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Zu wenige Unternehmer?

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„Was in Europa Mangelware ist, sind, nicht die tüchtigen Forscher, sondern die tüchtigen Unternehmer“ (Horst Knapp, „Finanznachrichten“, vorn, 9. 2. 1968). „Die heute vieldiskutierte wirtschaftliche Überlegenheit der Vereinigten Staaten im Vergleich zum europäischen Kontinent liegt vor allem auch in der Entscheidungsfreudigkeit.“ (G. Theuer in „Wirtschaftspolitische Blätter“, Wien, 1 2 1968, S. 38).

Bei Erklärung des relativen Rückstandes unserer Produktivität wird dieser vor allem mit Kapitalmangel, unzureichender beruflicher Ausbildung der österreichischen Arbeitskräfte und mit der Lücke („gap“) zwischen dem Stand des technischen Fortschritts in Österreich und im Westen erklärt.

Anlagereifes Vermögen (potentielles Kapital) scheint jedoch keinesfalls so wenig im Land zu sein, wie man vermutet. Zumindest haben jüngst die Sparkassen auf den beachtlichen Kapitalexport der Österreicher bei Erwerb von Zertifikaten ausländischer Investmentsfonds hingewiesen.

Die Mindestreserven bei der Notenbank sind beachtlich, an Einlagekapital bei den Geldinstituten fehlt es nicht. Die monetären Deckungsfonds sind außerordentlich hoch: Der Schilling gehört zu den bestgedeckten Währungen der Welt. Es fehlt weniger an Kapital als an geeigneten Projekten für seine Verwendung.

Das berufliche Wissen der österreichischen Arbeitnehmer ist so gut, daß das Ausland aus Österreich immer wieder Ingenieurwissen und nicht, wie aus anderen Ländern, lediglich physische Arbeitskraft importiert.

Wenn unseren Arbeitnehmern einzelne Kenntnisse fehlen, hat dieser Sachverhalt kein derartiges Gewicht, daß dadurch ein wesentlicher Einfluß auf die Höhe unseres Sozialprodukts ausgeübt werden könnte.

Was den technischen Fortschritt anbelangt, macht seine im Zuwachs des Sozialproduktes ausgewiesene Marktleistung nur einen Bruchteil jener Leistung aus, die vom Marketing, von der schöpferischen Produktion effektiver Nachfrage, stammen.

Dagegen wird zuwenig, und wenn, dann nur pamphletisch-demagogisch davon gesprochen, daß es uns an einer ausreichend großen Zahl von Unternehmern (im Sinne etwa amerikanischer Vorstellungen) fehlt, die notwendig sind, damit Kapital, technische Bildung und neue technischmaschinelle Verfahren bestens koordiniert und kommerzialisiert werden.

Dabei soll als Unternehmer nicht der brave Verwalter oder der tra- ditionalistisch orientierte Patriarch verstanden werden, sondern der Erfinder in des Wortes weitester Bedeutung, nicht allein der Erfinder technischer Verfahren und Instrumente, sondern auch neuer Kombinationen, bis zur attraktiven Verpackung und Preisdifferenzierung.

Führung — eine echte Leistung

Jede ökonomische Leistung ist das Ergebnis eines kombinatorischen Einsatzes mehrerer Faktoren, vor allem der Elementarfaktoren von Kapital und arbeitnehmerischer Leistung sowie des dispositiven Faktors des Unternehmers.

Wer zünftlerisch-kleingewerblich und daher in Vorstellung des Einmannbetriebes (plus einem Lehrling) denkt, kann sich nicht vorstellen,

daß die unternehmerische Leistung als solche, also die Leistung des Führens, des optimalen Kombinie- rens und Einsetzens von Kapital und Arbeit im Sinn der Betriebsziele, eine echte Leistung darstellt.

Wenn man vom Kleinbetrieb ab sieht, ist die Funktion des Unternehmers unabdingbar: Es gibt aus der Natur der Sache, aus der Natur des modernen Wirtschafts- und im besonderen des Betriebsprozesses heraus, keine Unternehmer!ose Wirtschaft. Es sei denn, man verschreibt sich der anarchisch-naiven Vorstellung des Syndikalismus oder verwechselt gar den Eigentümer mit dem Unternehmer, was manche orthodoxen Marxisten im 19. Jahrhundert getan haben.

Unternehmer ist man jedoch nicht allein durch Positionszuweisung; Unternehmer sein ist kein Tätigsein lediglich nach Erfahrungsregeln, sondern ein Beruf geworden. Sogar ein erlernbarer Beruf.

Wenn man an Österreich denkt, kann man das Adjektiv nicht deuten. Wo wird unterrichtet, wie man unternehmerische Tätigkeit überhaupt und optimal ausübt und beispielsweise bestimmten Entscheidungssituationen begegnet? Sieht man von einer einzigen Einrichtung der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft in Hernstein ab (eines „Senior Management Program“), gibt es in Österreich keinerlei systematische Untemehmerausbildung. Keine Hochschule unseres Landes erzieht für das Management. Während es in den USA und in Frankreich Hochschuleinrichtungen gibt, in denen bereits Graduierte systematisch für eine spätere Tätigkeit in einem Management herangebildet werden, haben Graduierte unseres Landes zuweilen die Chance, irgendeinen „Internationalen Kurs“ zu besuchen, von dem sie dann bestenfalls Erinnerungen und Sprach- kenntnisse nach Hause bringen — und reichlich genährte Hoffnungen auf eine „Spitzenposition“.

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