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Mittelstandfinanzierung nötiger denn je!

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Die Notwendigkeit, die Konkurrenzfähigkeit der heimischen Wirtschaft gegenüber einem immer härter werdenden internationalen Wettbewerb zu sichern, hat in den letzten Jahren zu verstärkten Bemühungen geführt, die wirtschaftliche und soziale Struktur unseres Landes zu erforschen und die hieraus gewonnenen Erkenntnisse mit den Forderungen in Einklang zu bringen, die vor allem die ständig fortschreitende Entwicklung der Technik in allen ihren Bereichen stellt. Die Probleme des Mittelstandes nehmen hier eine zentrale Stellung ein, ist Österreich doch auf Grund seiner Betriebsgrößenordnung als mittelständisch strukturiertes Land zu bezeichnen, in dem die kleinen und mittleren gewerblichen Betriebe bei weitem überwiegen. Die Ergebnisse der letzten Betriebszählung zeigen, daß von insgesamt 214.000 niohtlamdWirtsOhaftldchen Betrieben 79,3 Prozent nur bis zu 5 Beschäftigte und 98,7 Prozent weniger als 100 Beschäftigte aufzuweisen hatten. Diese Betriebe haben sich jedoch in den letzten 10 Jahren als maßgeblicher Träger des Wirtschaftswachstums erwiesen und durch ihre Erfolge die weitverbreitete Ansicht widerlegt, daß in der modernen Industriegesellschaft nur die Konzentration in Großbetrieben wirtschaftlichen Erfolg bringen kann. Neben den größeren Mittelbetrieben (250 bis 500 Beschäftigte), die von 1958 bis 1968 einen Zuwachs der Beschäftigtenzahl um 22.6 Prozent zu verzeichnen hatten, ist es bereits die Gruppe der kleinen Mittelbetriebe (50 bis 250 Beschäftigte), deren Personalstand mit 6,6 Prozent die zweithöchste Zuwachsrate erreichen konnte. Besonders auffallend ist das Vordringen der Mittelbetriebe im Investitionsgüterbereich, in dem die Fähigkeit dieser Betriebe für die Spezialisierung auf hochwertige und technisch fortschrittliche Finalprodukte sowie für Einzelanfertigungen besonders günstige Erfolge zeitigen konnte.

Die in der Bundessektion Gewerbe zusammengeschlossenen Betriebe, die in besonderer Weise den oben genannten Erfordernissen der Spezialisierung und technisch fortschrittlichen Finalisierung ihrer Produktion oder spezifischen Leistungen im Dienstleistungsbereich Rechnung tragen, konnten 1968 mit 63 Milliarden einen Anteil von 21,9 Prozent vom Bruttonationalprodukt beitragen, womit sie nach wie vor an zweiter Stelle nach der Industrie in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung stehen; bedenkt man, daß auch der industrielle Bereich stark miititelständdsch strukturiert ist, so erhöht sich dieser Beitrag zum Bruttonationalprodukt noch beachtlich. Der Gewerbeexport stieg in den letzten 5 Jahren schneller an als die gesamtösterreichische Ausfuhr, er belief sich 1968 auf 4,5 Milliarden od r 10 Prozent des Gesamtexportes.

Anpassungsfähiger Mittelstand

Diese beachtenswerte Leistung zeugt bereits von einer maßgeblichen Fähigkeit des mittelständischen Unternehmers, sich den Erfordernissen der modernen Wirtschaftsentwicklung anzupassen. Die Diskussion um die bewußte Konservierung überholter Formen, um Er- haltungssufbventionen oder die Aufrichtung von Wettbewerbshindernissen für die mittel- ständische gewerbliche Wirtschaft erscheint damit bereits überholt und von den Grundsätzen wirtschaftlichen Denkens abgelöst, wobei die seinerzeit im industriellen Bereich entwickelten Methoden von Planung, Organisation und Betriebsführung nunmehr auch im mittelständischen Wirtschaftsbereich Fuß fassen. Heute gilt es, den mittelständischen Unternehmen die Möglichkeiten der technischen Entwicklung weiterhin zu erschließen und die Erhöhung ihrer Produktivität durch Einführung zeitgemäßer Managementmethoden, durch die Ausschöpfung aller Talent- und Leistungsreserven, duirch die Einführung modernster Methoden der Werbung und Absatzpolitik und insbesondere auch durch Intensivierung der betrieblichen Forschung zu fördern. Diese Aufgaben werden zum Teil durch erhöhte zwischenbetriebliche Kooperation,

