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Spiel aus lebendigem Glauben

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Vor einer großartigen Naturszenerie spielt seit dem Dreifaltigkeitssonntag dieses Jahres die Dorfgemeinschaft von St. Margarethen im Burgenland ihr textlich neugestaltetes Spiel vom Leiden und Sterben unseres Herrn, die „Passio Domini“. Noch auf dem eigenen Gemeindegebiet, gegen Rust zu, liegt ein riesiger alter Steinbruch des Fürsten Esterhazy. Die großen Felsblöcke dienten schon den Römern für ihre Haus- und Straßenbauten, und seit Jahrhunderten wandern die Steine schon nach Wien für Kirchen und Paläste. Auch in jüngster Zeit ist der Steinbruch wieder bekannter geworden. Das großzügige Symposion der Bildhauer aus aller Welt stellt ihnen Arbeitsmaterial kostenlos zur Verfügung, so daß sie hier wirklich „aus dem Vollen“ ihre Werke schaffen können. Mögen Einheimische und Fremde mitunter auch kopfschüttelnd durch diese Freiluftgalerie gehen, denn vieles davon ist ohne Erläuterung dem einfachen Sinn nicht zugänglich, so werden sie doch von manchem Spiel der Formen und Ornamente gefesselt sein.

In einer höheren Einbuchtung des Hügels, aus dem das Felsmaterial gewonnen wurde und wird, hat ein auch schon am Wiener Burgtheater wirkender junger burgenländischer Bühnenarchitekt, Josef Eugen Bosch, das Freilichtszenarium für Spiel und Zuschauer in geschickte Verbindung gebracht. Der Besucher fühlt sich wie im Heiligen Land, wenn vor ihm das Spiel beginnt und spürbar mit gläubigem Herzen in tief ergreifender Weise vor sich geht. Das Leben und Wirken Jesu, sein Leiden und Sterben, die Auferstehung des Herrn und schließlich die Sendung der Apostel bei der Himmelfahrt werden in dem naturgegebenen Rahmen eindrucksvoll erlebt.

Die einfach und schlicht gespielten Szenen füllen in realistischer, natura- men der jFelslandschart, ihre Wände und SchTüchteiV. Rechts ’deff Hü el der Bergpredigt, links Ölberg und Golgotha. In der Mitte der Abendmahlsaal, darüber das Synedrium des Hohen Rates und daneben, etwas höher, das Haus des römischen Landpflegers. Hier wogt das Geschehen der „Passio Domini" vor den Besuchern. In mehr als 100 Meter breiter Front wickelt sich Szene für Szene des Spieles in knappen drei Stunden ab, velkstümlich packend in Wort und Gesten, realistisch ohne unkünstlerisch oder kitschig zu wer-

den — Jesus reitet beim Einzug in Jerusalem mitten in der Volksmenge wirklich auf einem Füllen; dem Zug des erschütternd dargestellten Kreuzweges reiten zwei St.-Margarethner im Gewände der römischen Legionäre auf edlen Pferden voraus; bei der Austicibung dei Händler im Tempel 'flat- 4erntl:wshße„Xaub i aus den Kąflgpn auf und davon.

Was aber ist es, das die „Passio Domini“ von St. Margarethen, über die gläubige Darstellung in diesem grandiosen, einzigartigen Rahmen hinaus, noch besonders bemerkenswert macht? Es sei gestattet, auf zwei Merkmale hinzuweisen. Auf den Text des Spieles und auf die eigenartige Atmosphäre von Spiel, Landschaft und Volk in so unmittelbarer Nachbarschaft des „Eisernen Vorhanges“.

Prälat Johannes Kodatsch, der als Regens des Burgenländischen Priesterseminars in Wien und als Redakteur des Kirchenblattes der Diözese Eisenstadt, des „St.-Martins-Boten", wirkt, hat das Manuskript erarbeitet. Der Urtext stammte aus einem Leiden-Christi- Spiet der Pfarre Groß-Höflein, das' als Vor jage für,

in St. Margarethen 1926 diente. Pfarrer Josef Kaindlbauer, ein kunstsinniger eifriger Seelsorger, bearbeitete es für die weiteren Spieljahre 193 3 und 1936. In rühmenswerter Selbstbescheidung ist seit 1946 Schritt für Schritt ein neues Buch aus den Worten der Heiligen Schrift entstanden. Die vertrauten Texte der Sonntagsevangelien klingen nun wort- und sinngetreu aus dem Munde der Spieler und packen die Zuhörer in außerordentlichem Maße.

