Mit den üblichen Eröffnungsfeierlichkeiten begann am Sonntag, dem 3. September, die 88. Wiener Internationale Messe, die bis Sonntag, den 15. September 1968, geöffnet bleibt. Trotz der Ost-West-Krise der letzten Wochen hat die Wiener Messe auch im heurigen Jahr wieder ein starkes internationales Angebot zu verzeichnen. Insgesamt 2345 Firmen aus 32 Staaten sind als Aussteller vertreten. Dazu kommen offizielle nationale Ausstellungen aus Algerien, Brasilien, der Bundesrepublik Deutschland, Kamerun, Finnland, Großbritannien, Hongkong, Israel, Italien, Neuseeland und Südafrika. Aber auch die Comecon-Staaten und zahlreiche Oststaaten, die an der CSSR-Krise direkt oder indirekt beteiligt sind, ließen Sich nicht abhalten, inre offizielle Ausstellung auf dem Wiener Messegelände zu zeigen. So sind neben der Sowjetunion Bulgarien, die Deutsche Demokratische Republik, Polen und Ungarn ebenso vertraten wie die erst vor wenigen Wochen besetzte Tschechoslowakei. Auch Rumänien und Jugoslawien — in den letzten Wochen in anderem Zusammenhang viel zitiert — zeigen eine ansehnliche Schau ihrer Wirtschaftsprodukt'onen.
Aus den österreichischen Ländern kommt das Hauptkontingent der Aussteller aus Wien mit insgesamt 2095 Ausstellern. Von den Bundesländern ist Niederösterreich mit 192 und Oberösterreich mit 167 Firmen am stärksten vertreten. Aus Salzburg kommen 76 Aussteller, aus der Steiermark 68, aus Tirol 57, aus Vorarlberg 23 und aus dem Burgenland und aus Kärnten je 13.
Modernes Gesicht
Bei der diesjährigen Wiener Herbstmesse hat das Messegelände im Prater durch die Errichtung der neuen Halle 7 ein verändertes, modernes Gesicht erhalten. In den nächsten Jahren soll das Rotundengelände, wie man bei der Eröffnung der Messe erfahren konnte, mit Investitionen in der Höhe von 65 Millionen Schilling weiter ausgebaut werden, um dem dringenden Wunsch der Aussteller nach neuen Ausstellungsflächen und der stürmischen Entwicklung einzelner Ausstellergruppen Rechnung tragen zu können.
Die neue Halle 7, im Gesamtausmaß rund 14.000 Quadratmeter, bietet zweigeschossig mit einer Längserstreckung von 171 Meter und 43 Meter Breite und rund 12 Meter Höhe der Elektroindustrie eine neue günstige Ausstellungsfläche.
Größte Messe des EFTA-Raumes
Die Wiener Internationale Messe ist nach wie vor die größte derartige Veranstaltung im Bereich der EFTA. Entsprechend dieser Bedeutung sind auch die EFTA-Staaten vollzählig vertreten. Großbritannien hat als einziges EFTA-Land sogar eine Kollektivausstellung auf der Wiener Herbstmesse in der Halle 23, in der von Maschinenbau über Heizungsgeräte, Kunststoffprodukten, Automaten, Wohnungseinrichtungsgegenständen, Fertighäusern, Radios und Fernsehgeräten alles bis zum Haushalts- und Sportgerät zu sehen ist. Die übrigen EFTA-Staaten sind durch Einzelfirmen vertreten.
Besondere Beachtung verdient auch im heurigen Jahr wieder die Kollektivausstellung aus Finnland, die besonders durch die Formschönheit der Möbel und die Farbenwahl der Heimtextilien besticht. Ein großes Angebot hat die finnische Kollektivausstellung auch an in Österreich immer beliebter werdenden Heimsaunas und Saunaeinrichtungen. Die „Finnair“ hat für Interessenten einen eigenen Rei-seinformationsdienst auf dem Wiener Messegelände.
Lammfleisch aus Neuseeland
Die Bedeutung für Österreichs Außenhan- delskontakte der Wiener Messe gehe aus der Tatsache hervor, daß neben afrikanischen und südamerikanischen Ausstellern auch die Australier mit einem eigenen Ausstellerkontingent nach Wien gekommen sind. Neuseeland ist auf der Wiener Messe im heurigen Jahr durch eine eigene Kollektivausstellung in der Halle der Nationen vertreten, die vor allem landwirtschaftlichen Produkten, wie Honig, frisches Obst, Obstkonserven, Bier, den Vorrang gibt. Ferner sind Spielwaren, Heimtextilien, Maschinen und Sportartikel vertreten. Zum erstenmal stellt jedoch der Verband der neuseeländischen Fleischverarbeiter bei der Wiener Herbstmesse aus. Lammfleisch aus Neuseeland, auf acht elektrischen Grillern zubereitet, wird dem Publikum als Kostprobe überreicht. Neuseeland ist mit seinen nur 2,7 Millionen Einwohnern der größte Fleischexporteur der Welt auf Grund seiner 60 Millionen Schafe.