wie etwa beim Ausbau gemeinschaftlicher Einrichtungen auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung oder im Schulungsund Forschungswesen, zum anderen Teil jedoch nach wie vor überwiegend durch Investitionen von seiten der mittelständischen Unternehmungen erfüllt werden müssen. Die Finanzierung dieses Investitionsbedarfes stellt nach wie vor ein Kardinalproblem für die Sicherung und den weiteren Ausbau des für die heimische Wirtschaft so grundlegend wichtigen mittelständischen Wirtschaftspotentials dar. Zwischen den Polen der Eigen- und der Fremdfinanzierung neigt der traditdonsgebun- dene mittelständische Unternehmer nach wie vor mehr zur Eigenfinanzierung, für die ihm jedoch mangels ausreichender Eigenkapital- bildung zumeist enge Grenzen gesetzt sind. Für die Stärkung der Eigenmittelbasis des kleinen und mittleren gewerblichen Unternehmens werden daher weitere Schritte zu unternehmen sein, die über die in den seiner- zeitigen Wachstumsgesetzen enthaltenen Ansätze hinausgehen sollten. Die Verringerung des überhöhten Steuerdruckes, besonders bei den Steuern vom Einkommen, Ertrag und Vermögen, erscheint für die Klein- und Mittelbetriebe nach wie vor wesentlich, ebenso die Vereinfachung des Abgabenrechtes. Aus den Wachstumsgesetzen müßten die Bestimmungen für die Bildung einer Investitionsrücklage oder die Begünstigung eines nicht- entnommenen Gewinnes noch erstreckt und erweitert werden, um zusammen mit Erleichterungen in der Wahl der Abschreibungsmethoden und einer Senkung der Behaltefrist bei den stillen Rücklagen für Ersatzbeschaffungen die Investitionsfinanzierung des mittelständischen Unternehmers von der steuerlichen Seite her zu erleichtern.

Untemehmerschulung vonnöten

Die Unmöglichkeit für den kleinen und mittleren Betrieb, sich zur Stärkung seiner Eigenkapitalbasis des Kapitalmarktes zu bedienen, führt neben der bisher unbefriedigenden Entwicklung der Eigenmittel zu dem Vorherrschen der Fremdflnanzierung im kleinen und mittleren Gewerbebetrieb. Hier gilt es zunächst, durch Schulung und Information dem Unternehmer in noch stärkerem Maße als bisher von der Bevorzugung des angeblich leichter scheinenden Weges der Finanzierung über den Lieferantenkredit zur bewußten Gestaltung eines Finanzierungsplanes zu gewinnen, für dessen Durchführung in den letzten Jahren bereits eine Palette von Möglichkeiten erstellt wurde.

Sammelpunkt all dieser Finanzierungsmöglichkeiten und zentraler Berater in den Finanzierungsfragen soll für jeden Unternehmer sein Bankinstitut sein, das gerade im mittelständischen Bereich nach wie vor seine Mittel überwiegend aus den Spareinlagenaufkommen bezieht, das nach den Erkenntnissen einer modernen Kreditwirtschaft bereits genügend Möglichkeiten für eine ausreichende Fristentransformation, auch für die längerfristigen Investitionsbedürfnisse, bietet. Hier schließt sich der mittelständische Kreis, worin dem mittelständischen Unternehmer die freiberuflich und unselbständig Erwerbstätigen, als ebenso mittelständisch gesinnt, zur Seite treten, da sie in ihrer Vermögensverwaltung ebenso die Grundsätze des wirtschaftlichen Verantwortungsbewußtseins, der Sparsamkeit, der Rationalisierungs- und im gewissen Maße auch der Risikobereitschaft tragen und vor allem durch ihre Spartätigkeit nicht nur für sich Vermögen bilden, sondern auch zur Vermöglensbildung der gewerblichen Wirtschaft im Kreditwege beitragen.

