Dreikönigliche Pracht am Rhein

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Die Ausstellung "Glanz und Größe des Mittelalters“ im Kölner Museum Schnütgen zeigt 160 "unausleihbare“ Stücke aus Spitzenmuseen wie dem Metropolitan Museum oder dem "Kunsthistorischen“ gemeinsam mit Werken aus den Schatzkammern der Kölner Kirchen.

Mit der Ausstellung feiert das Museum Schnütgen an seinem 101. Geburtstag noch einmal sein 100-jähriges Jubiläum. Der Grund (außer dass man in Köln gern und lange feiert): Im Oktober 2010 wurde der Erweiterungsbau des seit 1956 in der romanischen Cäcilia-Kirche - ehemals die Zunftkirche der Kölner Maler - untergebrachten Museums eröffnet und mit ihm das "Kulturquartier“. Darin wird das Kölner Mittelalter direkt mit der weiten Welt verbunden, nämlich dem Neubau des den "Kulturen der Welt“ gewidmeten Rautenstrauch-Joest-Museums. Ein voller Erfolg: Das Museum Schnütgen lockte schon im ersten Jahr nach dem Umbau zehn Mal mehr Besucher an als vorher.

In Köln, sagt man, dauerte das Mittelalter bis zur Eroberung der Stadt durch die Franzosen Ende des 18. Jahrhunderts. Es war Kölns beste Zeit und prägt die Stadt bis heute. Spätestens seit Erzbischof Rainald von Dassel 1164 die Gebeine der Heiligen Drei Könige nach Köln brachte - eine Kriegsbeute nach der Eroberung Mailands durch Friedrich Barbarossa - wurde das "hillige“ Köln, neben Rom, Jerusalem und Byzanz, eine der vier heiligen Städte, ein Wallfahrtsort von europäischem Rang. Ab den 1180er-Jahren schuf Nikolaus von Verdun den goldenen Schrein für die Gebeine der Heiligen Drei Könige, der heute noch weithin sichtbar im Kölner Dom steht. Der Neubau des Doms ab 1248 (Fertigstellung erst 1880) diente der Bewältigung der Pilgerströme.

Elfenbein und Walrosszahn

Herausragend war in Köln die Goldschmiedekunst, bis heute prägt sie das Bild der dortigen hohen und späten Romanik. Einmal im Jahr, am 6. Jänner, stehen die Kölner Schlange, um einen Blick auf die Gebeine der Heiligen Drei Könige zu erhaschen. Auch in den anderen romanischen Kirchenbauten der Stadt, die nach den schweren Kriegsschäden erst in den 1990er-Jahren wieder vollständig hergestellt waren, sind Reliquienschreine prägender Teil der Ausstattung und Ursprung der Strahlkraft und Bedeutung von Kölner Kunstwerken in weiten Teilen Europas und der Welt.

Neben kostbaren Reliquiarien aus Elfenbein und Walrosszahn betören die Besucher die sanft lächelnden Reliquienbüsten. Durch Öffnungen an der Vorderseite konnte man die Reliquien sehen, die Schädel waren meist aufklappbar.

Die Marienverehrung war in Köln groß geschrieben, zur Weihnachtszeit berührt eine wunderbare Holzfigur der heiligen Maria im Wochenbett mit dem Jesuskind und eine kleine Christkindwiege, ein Andachtsmöbel, das in Frauenklöstern der praktischen Meditation diente. Kölns herausragender Maler Stefan Lochner, einer der wenigen, der namentlich bekannt ist, ist durch ein Stundenbuch vertreten - klugerweise haben sich die Ausstellungsmacher für das Faksimile entschieden, das die Besucher in Ruhe durchblättern können. Vom Meister der heiligen Veronika sind Gemälde zu bewundern, die sonst in Washington, London, Chicago und Philadelphia hängen. Großartig auch, dass nach hundert Jahren eine Kreuzigungsgruppe aus dem 15. Jahrhundert wieder vereint ist, von der das Kruzifix sich ansonsten in einer Pfarrkirche in Frechen (ein Stadtteil Kölns) befindet, die Statuen von Maria und Johannes jedoch im Museum der Bildenden Künste in Budapest stehen.

Gelassenheit und Lebensfreude

Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf religiöser Kunst, doch die Macher gehen auch auf profane Aspekte des Lebens ein - ist doch Köln bis heute für seine Gelassenheit und Lebensfreude bekannt (einer der wichtigsten Wirtschaftszweige ist der Karneval). So kann man ein auf einem Minnekästchen mit einem Knochenrelief Tristan-und-Isolde-Motive bewundern, Spielsteine aus Elfenbein und ein exquisites kleinformatiges Bild mit dem Titel "Der Liebeszauber“. Wie komplex die Logistik der Schau war, zeigen diese Spielsteine: Sie kommen aus dem Metropolitan Museum in New York, dem Louvre, und aus dem Victoria-and-Albert- sowie dem British Museum in London.

Ein Exponat kam von ganz nah, ist aber absolut sensationell und einzigartig. Es ist noch nicht im Katalog abgebildet, da es erst diesen Sommer gefunden wurde: ein goldener Ohrring, in dessen Mitte eine antike Gemme prangt. Gefunden haben das die Archäologen, die seit 2007 am Rathausplatz das mittelalterlich-jüdische Köln erforschen. Bei all denjenigen, die schon oft den Archäologen bei ihrer mühseligen Arbeit im Vorbeigehen über die Schulter sehen konnten, kann die Betrachtung dieser kleinen Kostbarkeit nur Begeisterung auslösen.

Glanz und Größe des Mittelalters

Museum Schnütgen Köln

bis 26. Feb. 2012, Di-So 10-18, Do bis 20 Uhr

www.museenkoeln.de

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