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Marktfreiheit und Marktorganisation

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Daß freie Marktwirtschaft und das Wettbewerbsprinzip die Voraussetzungen für einen optimalen Wirtsdiaftserfolg bilden, ist durch die Erfahrung erwiesen. Beeinträchtigungen der Marktfreiheit treten bekanntlich nicht nur in Form von autoritären Lenkungs-, Bewirtschaftungsund Preisregelungen auf, sondern auch als wirtschaftsautonome Marktregelungen in Erscheinung; am plastischesten in Form von Industriekartellen. Autoritäre Marktregelungen mögen in Kriegs- und Nachkriegszeiten mit ihren Warenengpässen als Ausnahmsbestimmungen berechtigt sein; ebenso autonome Marktorganisationen, wenn es sich darum handelt, in Depressionszeiten dem Untergang von Betrieben Einhalt zu tun und damit auch Arbeitsplätze zu erhalten. Nach amerikanischer Auffassung sind alle diese Marktregelungen Hindernisse für das Ansteigen der Produktion und der Produktivität; wie ein roter Faden zieht sich diese Grundauffassung durch eine Mitte April dieses Jahres unter dem Titel „Konkurrenzbeschränkungen in der österreichischen Volkswirtschaft“ erschienene Monographie, die von H. Johnstone, einem Sekretär der Wirtschaftsabteilung des amerikanischen Hochkommissars, herausgegeben wurde. Unter den von Johnstone angeführten Formen der Konkurrenzbeschränkungen fehlen auch nicht die Verstaatlichung und die Politik der Arbeiterkammer und des Gewerkschaftsbundes. Als primäre Abhilfe wird eine Beeinflussung der öffentlichen Meinung zugunsten der Konkurrenzverschärfung empfohlen. Versuche, die genannte Veröffentlichung einseitig parteipolitisch auszuschroten, scheiterten schon daran, daß Johnstone ausdrücklich darauf hinweist, daß es unter anderem das Machtstreben des Gewerkschaftsbundes gewesen sei, welches zur Ausschaltung der Konkurrenz in der gewerblichen Wirtschaft ausschlaggebend beigetragen habe. Auch ist nicht zu übersehen, daß oft gerade verstaatlichte Betriebe besonders eifrige Mitglieder von Kartellen sind; daß schließlich durch einen Ministerialerlaß die verstaatlichten Betriebe verpflichtet wurden, ihren Bedarf in erster Linie bei anderen verstaatlichten Betrieben zu decken, wodurch die Konkurrenz der Privatwirtschaft von vornherein ausgeschaltet ist.

Für eine durchgreifende Wertung der nationalökonomischen Auswirkungen der Kartellbildung von heute in Österreich fehlen viele Voraussetzungen; vor allem statistische Unterlagen, wie schon gelegentlich der Vorberatung des österreichischen Kartellgesetzes vom 4. Juli 1951 festzustellen war. Die letzte österreichische Statistik, die auch von Johnstone übernommen wurde, stammt aus dem Jahre 1939. Damals betrug die Gesamtzahl der Kartelle 203, wie folgt auf die Wirtschaftsgruppen verteilt: Eisenschaffende Industrie 5, Metallindustrie 1, Gießereiindustrie 4, Maschinenbau 1, Fahrzeuge 1, Elektroindustrie 19, Eisen- und Metallwaren 43, Steine und Erden 11, Glas 2, Keramik 1, Chemie 73, Papier und Zellstoff 15, Druck und Papierverarbeitung 2, Textil 20, Bekleidung 1, Lebensmittel 4.

Der heutige Stand der industriellen Durchkartellierung Österreichs mag vielleicht etwas höher sein, als vor 13 Jahren, doch ist die Schätzung eines Bestandes von 500 Kartellen sicherlich übertrieben. Uber Umfang und Struktur der Kartelle wird auf Grund der seit einigen Monaten angelaufenen Handhabung des Kartellgesetzes erst etwa in einem Jahre eine Übersicht möglich sein. Daher sind die in der oben erwähnten Monographie Johnstones enthaltenen inoffiziellen und hier mit allem Vorbehalt wiedergegebenen Daten über die Kartellierungs- und Monopolbildungsverhältnisse in den einzelnen Industriezweigen von einigem Interesse.

Beginnen wir mit den Baumaterialien; wir finden zunächst das seit 1901 bestehende Zementkartell mit Ausstoß-, Absatz- und Preisregelungen; die Leitung liegt bei der Perlmooser Zementindustrie AG, die sieben von dreizehn Zementwerken kontrolliert. Eine ArtUnter- kartell besteht für den Dachdeckungsbedarf in Form von Preisbindungen zwischen den hier in Betracht kommenden beiden Firmen (Eternit und Durit). — Bei der Ziegelproduktion ist die Konkurrenz im Hinblick auf die hohen Frachtkosten lokal begrenzt; dementsprechend finden wir seit 1900 ein Wiener Ziegelkartell (Wienerberger, Ziag und eine kleinere Firma unter öffentlicher Verwaltung); im Umkreis von Graz sind seit 1936 elf Ziegelwerke in den Steirischen Ziegelwerken Ges. m. b. H. organisiert. Schließlich besteht noch ein Vorarlberger Ziegel- kjrtell. In der Kalk- und in der Gipserzeugung bestehen Verkaufskartelle.

