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AUF STRAHLEND BLAUEM HiMMEL SCHWEBEN

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dentum und Islam. Der Papst machte dies zum Hauptthema seiner Ansprache in der Meßfeier anläßlich der Präsentation des restaurierten „Jüngsten Gerichts" in der Sixtinischen Kapelle. Für das Christentum seien bildliche Darstellungen deshalb möglich, weil Gott sich in der Gestalt Christi der Menschheit sichtbar gemacht habe, erklärte der Heilige Vater und lobte „den Mut und die außergewöhnliche Kühnheit Michelangelos" bei der Darstellung Gottes, des Schöpfers und des richtenden Christus.

Wenn Johannes Paul II. im 15. Jahrhundert Papst gewesen wäre, hätte er vermutlich die vieldiskutierten, vom Konzil von Trient verordneten „braghe" (Hosen oder Lendentücher) an den nackten Figuren nicht anbringen lassen, denn er zeigte vollstes I Verständnis für Michelan gelo, der sich in seiner Kunst von den Worten HK|^ der Genesis leiten ließ: ^^HK „Sie waren nackt und ^^^K. schämten sich nicht" ^^^^B: und somit die Sixtini-I^^^^P sehe Kapelle „zum chen Kör-ifjfe: pers machte" ... „Denn im Bereich des von Gott kommenden Lichts behält auch der menschhche Körper seinen Glanz und seine Würde; wenn man ihn aus dieser Dimension herausnirrmit, wird er gewissermaßen ein Objekt, das sehr leicht erniedrigt wird, denn nur vor den Augen Gottes kann der menschliche Körper nackt bleiben und seinen Glanz und seine Schönheit unversehrt beibehalten".

Diese päpstlichen Worte bringen nun endgültig die Kritiken des Pietro Aretino zum Schweijen, eines Literaten des 15. Jahr-lunderts, der den damals 66jähri-gen Michelangelo beschuldigte, daß die Fresken mit so vielen Nackten „eher für Bäder und Wirtshäuser geeignet seien als für eine päpstliche Kapelle und daß vor ihnen sogar ein Bordellwirt die Augen schheßen müsse". Dafür wurde er in der Gestalt des Minos unter den Teufeln der Hölle dargestellt, mit einer großen Schlange um seinen nackten Leib.

Von den 40 „Hosen" wurden 17 entfernt, also nur die von Daniele da Volterra 1565 angefertigten beibehalten. Am auffallendsten ist der Heilige Andreas, dessen muskulöse Rückseite nun zur Gänze zu sehen ist. Ein Jahr nach dem Konzil von Trient (1564) hatte sich nämlich die Gegenreformation fatal auf Michelangelos „Jüngstes Gericht" gestürzt. Dem „Braghettone" (etwa „Hosenschneider"), wie Daniele da Volterra seit damals genaimt vmrde, ist auch die Übermalung des Heiligen Blasius zuzuschreiben, der ursprünglich eher schamlos bei der Heiligen Katharina von Alexandrien kauerte, worauf auch diese Figur überarbeitet werden mußte. Diese Korrekturen wurden auch jetzt beibehalten. Experten meinen, daß Michelangelos Vorliebe für nackte Körper mit seinem Widerwillen gegen Karl V. und das spanische Zeremoniell zu erklären sei und eine Reaktion auf den von Karl V. angeordneten „Sacco die Roma", die Plünderung Roms, darstelle...

Die 180 Quadratmeter große Wand der Sixtinischen Kapelle ist nun durch das restaurierte kostbare LapislazuHblau wirklich Himmel geworden, auf dem ein Wirbelsturm von Auserwählten und Verdammten schwebt; das Antlitz der Madonna scheint in einer Art

„Pointilhsmus" gemalt, ihr Gewand erstrahlt im Ultramarineblau ebenso schön wie der Himmel. Der Anbhck ist überwältigend. Die Figuren des Gewölbes der Kapelle scheinen in ihrem wiedererlangten Glanz und Licht auf den sprachlosen Zuschauer herabzuschweben, der vor dem Eintritt über einen staubanziehenden Bodenbelag schreiten muß. Eine neue Kontrollanlage für das Mikroklima ist seit 1993 in Betrieb, um die „wichtigste Restaurierung des Jahrhunderts", die vierzehn Jahre dauerte und elf Millionen Dollar kostete, zu schützen. Der Großteil der Restaurierung wurde von der^'Nip-pon Television Network Corp. finanziert, die 170 Kilometer Film und 500 Dias davon herstellte. Die Katalogisierung des Restaurierungsmaterials in einem Computer ist Baron Thyssen-Bome-misza zu danken.

„In der Kapelle herrschen heute nicht mehr die Bedingungen, die in der Vergangenheit den schnellen Verfall der Malerei bestimmten, beispielsweise Kerzen beleuchtung", erklärt Fabrizio Mancinelli, der wissenschaftlichf Leiter der Renovierung, abei langfristig bestehe das Probien der Verschmutzung weiter. „199Ž wurde eine Klimaanlage mit Kon troUzyklus und computergesteuer ten Sensoren in Betrieb gesetzt wodurch die in die Kapelle ein strömende Luft gefiltert und da Eindringen von schädlichen Ga sen vermieden wird. Eine neu( Beleuchtungsanlage garantier optimales Licht, auch für der Fall, daß das Tageslicht nicht aus reicht." Die nächsten Restaurie rangen, nämlich die der Wand gemälde aus dem 15. Jahrhundert des Ą

Ghirlandaio, Botticelli und Si-gnorelli stehen nocii nicht fest.

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