Von den übrigen außereuropäischen Kollektivausstellungen widmet Algerien seine Ausstellung dem Kunstgewerbe, während Brasilien naturgemäß mit Kaffee vertreten ist. Hongkong bietet billige Spielwaren, Beklei- dungs- und Elektrogeräte sowie Bijouteriewaren an. Israels Kollektivausstellung reicht von Maschinen über Haushaltsgeräte, Pelze bis zu Nahrungs- und Genußmitte . Auch Südafrika 1st im heurigen Jahr auf der Wiener Messe wieder mit einer reichen Auswahl von Lebensmittelkonserven, Halbedelsteinen und Textilien vertreten. Das Hauptgewicht der Kollektivausstellung dieses Landes liegt jedoch bei der Werbung für Orangen und Persianerfellen.
CSSR-Ausstellung mit starkem Besuch
Von den COMECON-Staaten hat jedoch die Kollektivausstellung der CSSR den stärksten Besuch zu verzeichnen. Aus unserem nördlichen Nachbarland konnte trotz der politischen Schwierigkeiten, die sich auch wirtschaftlich ausgewirkt hatten, ein großes Angebot vorgelegt werden. Neben Lebensmitteln, Musikinstrumenten, Textilien und Lederwaren sowie Erzeugungen der tschechischen Papierindustrie erfreuen sich vor allem die Bleikristall- und Glaswaren bei den Besuchern größter Beliebtheit. Auch eine Fremdenverkehrsabteilung der CSSR wirbt trotz derzeitiger Schwierigkeiten für Touristen mit Prospekt- und Bildmaterial.
Von den übrigen COMECON-Staaten reicht auch bei Bulgarien das Angebot von Obst und Nahrungsmitteln bis zu Maschinen. Nach wie vor ist übrigens auch bei den Oststaaten eine starke Überbetonung der Industriemaschinen gegenüber den Gebrauchswaren festzustellen. Das gilt für die DDR, für Polen (das auch stark für Nahrungsmittel und Fischereiprodukte warb), für Rumänien — wobei hier das Schwergewicht der Ausstellung auch auf kunstgewerbliche Artikel, Stilmöbel usw. gerichtet ist — und für die Kollektivausstellung der Sowjetunion im ehemaligen UdSSR-Pavillon. Ungarn wirbt dagegen .'n verstärktem Maße mit Teppichen, Möbeln und keramischen Waren sowie Nahrungs- und Genußmitteln. Maschinen werden in der ungarischen Ausstellung nicht gezeigt.
Neben zahlreichen Einzelflrmen ist die Bundesrepublik Deutschland mit einer Kollektivausstellung für Nahrungs- und Genußmitteln, Getränke, Textilien und Möbeln in Wien vertreten. Dazu hat das Bundesministerium für Ernährung und Forstwirtschaft eine eigene Sonderschau nach Wien gebracht. Die Bundesländer Schleswig-Holstein, Hamburg und Saarland sind mit eigenen Sonderschauen in Wien vertreten.
Modeneuheiten in Wien
In sehr starkem Ausmaß sind im heurigen Herbst wieder Modeneuheiten auf der Wiener Messe zu finden. Das Angebot auf diesem Sektor reicht von den modischen Accessoires, wie Schals, Halstücher, Schirme und Krawatten, Lederwaren und Schmuck bis zu einer großen Schau von Pelzmodellen aus aller Herren Länder.
Bei den Damenstrümpfen wird auf der Wiener Messe die neue Europafarbe „Roma“ propagiert, aber Wollstrumpfhosen und Halbstrümpfe aus reiner Wolle sind ebenso zu finden.
Die Pelzmode ist länger geworden. Langhaarige Felle finden wieder mehr Verwendung als in den letzten Jahren. Bedruckte Kunsthaarmäntel mit langhaarigen Verbrämungen sind Dernier cri der Mode. Dazu kommt aus dem Pelzsalon ein überaus großes Angebot an Lederbekleidung, die in Österreich erst im heurigen Jahr so richtig Eingang gefunden hat.