Bürgschaftseinrichtungen

Die Palette der Kreditmöglichkeiten für die Investitionsfinanzierung der mittelständischen gewerblichen Wirtschaft basiert auf dem Bankkredit. Im Sinne einer möglichst flexiblen Handhabung der Besicherungsmöglichkeiten und des Überganges von der seiner- zeitigen statischen zu einer zunehmend dyna-mischen Besicherungsmethode wurden die verschiedenen Bürgschaftseinrichtungen für die gewerbliche Wirtschaft entwickelt. Neben der wertvollen Tätigkeit der Bürgschaftsfonds Ges. m. b. H. zur Förderung von Klein-Inve- stitionskrediten bis zu S 200.000.—, die in der Zeit von 1955 bis 1968 insgesamt ein Kreditvolumen von 2,9 Milliarden verbürgen konnte, bestehen nunmehr im zunehmenden Maße die Kreditgarantiegemeinschaften in den verschiedenen Bundesländern, die in Zusammenarbeit zwischen den Landeskammern der gewerblichen Wirtschaft, den Landesregierungen und den Bankinstituten Investitionskredite bis zu einer Größenordnung von 1 Million bis zu 1)4 Millionen besichem helfen, An der Spitze dieser Besicherumgshilfen steht nunmehr der Kntwicklungs- und Er- neuierungsfomds, mit dessen Hilfe Investitionskredite an industrielle und gewerbliche Produktions- oder Forscfaungsunterniehmungen und an Fremdenverkehrsbetriebe besichert werden sollen, für die keine banküblichen Besicherungsmöglichkeiten vorliegen, wobei jedoch die Untergrenze für derartige Finanzierungen auf dem gewerblichen Sektor mit 2.5 Millionen, auf dem Fremdenverkehrssektor mit 1 Million, sehr hoch erscheint. Schließlich ist in diesem Zusammenhang das erst kürzlich beschlossene Gewerbestrukturverbesserungsgesetz 1969 zu erwähnen, das für Förderungsmaßnahmen zur Strukturverbesserung kleiner oder mittlerer Unternehmungen der gewerblichen Wirtschaft durch die Erleichterung der Finanzierung von Marktan- passungs- und Rationailisierungsmaßnahmen Kreditkosten- oder sonstige Zuschüsse vorsieht, zu deren Deckung alljährlich Mittel in der Höhe von 3 Prozent des Aufkommens an der Bundesgewerbesteuer reserviert werden. Eine wertvolle Hilfe für den Investitionskreditbedarf der mittelständischen Wirtschaft stellen schließlich die ERP-Mittelkredite dar, die, als einzige nicht aus den Mitteln des Bankapparates gespeist, der Wirtschaft zusätzliches, längerfristiges und preiswertes Fremdkapital zuführen.

Aufgabe der Volksbanken

Die österreichische Volksbanketigruppe steht seit eh und je im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen um die Finanzierung der mittel- ständischen gewerblichen Wirtschaft. Schon bei ihrer Gründung vor über 100 Jaihren stand die Selbsthilfe kleiner und mittlerer Betriebe Pate und auch heute stellen die Kredite an diese Arten von Unternehmungen den höchsten Anteil der Ausleihungen, so Ende 1968 mit 60 Prozent der Gesamtausleihungen in Höhe von 8,75 Milliarden; auch die Eihzelkre- dithöhe entspricht mit S 67.000.— dieser Konzentration auf die Bedürfnisse der kleinen und mittleren Betriebe, ebenso wie die nach wie vor mit über 30 Prozent äußerst starke Beteiligung der Volksbankengruppe an den Bürgeskrediten. Grundlage für diese starke Verflechtung mit den mittelständischen Interessen ist die genossenschaftliche Struktur der Volksbanken, die, auf über 200 Plätze dn ganz Österreich verteilt, Ende 1968 467.000 Mitglieder zu betreuen hatten, für die im Vorstand und Aufsichtsrat der Genossenschaften 2170 verantwortliche Funktionäre tätig waren, die nahezu zur Gänze den mittelständischen Kreisen in Gewerbe, Landwirtschaft, freien Berufen und auch den unselbständig Erwerbstätigen entstammen und für die ständige Erfassung und Erfüllung der spezifischen Wünsche des Mittelstandes Sorge tragen. Es ist ein vordringliches Interesse der Volksbanken, Gewerbe- und Handelsbanken und sonstigen gewerblichen Kreditgenossenschaften, an führender Stelle weiterhin an dem großen Ziel mitzuarbeiten; die Tugenden des mittelständischen Unternehmers, die sich in seiner Risikobereitschaft, in seinem Anpassungsvermögen, in seinem hohen handwerklichen Können und seinem Gestaltungsvermögen repräsentieren, mit den Erfordernissen einer modernen Wirtschaft hinsichtlich technologischer Entwicklung, betrieblicher Forschung und moderner Managementmethoden in der Be- triebsbeobachtung ebenso wie in Werbung und Absatzpolitik vereinigen. Im Rahmen der gewerblichen Kreditgenossenschaften wird getrachtet, die notwendigen Konzentrationsmaßnahmen tunlichst durch zwischenbetriebliche Kooperation zu ersetzen und damit einen wertvollen Beitrag zur Erhaltung des Mittelstandes als fundamentalen Faktor der heimischen Wirtschaft und zur Verbesserung seiner Struktur zu leisten.

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