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Glasgemälde in St. Leonhard

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Vom nördlichen Ausläufer des Schwar-zenberges bei Tamsweg leuchtet weithin in seinem hellen Tuffsteingelb das Wahrzeichen des Lungaus, die Wallfahrtskirche St. Leonhard, deren Bau, eines der interessantesten gotischen Bauwerke des österreichischen Alpenlandes, vermutlich im Jahre 1424 begonnen wurde. Umgeben von einer burgartigen Umfassung mit einem mächtigen Tore, die um das Jahr 1480 entstanden ist, als auf St. Leonhard eine ungarische Besatzung lag und die „Kaiserlichen im Lungau Schaden tetten mit Raub und Brand, wann sy ver-prandten Tamsweg“, atmet der Platz um die Kirche tiefen Gottesfrieden, der weder durch den Betrieb eines Gasthauses noch durch die üblichen Verkaufsbuden gestört wird, obwohl St. Leonhard schon 1476, wie aus einer Stiftungsurkunde hervorgeht, nach Mariazell und St. Woif-gang als der bedeutendste Wallfahrtsort unserer Heimat galt.

Das Kircheninnere ist ein vierjochiges Langhaus mit je zwei Seitenkapellen, die in der äußeren Baugestaltung den Eindruck erwecken, als besäße das Gotteshaus zwei Querschiffe. An den Hochwänden enthält es noch die Tafeln des ursprünglichen gotischen Hauptaltars, der etwa zweihundert Jahre später durch ein prachtvolles barockes Bauwerk ersetzt wurde. Diese und zwei über der Sakristeitüre angebrachte Tafeln mit Szenen aus den Leben des heiligen Leonhard und der Kirchenlehrer Hieronymus und Augustinus sowie die vergoldete Bekrö-nung des alten Altars, die in einer Seitenkapelle oberhalb eines schönen gotischen Chorgestühles zu sehen ist, lassen den ursprünglichen Zustand des prächtigen Altarwerkes rekonstruieren. Die Entstehung des Altars ist nach dem Wappen des Dompropstes Burkard von Weißbriach, des späteren Erzbischofs und Kardinals, zwischen 1452 und 1461 anzusetzen.

Den kostbarsten Schmuck der Kirche, die von Peter Harperger aus Salzburg erbaut und 1433 durch Bischof Johann von Chiemsee konsekriert wurde, bilden die Glasmalereien, die in ihrer Art auf österreichischem Boden einzig sind. Die meisten Fenster, deren Herstellung durch die Jahreszahlen 1430, 1434 und 1450 in die Zeit der ersten künstlerischen Ausgestaltung der neuerbauten Kirche datiert werden kann, entstanden also etwa in denselben Jahren wie die späteren Scheiben in der Wiener Kirche Maria am Gestade und jene aus verschiedenen Kirchen Niederösterreichs, die aus der gleichen Zeit stammen. Was die Tamsweger von diesen Scheiben unterscheidet, ist ein entwicklungsgeschichtlich sehr bedeutsames Element. So lassen die Scheiben des Fensters von 1430, welches Maria stehend in einer weiträumigen Halle zwischen St. Katharina und dem heiligen Laurentius zeigt, deutlich erkennen, daß die Schattierung der Gewänder nicht mehr durch einzelne Linien, sondern bereits durch Halbtöne erfolgt. Dieser Stilwandel und auch eine gewisse Änderung in den Typen leiten hinüber zu der Kunst Hans Multschers und dessen Altar von 1437. Das hervorstechendste Merkmal dieses neuen Typs ist die geänderte Darstellung der Augen, bei denen im Gegensatz zur früheren Gotik das Unterlid nicht mehr gerade, sondern stark gewölbt wird, wodurch die Lebendigkeit der Gesichtszüge gesteigert wird.

