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Neues kirchlidies Bauen

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Vor etwa 40 Jahren ging ein Wettstreit durch die Presse. Der Anlaß war die in neuen Stilformen erbaute Kirche „Am Steinhof“, Wien, 13. Bezirk. Universitätsprofessor Prälat Dr. Swoboda, der damals in der christlichen Kunst führend wirkte, setzte sich mit aller Kraft für den genialen Architekten Otto Wagner ein. Merkwürdigerweise erfloß ziemlich gleichzeitig in einer großen Diözese Deutschlands eine uns heute vollständig unverständliche Weisung, nach der Kirchenbauten nur im gotischen, als dem allein kirchlichen Stile erstehen sollten.

Der Kampf ist nunmehr abgeschlossen. Niemand fällt es mehr ein, „gotisch“ zu bauen. Die Moderne hat sich durchgesetzt, hat in harten Wehen freilich auch Werke geschaffen, die alter Tradition allzusehr widersprachen, in ihren bizarren Formen heute fast geschmacklos wirken. Nicht alle kirchlichen Bauten haben es verstanden, das gute Neue mit dem guten Alten eins werden zu lassen. Aber dennoch! Es sind Baudenkmäler erstanden, in bestem Einvernehmen zwischen Künstler, Gemeinde und Seelsorger geformt, die auch nach Jahrzehnten beim Betrachten stets Freude machen und als voll gelungen bezeichnet werden müssen.

Nicht von den Formen neuzeitlichen kirchlichen Bauens allein sei hier die Rede. Auch in der Gestaltung und Anordnung der kirchlichen Bauten hat sich mancherlei gewandelt. Aus den neugestellten Aufgaben der Kirche, beziehungsweise der pfarrlichen Seelsorge sind sie erflossen. Mit der Kirdie innigst verbunden sind Pfarrhaus als Wohnung für die Scelorger und Pfarrheim als Stätte für die außerkirchliche seelsorgliche Betreuung der Pfarrgemeinde. Von dereinst kennt man außer der Kirche nur den Pfarrhof, der oft als kleines Barockschlößchen wirken mag oder auch als bescheidener Bau aus josephinischer Ära. Die Aufgaben, die heute das Pfarrhaus zu lösen hat, wurden, sofern sie überhaupt erkannt wurden, in den abgelaufenen Jahrzehnten von den Vereinshäusern verschiedenster Prägung nach Möglichkeit erfüllt.

Heute sind eine Reihe neuer Aufgaben erstanden: die theologische Schulung der Laien ist weithin für viele Gläubige nicht Mode, sondern innerstes Bedürfnis geworden; die volksliturgischen Bestrebungen verlangen gleichfalls Förderung und umfassende Pflege; die Bibelarbeit drängt zu Bibelstunden, die in kleinen Kreisen und Runden vorbereitet werden; die Pflege kirchlichen Volksgesanges ist seit etwa vier Jahrzehnten zur Notwendigkeit geworden; längere oder kürzere Exerzitienkurse sowie insbesondere die ständig wiederkehrenden Einkehrtage der Naturstände sind zur selbstverständlichen Einrichtung in den einzelnen Pfarren geworden. Zwar haben sich die notwendigen Erkenntnisse noch nicht überall durchgesetzt. Sie sind jedoch im Vorwärtsschreiten.

Weiter ist die karitative Arbeit der Pfarrgemeinden gewachsen, vom Kinder-' garten und der gesamten Kinder- und Jugendfürsorge (Hortwesen, Erholungsfürsorge) bis hin zur Betreuung der zahlreichen Kranken, Armen und alten Leute. Die freie Jugendarbeit (Pfarriugendstunde), die Freizeitgestaltung für Männer, Mütter und Ehelose verlangt weiterhin so manches an geeignetem Raum. In einzelnen Fällen sind diese Einrichtungen der Pfarre zum großen „Sozialwerk“ ausgebaut mit all den soeben genannten Einrichtungen, dazu Nähstube der Karitas, Ausspeisung der Armen, Wärmestuben im Winter usw.

