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Rudolf IV., ein Fürst nach Machiavellis Geschmack

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Die Erwerbung Tirols (1363) und die Gründung der Wiener Universität (1365) fallen einem als erstes ein, wenn der Name Rudolf IV. genannt wird, und dann noch der Neubau des Stephansdomes und die Fälschung des „Privilegium maius". Was über das Leben dieses bedeutendsten Habsburgers des 14. Jahrhunderts sonst noch wissenswert ist, und das ist nicht wenig, steht im neuen Buch des deutschen Historikers Wilhelm Baum, der sich bereits mit Werken über Kaiser Sigismund (1993) und Margarete Maultasch (1994) als Experte für das späte Mittelalter etabliert hat.

Rudolf IV., am Allerheiligentag 1339 in der Wiener Hofburg geboren - weshalb er oft zu Allerheiligen Messen für sich lesen ließ -, wurde 1358, nach dem Tod Albrechts II., Herzog der österreichischen Länder. Am 27. Juli 1365 erlag er, noch nicht einmal 26 Jahre alt, in Mailand einem hitzigen Fieber, das ihn sechs Wochen zuvor befallen hatte. In diesen wenigen Jahren setzte der junge Herrscher aber mehr in Bewegung, als viele andere während wesentlich längerer Begentschaften. Für Baum ist Rudolf als Vorläufer der österreichischen Staatsidee zu bezeichnen.

Das Spannungsverhältnis zu seinem Schwiegervater, Kaiser Karl IV. aus dem Haus der Luxemburger, bestimmte sein Leben. Ließ dieser in Prag eine Universität errichten, so folgte Rudolf IV. in Wien diesem Beispiel. Auch Versuche, den Stammbaum der eigenen Familie aufzufrisieren, unternahmen beide, Karl bis zu den Trojanern, Rudolf bis zum Heiligen Morandus. Von Karl, den er 1353 auf einer Reise durch deutsche Lande begleitete, übernahm Rudolf auch die Vorliebe für das Sammeln von Reliquien und Wertsachen, deren er sich, wo immer es möglich war, auf seinen Reisen bemächtigte. Manche Ideen und Projekte verfolgten Kaiser und Schwiegersohn fast gleichzeitig.

Als Rudolfs wichtigste „Stiftungen", denen der Herzog auch seinen Beinamen verdankt, nennt Baum das Allerheiligenkapitel in der Wiener Burg, die Universität und den Neubau des Stephansdomes. Hatte Karl IV. 1344 in Prag mit dem vollständigen Neubau des Veitsdomes begonnen, dessen Chor dann erst 1385 seine Einweihung erlebte, so war in St. Stephan der von Albrecht I. begonnene Chor bereits 1340 eingeweiht worden.

Das 850-Jahr-Jubiläum von St. Stephan, jüngst auch Anlaß der grandiosen TV-Universum-Produktion „Der lebende Dom", ruft den wichtigen Anteil Rudolfs IV. an der Entstehung dieses Gotteshauses in Erinnerung. Im März 1359 erfolgte in Anwesenheit des Herzogs der erste Spatenstich zum Neubau des Langhauses. Noch zu Lebzeiten Rudolfs wurden die Westkapellen (Morandus- oder Kreuzkapelle, Herzogen- oder Eligiuskapelle), das Bischofs- und Singertor und die Herzogsgruft errichtet.

Im Ringen von Luxemburgern, Wittelsbachern und Habsburgern um die Macht in Mitteleuropa mischte Rudolf, .dessen engster Mitarbeiter der spätere Bischof von Brixen, Johann Bibi, wurde, bald kräftig mit, was die Rivalität mit Karl IV. kulminieren ließ. Zum Teil, etwa bei der Fälschung des „Privilegium maius", ergriff Rudolf Methoden, die ihn als Vorläufer eines italienischen Renaissancefürsten nach dem Geschmack Niccolö Machiavellis erscheinen lassen. Aber auch seine Widersacher waren nicht zimperlich, das Buch von Baum gibt einen tiefen Einblick in die Künste mittelalterlicher Politik, seien es Verheiratungen, Lehensvergaben, Personalbesetzungen, Gewährung von Privilegien oder die sowohl die Wittelsbacher als auch die Habsburger verdrießende Regelung der Königswahl durch Karl IV. mittels der „Goldenen Rulle".

Raum würdigt Rudolf als „Gestalter der Geschichte und nicht nur Verwalter des Erbes", vergleicht ihn mit Josef II. und meint, so große Persönlichkeiten könnten „ein System auch gefährden, wenn sie ihre Kräfte überschätzen oder ihre Konzepte nicht verwirklichen können". Letztlich blieb Rudolf, von dem Raum nicht vorgibt, ein „vollständiges Bild" liefern zu können, „ein einsamer Einzelgänger", kinderlos, von seinen Zeitgenossen nicht verstanden. Sein früher Tod mache ihn „zu einer tragischen Gestalt der Geschichte".

RUDOLF IV. DER STIFTER

Seine Wdt und seine Zeit Vm Wilhelm Baum. Verlag Styria, Graz-Wien-Köln 1996. 400 Seiten, 16 Seiten SW-Abbildungen, Karte, Stammtafel, Register, Leinen mit Schutzumschlag, öS 420,-

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