Während die übrigen zeitgenössischen Glasmalereien Österreichs etwas Provinzielles an sich haben, zeigt sich bei den Tamsweger Scheiben schon ein sehr starker westlicher Einfluß. Man muß annehmen, daß zwischen Salzburg und Süddeutschland schon damals künstlerische Beziehungen bestanden haben, so daß es als kein Zufall erscheinen mag, daß der spätere Erbauer des barocken Hochaifars gleichfalls aus der Umgebung von Uim stammte. Die Tamsweger Scheiben geben in mehr als einer Beziehung Rätsel auf. Während einzelne Scheiben ganz der herkömmlichen Farbenwahl entsprechen, treten uns in anderen Experimente entgegen, die in der Folgezeit nicht mehr unternommen wurden. Das hinter dem Hochaltare seitwärts stehende Fenster ist in seiner Farbe einzigstehend. Die Fläche wird von einem tiefen leuchtenden Gelb eingenommen, zwischen dem hie und da der satte Ultramaringrund durchschimmert. Die Scheiben sind eine Widmung des Erzbischofs Johann II. von Reisberg (1429 bis 1441), unter dessen Regierung die Kirche erbaut wurde. Er ist selbst in der Mitte der zweiten Reihe von unten dargestellt. Zwei Engel halten ihm den Legatenhut. Es ist wohl das älteste uns erhaltene Porträt eines Salzburger Erz-, bischofs. Auf den oberen Scheiben sieht man die heilige Dreifaltigkeit in der Darstellung des Gnadenstuhles zwischen den Aposteln Petrus und Paulus sowie Darstellungen aus dem Leben des heiligen Leonhard.

Wie ganz anders ist das schon erwähnte Fenster von 1430. Seine Farbtöne sind schmutzig, karminrot und blau und ein sich vordrängendes schreiendes Violett. Man wird unwillkürlich an die mißverstandene Weise erinnert, mit der man zur Zeit der Neugotik alte gotische Scheiben zu imitieren pflegte.

Eines der kostbarsten Fenster ist das 1434 von Konrad Kelzler gestiftete Fenster der „Apostelmühle“. Das Wort Gottes wird von den vier Evangelisten auf den Mühlstein geschüttet, der von den zwölf Aposteln betrieben wird. Das ver-mahlcne Wort Gottes wird von den Kirchenvätern in einem Kelche in der Gestalt des Jesukindes aufgefangen. Links ist davon der Priester am Altare zu sehen, rechts die andächtige Schar von Königen und Fürsten. Im untersten Geschoß sitzt Maria in einer weiträumigen Halle, verehrt von dem knieenden Stifter. Man wird bei der Betrachtung dieses Fensters an niederländische Kompositionen erinnert und kann wohl annehmen, daß der Schöpfer dieser Scheiben, ein uns leider unbekannter vitrarius, entweder selbst aus Süddeutschland stammte oder zumindest dort gelernt und gearbeitet hat.

Ein viertes Fenster, dessen Scheiben von einem Fries von Diamantquadern eingesäumt sind, zeigt im mittleren Felde den segnenden Christus, unter dem sich wohl früher, wie Dr. Franz Kieslinger mit Recht annimmt, die jetzt in eine Nebenspalte versetzte Verkündigung befand. Die drei fehlenden Scheiben kamen seinerzeit durch den Grafen Wilczek auf die Burg Kreuzenstein.

Auch die übrigen Fenster der Kirche, obwohl weniger bedeutend, gehören zu besten Glasmalereien aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, wie ja die Kirche auch sonst an Kunstschätzen reich ist.

Abschließend sei des altehrwürdigen Mesnerhauses neben der Kirche gedacht, das gleichfalls aus dem 15. Jahrhundert stammt. In ihm hauste von 1665 bis 1897 das Geschlecht der Lederwasch, aus dem nicht weniger als achtzehn Maler hervorgingen, von denen einige in der Kunstgeschichte Salzburgs eine wichtige Rolle spielten. Zahlreiche Altargemälde in den Kirchen des Lungaus rühren von ihnen her, aber auch weltliche Malereien von hoher Qualität, wie das mythologische Zimmer und die Brautmöbel, die aus dem Beginne des 18. Jahrhunderts stammen und den kostbaren Besitz des alten Tamsweger Gasthofes „Zur Post“ bilden.

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