie verkörperten "die rechte herrscherliche Devotion." Wie wichtig die Drei Könige waren, zeigt die Anbetungsszene auf der Stirnseite des Schreins direkt unterhalb des Portraits Rainald von Dassels: Dort sind vier Könige zu sehen - der vierte ist Kaiser Otto IV., der von 1198 bis 1218 regierte. Im Jahr 1200, anlässlich des nach Köln einberufenen Hoftages, hatte er für die Schädel der heiligen drei Könige Kronen gestiftet sowie etliche Edelsteine und Schmuckstücke.

Diese Verehrung der Heiligen Drei Könige durch gekrönte Häupter zeigt auch ein Flügelaltar von 1520, der derzeit im Museum Schnütgen in Köln zu sehen ist. König Christian II. von Dänemark gab diesen in Auftrag, er und sein Vater Hans sind als heilige Könige dargestellt. Von diesem Bild gibt es zeitgenössische Repliken, auf einer, heute in der Staatsgalerie Stuttgart, sind Kaiser Friedrich und sein Sohn Kaiser Maximilian dargestellt.

1248 wurde in Paris die Sainte-Chapelle fertiggestellt -ein "monumentaler Schrein aus Stein und Glas" für die Dornenkrone Jesu, eine Reliquie, die König Ludwig IX., der Heilige, nach Paris gebracht hatte. In Köln, nunmehr durch die Dreikönigsreliquien nach Jerusalem, Rom und Santiago di Compostela die wichtigste heilige Stadt, war der alte Dom aufgrund des großen Pilgeransturms zu klein geworden. Am 15. August 1248 legte Erzbischof Konrad von Hochstaden den Grundstein zum Neubau, der ein spektakulärer architektonischer Reliquienschrein werden sollte, ein Abbild des Himmels auf Erden, der an Pracht die französischen Kathedralen noch übertreffen und den neuen gotischen Stil zur Perfektion bringen sollte. Nur elf Jahre später, 1259, erließ Konrad von Hochstaden das Stapelrecht, wonach Kaufleute, die ihre Waren über den Rhein transportierten, fortan diese in Köln anbieten und Gebühren entrichten mussten. Auf kluge Weise nutzte der Erzbischof so das Prestige der Stadt zur Schaffung einer wesentlichen Einnahmequelle für die Stadt.

Corporate Branding der "hilligen Stadt"

Die Legende der Dreikönigsreliquien wurde weiter entwickelt: 1298 schreibt Marco Polo vom Grab der Dreien in Saba in Persien, auf Geheiß des Kölner Chorbischofs Florentius verfasste Johannes von Hildesheim 1364,200 Jahre nach Translation der Reliquien nach Köln, die einflussreichste Legendensammlung zu den Dreien, die "Historia Trium Regum," die bis in die Gegenwart Dichter und Denker berührt und inspiriert. Sie erzählt die "Legende der Heiligen Drei Könige und ihres Sternes, vom Ausgang der Kinder Israels aus Ägypten an bis zur fortwährenden Verehrung ihrer Reste in Cöln", so Goethe Anfang des 19. Jahrhunderts.

"Dat Dingen deit et ever", sagte einmal der Kölner Komiker Jürgen Becker, frei übersetzt heißt das: Die Reliquien lohnen sich bis heute. Durch sie schuf Rainald von Dassel eine solide Basis für gutes "Corporate Branding", also den Aufbau eines unverwechselbaren Profils und einer hochwertigen Marke - die "hillige Stadt." Die Kronen der Drei sind seit 1288 Teil des Stadtwappens, 1880 wurde nicht nur ihre Grabeskirche vollendet, die Stadt gewann mit den zwei Türmen ein unverkennbares Logo hinzu. 1904 war das Selbstbewusstsein der Stadt so gefestigt, dass man dem jahrhundertelangen Drängen Mailands nachgab und ein paar Reliquien - ein Schien-,zwei Wadenbeine und einen Wirbel -zurückgab.

Bis heute kann man nicht sagen, dass die Reliquien nicht echt sind. Bei einer wissenschaftlichen Untersuchung fand man Blöckchendamast aus Seide, Purpur und Gold im Schrein, das nachweislich aus dem syrischen Raum aus dem 1.-3. Jahrhundert n. Chr. stammt. Am 6. Jänner müssen die Kölner zwar arbeiten, angestoßen wird trotzdem : Mit einem Kölsch-Bier, das die drei Kronen auf dem Etikett hat, serviert vom Köbbes -das kommt von Jakob, denn früher einmal verdingten sich die Pilger, die am Jakobsweg unterwegs waren, mitunter als Kellner.

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