Die Raumgestaltung für die Kirche ist seit jeher gegeben, kann freilich auch durch gesammelte Erfahrungen verbessert werden und wird durch Heizanlagen, Kohlenkeller, Klosettanlage und anderes eine Erweiterung erfahren müssen. Das Pfarrhaus ist gleichfalls in seinem Zweck für Pfarrkanzleien und als Wohnraum für die Seelsorger und den Haushalt bestimmt. Die sanitären Einrichtungen (Fließwasser, Bäder) sowie Telephonanlagen und Garten werden nicht fehlen. Für all die anderen obengenannten Zwecke wird das Pfarrheim Raum bieten. Ist auch ein wenigstens kleiner Spielplatz möglich, so kann dies nur von Vorteil sein. '“ “

Bot das Vereinshaus der einen oder anderen Vereinigung für die Vereinszwecke die Betätigungsmöglichkeit, so ist nunmehr das sporadisch Auftretende in geschlossenster Form im Pfarrheim gegeben und vereinigt. Es mag in älteren Pfarren schwer möglich sein, all das räumlich zusammenzubringen. Mögen Notlösungen notwendig sein, ' oft nur behelfsmäßige Einrichtungen geschaffen werden, so darf dennoch nicht vergessen werden, den Typ der neuzeitlichen Kirchenanlage nicht allein durch das auf der einen Seite angeschlossene Pfarrhaus, sondern auch durch das etwa auf der entgegengesetzten. Seite angebaute Pfarrheim zu ergänzen, alle drei Baulichkeiten zu einem einheitlichen Baukörper zweckmäßig verbunden. So wurde es schon ab und zu versucht. Es wäre Sache der kirchlichen Bauämter, die zweckmäßigsten Formen zu erfragen und herauszustellen und nach diesem Ergebnis möglichst praktische Typen zu schaffen. Die Verschiedenheit zwischen Stadt und Kleinstadt bis hin zum Dorfheim ergibt sich von selbst. Man wird nicht zu groß bauen und dadurch die Erhaltung der Bauten erschweren, aber auch nicht zu klein, weil dies die Erfüllung der Aufgaben behindern würde. Wo große Säle im Gemeindegebiet vorhanden und erreichbar sind, wird man sich beispielsweise wohl hüten, daneben einen kostspieligen eigenen Festsaal zu setzen, der dann nicht entsprechend ausgewertet und benützt werden könnte.

Eine weiträumige Gesamtplanung ist bei Neuschöpfungen unbedingt notwendig. Darauf wird dann der wachsende Bau erstehen: zuerst die notwendigsten Räume, dann die nützlichen und zum Schluß, was es noch an Wünschenswertem gibt, immer die Frage im Auge behaltend, was geldlich unter allen Umständen tragbar ist. Ob auch eine Verbindung mit einer katholischen Schule möglich ist, wird die Gelegenheit ergeben. Ebenso die Erstellung eines eigenen Pfarrkinos und anderes.

Versuche verschiedener Art wurden in den letzten Jahrzehnten reichlich gemacht. Sie waren nicht immer wohl gelungen. Entweder wurde die Raumgestaltung des Pfarrheims zu sehr in das Pfarrhaus hineingeschachtelt und dadurch ging die dem Pfarrhaus unbedingt notwendige Sammlung verloren, oder das Pfarrheim wurde in eine Art Unterkirche verlegt und beide, Kirche und Heim, mußten einander behindern und konnten sich nicht entfalten. Auch ist es nicht von Gutem, wenn alle drei Baukörper zu sehr auseinandergerückt sind.

Wenn seinerzeit reichbebilderte Werke über Vereinsheim, Hospize und Ledigenheime, Dorfheim und Gemeindehaus erschienen waren, so würde es sich heute sicherlich verlohnen, die gemachten Versuche — Kirche, Pfarrhaus und Pfarrheim zu einer schönen geschlossenen Baueinheit zu verbinden —, die dabei sich ergebenden Erfahrungen zu sammeln und bei Neubauten zu verwerten. Man könnte noch ein übriges tun und zweckmäßige, künstlerisch geformte Idealentwürfe von ersten Architekten erstellen lassen, um sie dann bei gegebener Möglichkeit in Anpassung an Landschaft und Umgebung in feiner Form erstehen zu lassen.

Sollte sich derzeit auch das Bauen nach diesen notwendigen Anforderungen als sehr schwer erweisen, so sind dennoch die Vorbereitungen zu treffen, um bei gegebener günstiger Möglichkeit auf den Plan zu treten und, das große Gesamtbild im Auge, wenigstens stückweise Teillösungen durchzuführen.

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