Das Spiel schließt auch nicht, wie sonst üblich, mit der Kreuzigung oder Auferstehung, sondern führt bis zur Himmelfahrt des Herrn. Christus fragt vor den anderen Jüngern Petrus: „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?“ Er gibt ihm den Auftrag: „Weide meine Lämmer, weide meine Schafe!“ Der strahlende Erlöser wendet sich dann an alle Apostel mit den Sendungs Worten: „Gehet hin und lehret alle Völker" und mit der Verheißung ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen“

Gerade in St. Margarethen klingen diese Sendungsworte richtig. Hat doch ein Mann schon von frühester Jugend an den Auftrag zu apostolischer Arbeit in einer beispielgebenden Art immer wieder zu erfüllen gesucht. Und dieser apostolische, ja missionarische Geist eines Mannes, der sich auf die gesamte Dorfgemeinschaft übertragen hat, wirkt in so eigenartiger Weise auf die Besucher des Spieles am „Eisernen Vorhang“. Emmerich Unger, der jetzige Spielleiter und Darsteller des Kaiphas, erlebte 1923 im Hof der Reichsbundgruppe in Wien, Westbahnstraße 40, anläßlich eines Katholikentages das Passionsspiel von Dr. Josef Neumair. Mit seinen Freunden im Burschenverein, dem ersten im damals neuen Bundesland Burgenland, war er von Dorf zu Dorf gezogen, einen Reichsbundverein nach dem anderen gründend. Der junge Kleinbauernsohn aus St. Margarethen wurde zum Führer der Jugend des Landes, er organisierte eine junge katholische Aktion, die der ganzen katholischen Volksbewegung Schwung und Auftrieb gab.

In seiner Heimatgemeinde regte er das erste Passionsspiel des Jahres 1926 an und spielte selbst die Christusrolle, die jetzt sein Sohn Franz darstellt

1946, nach seiner Rückkehr, wurde er zum ehrenvollen Amt des Präsidenten der Katholischen Aktion des Bürgenlandes berufen. Das Passionsspiel, erstmals im Hofe des väterlichen Anwesens aufgeführt, später im Pfarrheim und jetzt in der Freiluftärena, ist für ihn und die anderen Spieler kein Schauspiel. „Erwarten Sie sich keines“, sagte er bei der Eröffnung am 28. Mai, „sondern ein religiöses Weihespiel, von einfachen, schlichten Landbewohnern dargeboten. Alle Berufe und Stände des Dprfes sind vertr WlU spielen..aus. gläubig-frommen Herzaif)

So ist auch bewußt an das Ende des Spieles die Sendung der Teilnehmer für das Reich Gottes gesetzt. Das Burgenland hat durch seinen Bischof Dr. Stephan Läszlö das Spiel als Aufgabe und Symbol erklärt, es soll eine zeitgemäße religiöse Mission erfüllen. Über dem Hügel, der den Steinbruch birgt, steht ein großes Kreuz, das Passionskreuz, das nach allen Seiten weithin sichtbar ist. Die nahen Wachttürme am „Eisernen Vorhang“ haben es vor sich und die Menschen dort können es leicht erkennen. 1956 haben es die Spieler aufgerichtet als Versprechen, alle Kraft für das Reich Gottes in unserer Zeit einzusetzen. Wohin man im Burgenland kommt, überall spürt man einen wahrhaft missionarischen Geist, eine im bester Sinne des Wortes fortschrittliche Bewegung im katholischen Volke. Wie hat sich doch die christliche Nächstenliebe bewährt zur Zeit der abertausenden Flüchtlinge aus Ungarn. Wie mutig und zuversichtlich packt die Kirche des Burgenlandes das Problem der „Pendler“ zwischen Heimatort und Arbeitsstätte an. Ihnen und den „Landflüchtigen“, die ganz nach Wien, Wiener Neustadt und anderen Industrieorten ziehen, hämmert sie die apostolische Verpflichtung zum christlichen Vorbild und Beispiel auch im neuen Lebenskreis ein.

Der Christ des Binnenlandes, der vormittags mit ernstem, sorgenvollem Blick den doppelten Drahtverhau am „Eisernen Vorhang“ betrachtet hat, geht am Abend getröstet und zuversichtlich von der „Passio Domini“ im alten Römersteinbruch heim. Wo der alte Glaube so lebendig ist, wird er auch bestehen.

Weitere Daten des Spieles:

Weitere Aufführungen sind vorgesehen am 6., 13., 20. und 27. August, 2., 3., 9., 10., 16., 17., 23., 24. und 30. September. Schlußvorstellung am 1. Oktober. — Beginn 15 Uhr, Ende 18 Uhr.

Künstlerische Gesamtleitung: Burgschauspieler Alfred Schnayder. — Musik und Passionschöre: Prof. Rudolf Bara, Kapellmeister an der Domkirche in Eisenstadt. — Kostüme: Rosa Wilrllnger. — Organisation: Karl Wa- nitschek.

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