Vor allem auf dem Sportmodesektor zeigt Österreich auf der Wiener Herbstmesse seine führende Position und hat hier zweifellos trotz wachsender ausländischer Konkurrenz dank des nach wie vor spezifischen „Austria Look“ große Exportchancen in die übrigen europäischen Staaten und in die USA.
Im Spielwarensalon der Wiener Messe zeigt sich ein erfreulicher Trend zu wieder einfacherem Spielzeug, obwohl technisch perfekte Autorennspiele, Computers für Kinder und alle Stücke spielende Modelleisenbahnen ebenso zu finden sind.
Ein großer Exportartikel ist für Österreich das Kunstgewerbe. Hier wird neben stilechtem Trachtenschmuck in Altsilber auch ein wesentlich starkes Angebot an Farbglaswaren mit typisch österreichischem Charakter gezeigt. Ein attraktiver Teil des Angebotes ist auch alpenländischen Holzgegenständen gewidmet.
Immer stärker wird die Nachfrage nach Bodenbelägen. So sind auch im heurigen Jahr eine große Halle und viele Aussteliungskojen den Textilbodenibelägen gewidmet. „Der Teppichboden setzt sich als Ersatz für den herkömmlichen Parkettboden und für Plastikböden in den österreichischen Wohnungen immer mehr durch“, versicherte man uns beim Besuch der Messe.
Leistungen für morgen i
Der Pavillon der Wiener Handelskammer zeigt eine Ausstellung des Wirtschaftsförderungsinstitutes: „Leistung für morgen.“ Neben einer Repräsentativschau über die zahlreichen Kurse des Wirtschaftsförderungsinstitutes werden in einem eigenen Kinoraum Filme über die Wirtschaftsförderungsmaßnahmen vorgeführt.
Auch die Bauwirtschaft und Bauindustrie ist wieder entsprechend vertreten. Von modernsten Großbaumaschinen reicht das Angebot über Baumaterialien bis zu Fertigteilen und Holzfertighäusern. Keine wesentlichen Veränderungen der bestehenden Modelle gab es bei den technischen Haushaltsmaschinen und Haushaltsgeräten. Dasselbe gilt übrigens auch für Kühlschränke und Heizungskörper.
Im Zeichen des modernen Farbfernsehens
Die Radio-, Fernseh- und Plattenspielausstellung im Messegelände im Wiener Prater steht ganz im Zeichen des modernen Farbfernsehens. Daneben wurde bei den Femseh- apparaten großes Gewicht auf Verbesserung des Klanges und der Klangechtheit gelegt. Automatische Synchroneinrichtungen sorgen auch in relativ ungünstigen Empfangslagen dafür, daß der Bildstand ruhig bleibt. Hi-Fi- Anlagen mit noch konzertgetreuerer Wiedergabefähigkeit sollen den Plattenfreund erfreuen.
Die Wiener Herbstmesse steht ganz im Zeichen der wiederansteigenden Konjunkturentwicklung in Österreich und in den westeuropäischen Ländern. Da der österreichische Handel und die österreichische Wirtschaft in weiten Branchen stark exportabhängig sind, wurden auch im heurigen Jahr wieder Sprechtage der Auslandsvertreter der Wiener Messe sowie der Handelsdelegierten der Bundeskammer angesetzt.
Das große Angebot aus 70 Staaten bietet jedoch zweifellos für die österreichischen Erzeuger und Händler internationale Vergleichsmöglichkeiten, so daß auf diese Weise die österreichische Produktion, dort wo sie hinter der ausländischen Konkurrenz nachhinkt, wertvolle Anregung erhält.
In diesem Zusammenhang ist interessant, daß der Erfinderpavillon im Messepalast zur Gänze ausländische Erfindungen, hauptsächlich aus der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich und der Schweiz zeigt. Dies mag ein kleines Beispiel sein, daß man in Österreich mehr in Forschung und Entwicklung investieren wird müssen.
Die starke Beteiligung der Oststaaten auch an der heurigen Wiener Messe beweist, daß unser Land trotz der derzeitigen West-Ost- Krise und des wiederentflammteh kalten Krieges große Chancen hat, zu einer intensiven Kontaktstelle zwischen den COMECON- Staaten und der EWG und der EFTA zu werden. In diesem Zusammenhang mag der Ausspruch eines deutschen Großindustriellen, dessen Firma bei der Wiener Messe vertreten ist, interessant sein: „Unser Weg in den Osten führt über Wien.“