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Sozialistische Sparkassen ?

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J Über die Beherrschung des Kreditapparates läßt sich eine stabile soziale Marktwdrtschaft noch am leichtesten demolieren und auf ihren Trümmern eine sozialistische Wirtschaftsordnung errichten. Dieses in weiten Bereichen der Sozialistischen Partei noch immer geltende Postulat stand hinter den Bemühungen der Bundesregierung, den Präsidenten der Nationaltoank, Dr. Wolfgang Schmitz, abzuberufen, einen eher willfährigen Mann einzusetzen, um so das Vertrauen in den Schilling noch weiter zu strapazieren; neuerdings aber steht dieses Postulat auch hinter dem Bestreben der Regierungspartei, die bisher unabhängigen Vereinssparkassen (die Erste österreichische Spar-Casse und die Allgemeine Sparkasse Linz etwa) an die parteipolitische Kandare zu nehmen.

Geschehen soll dies mit dem Instrument eines neuen Sparkassengesetzes, dessen Entwurf das Finanzministerium noch im März zur Begutachtung aussenden will, dem man nur eine kurze Begutachtung einräumen möchte, um auf diese Weise einen sehr entscheidenden Eingriff in die soziale Marktwirtschaft möglichst zu verschleiern. So soll zufolge sozialistischer Vorstellungen der politische Einfluß der Gemeinden auf die Geschäftsführung der Vereinssparkassen durch gesetzlich festgelegte Quoten von Gemeindevertretern in den Verwaltungsräten bewirkt werden. Ferner sollen die Vereinssparkassen verpflichtet werden, 40 Prozent der von ihnen vergebenen Kredite für kommunale Investitionen zur Verfügung zu stellen und schließlich soll noch die Frage des Wirkungsbereiches von Sparkassen in der Weise geregelt werden, daß dann die Zentralsparkasse der Gemeinde Wien etwa im Tiroler Städtchen Imst eine Zweigstelle errichten könnte.

Die Forderungen nach parteipolitischen Einfluß auf die Vereinssparkassen wurde bisher weder rechtlich noch wirtschaftlich, sondern allein machtpalitisch motiviert. Immerhin wären mit einem verstärkten Einfluß der Regierungspartei auf die (noch!) unabhängigen Vereinssparkassen verbunden:

• eine noch stärkere Kontrolle über die Wirtschaft durch eine größere Einflußnahme auf die Kreditvergabe;

• eine Gefährdung des Bankgeheimnisses, was insbesondere im Hinblick auf die Anonymität von Spareinlagen bei den Sparern eine Vertrauenskrise auslösen könnte; • die Gefahr der zentralen Wirtschaftslenkung mit allen dabei verbundenen Problemen;

• eine Beunruhigung in der Kreditwirtschaft und ein nachteiliger Einfluß auf die Entwicklung des Geld-und Kapitalmarktes in Österreich.

„Einwandfreie Geschäftsführung“ Bislang ist die Unabhängigkeit der Vereinssparkassen und damit das Vertrauen der Sparer in den Sparkassensektor gegeben: bei den Vereinssparkassen bestimmen einzig und allein Personen, die in ihren Entscheidungen unabhängig sind, die Richtlinien der Geschäftspalitik. Die frei gewählte Geschäftsführung der unabhängigen Vereinssparkassen ist zugleich Spiegelbild der lokalen wirtschaftlichen und sozialen Struktur, wodurch Gewähr für eine sachliche, bedarfsnahe und kaufmännisch einwandfreie Geschäftsführung durch Fachleute gegeben ist. Dabei wird von den unabhängigen Vereinssparkassen die Vermögensbildung für alle und die Kreditvergabe an alle (ohne Rücksichtnahme auf Parteizugehörigkeit) groß geschrieben. So verwalten die unabhängigen Vereinssparkassen gemessen an den Gesamteinlagen den größten Teil der Spareinlagen; so stehen die unabhängigen Vereinssparkassen bei der Kreditvergabe allen offen: dem Privatmann, der einen Konsumentenkredit braucht; dem Unternehmer, der einen Investitionskredit braucht; der Genossenschaft, die einen Wohnbaukredit braucht und der Gemeinde, die einen Partner zur Finanzierung öffentlicher Vorhaben braucht.

Warum also die unabhängigen Vereinssparkassen und in weiterer Folge die zweitgrößte Bank Österreichs, die Girozentrale, unter parteipolitischen Einfluß bringen? Darauf weiß selbst die „Arbeiter-Zeitung“ keine Antwort, schrieb sie doch am 21. Mai 1972 wörtlich: „Ein Viertel der Sparkassen sind Vereinssparkassen, aber auch bei ihnen repräsentieren die Mitglieder des Verwaltungsausschusses die' in der Gemeinde vorhandenen verschiedenen Bevölkerungsgruppen.“ Immerhin deckten die unabhängigen Vereinssparkassen Ende 1971 rund 33 Prozent der von den Gemeinden von allen Sparkassen beanspruchten Finanzierungsleistungen; immerhin stammen rund 40 Prozent aller von den Sparkassen gewährten Kredite an Wohnungs- und Siedlungsvereinigungen von den unabhängigen Vereinssparkassen.

Warum also wirklich? Darauf gibt es eine Reihe von Antworten. Einmal wird ein starker Druck radikaler linker Kräfte auf Finanzminister Hannes Androsch vermutet, doch endlich mehr Courage beim Aufbau einer sozialistischen Wirtschaftsordnung in Österreich zu zeigen. Ferner soll es auch darum gehen, die Anonymität von Spareinlagen zu durchlöchern. Schließlich aber soll — Gerüchten zufolge — Finanzminister Androsch einen Vorvertrag mit der Zentralsparkasse in der Tasche haben, in dem er als Generaldirektor genannt wird, was ein sehr persönliches Interesse des Finanzministers an einem Gesetz gegen die unabhängigen Vereinssparkassen erklären würde. Ein Argument aber wiegt gegenüber diesen Spekulationen am schwersten: der Finanzminister will nur einen Luftballon starten, um die Belastungsfähigkeit der sozialen Marktwirtschaft gegenüber sozialistischem Einfluß zu testen. Dann aber wäre die gesamte freie Wirtschaft und die beiden Oppositionsparteien im Parlament verpflichtet, hier einmal ein deutliches Nein zu setzen. Mit der sozialen Marktwirtschaft in Österreich wird schon genug gespielt. An Belastungsproben dieser Art könnte sie scheitern!

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