In der Glasproduktion nahm bei Fenster- und Flachglas die Erste Österreichische Masdiinenindustrie in Brunn a. G. bis 1947 eine faktische Monopolstellung ein. Der Betrieb untersteht heute der USIA. 1947 wurde in Salzburg die Mitterberger Glashütten Ges. m. b. H. gegründet, um jene Monopolstellung zu brechen. Das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau hatte allerdings damals schwere Bedenken wegen Schaffung von Uberkapazitäteri für die Zeit nach Abflauen der Kriegsschadenkonjunktur geäußert. Seit 1951 besteht zwischen den beiden genannten Firmen ein Absatz- und Preiskartell. — Bei der Erzeugung von Flaschenglas besteht ein Preiskartell zwischen der Firma A. Koebitz, der Grazer Glasfabrik und der Stölzle Glasindustrie AG. Bei Hohlglas bestehen kartellartige Vereinbarungen mit internationalen Ausweitungen. Bei der Herstellung von Glühbirnen sind die beiden Firmen, nämlich Moosbrunner Glasfabrik AG und Wiener Glashütten AG, unter USIA-Verwaltung vereinigt.

Für die Erzeugungsbetriebe von Röhren und Kacheln aus Ton funktioniert seit 1907 die Tonwaren Ges. m. b. H- als Verkaufsbüro. — In der Magnesitgewinnung wurde 1951 für die Amerikanischösterreichische Magnesit Ges. (Veitsch), für die Alpenminen AG und für die Alpenländische Bergbau AG ein gemeinsames Verkaufsbüro errichtet; 1946 kam es zu einer Absatzrayonierung, die auch auf tschechoslowakische Konzerne ausgedehnt ist. — Bei der Graphiterzeugung sind die drei führenden Werke kartelliert, ebenso bei der Talkumgewinnung blühend über den Trümmern der Welt.

Leitgebs Prosabücher haben alle wie seine Gedichte viel Bekenntnishaftes, Nachdenkliches und Lyrisches.

„Kinderlegende“ ist die Geschichte eines Hirtenknaben in der Umwelt des 17. Jahrhunderts, der wegen seiner kindlich-naiven Tierfreundschaft als Zauberer der Inquisition verfällt und schuldlos dem Tod überantwortet wird. Der Roman „Christian und Brigitte“ ist das Leben eines Junglehrers, eines Heimkehrers, zugleich sein Schicksalsjahr, in dem er Heimat, Beruf und Liebe entflieht, Unrast und Elend der Fremde erlebt und wieder zurückfindet zur Geliebten und zu seinem Kind und erkennt, „daß er nach einem Gesetz gehandelt habe, das ihm bis heute verborgen geblieben“. Der Roman ist im tieferen Sinn ein Bekenntnisbuch, wie die Chronik einer Kindheit, „Das unversehrte Jahr“, Leitgebs Kinderjahre spiegelt, die hier im Prisma der Erinnerung auf- wachen, ein besinnliches und lyrisches Buch aus dem Innsbruck vor 1914.

Leitgeb läßt seine Kindererlebnisse, die geheimnisvollen Begegnungen der Kinderseele mit der sich mählich weitenden Umwelt vom Erwachen des Bewußtseins bis zum vierzehnten Lebensjahr vorüberziehen. Trotzdem nennt er den Zeitraum „Jahr“, weil „Ereignisse der frühen Kindheit in einem einzelnen Monat spielen, aber in keinem bestimmten Jahr“ und ‘so die Jahre ineinanderwadisen zu einem geschlossenen Reigen von Frühling zu Frühling. Und alle diese Geschehnisse und Begegnungen sind nicht nur Realität, auch Sinnbild einer Jugend, und darüber hinaus das Bild der Kindheit einer ganzen InnsbruckerGeneration, die am Stadtrand aufwuchs, noch nahe der Natur.

Es ist ein Buch, das beglückt und an Geheimnisse des Lebens rührt und die eigene Kindheit beschwört, in Bildern, die nur dem Dichter gelingen und deren magische Sprache nicht mehr losläßt.

Hellhörig und hellsichtig ist dieses Buch wie die scheinbare Kleinmalerei in „Blumen, BäumenundMusik“. Mit den Augen des Dichters, der dem Kinde am nächsten kommt, sieht Leitgeb „uralte Weisheit am Werk“. Die Blumen sind voll heimlichen Zaubers; die weißen, die der Welt des Feuditen entstammen, die gelben dem Feuer und der Sonne zugehörig, die roten dem Blut und der Erde verwandt und die blauen dem Gemüt, der Kühle und der Luft wesenhaft. So haben auch die Bäume ihr eigenes Leben, die Lärche ist adelig, die Linde „eine dichterische Beschwörung“, das Rauschen dürrer Eichenblätter zeigt „alle Verlassenheit des Lebens“, Fluß und Wald werden zu „Stimmen der Zeit“. Musik öffnet ein unendliches Reich.

Leitgeb starb in der Karwoche, in deren dunklen und tiefen Zeremonien ihm schon in seiner religiös behüteten Kindheit „die Majestät des Todes mächtig vor Augen trat“. Dieser Eindruck blieb lebendig, als der Glaube der Kindheit später dem Erwachsenen durch „andere Sinnbilder des Lebens und Sterbens“ zeitweilig überschattet wurde. Lebendig blieb dem Dichter aber auch die Auferstehungsfeier, von deren Glocken und Orgelbrausen er sagte: „Da schauerte es kalt und heiß über den Rücken, so gewaltig erschien der Triumph des Lebens über den Tod.“

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