Zeit für eine „Bilanzpolizei“
Sind Aufsichtsräte und Bilanzprüfer für die Katz? Fast hat es nach den Fällen Wirecard und Commerzialbank Mattersburg den Anschein. Wie sich Abschlussprüfungen bei Banken und börsennotierten Unternehmen ändern müssen. Ein Gastkommentar.
Sind Aufsichtsräte und Bilanzprüfer für die Katz? Fast hat es nach den Fällen Wirecard und Commerzialbank Mattersburg den Anschein. Wie sich Abschlussprüfungen bei Banken und börsennotierten Unternehmen ändern müssen. Ein Gastkommentar.
Auf eine halbe Milliarde Euro wird derzeit der Schaden geschätzt, den der massive Bilanzbetrug bei der Commerzialbank Mattersburg verursacht hat – ein enormer Betrag im Verhältnis zur Größe dieser Bank. Die Einlagensicherung, die von allen anderen Banken – mit Ausnahme der über ein eigenes Sicherungssystem verfügenden Sparkassen – finanziert wird, hat zügig agiert und bisher bereits 414 Millionen Euro an mehr als 10.000 „kleine Sparer“ ausbezahlt, deren Guthaben bis zu 100.000 Euro ausmachten. Damit sind aber auf einen Schlag nicht weniger als zwei Drittel der über Jahre angesammelten Mittel verbraucht.
Wie viel davon aus der Verwertung von Vermögens- und Forderungsbeständen sowie von Schadensersatzansprüchen gegenüber den Prüfern und Aufsichtsbehörden abgedeckt werden kann, ist noch völlig offen. Man fühlt sich unwillkürlich an ein branchenbekanntes Bonmot erinnert: „Wo- rin besteht der Unterschied zwischen einer Hundehütte und einem Aufsichtsrat? Die Hundehütte ist für den Hund, der Aufsichtsrat für die Katz.“ Auf die Prüfung des Jahresabschlusses so mancher Bank scheint dieser schlechte Scherz fast wirklich zuzutreffen.
„Kooperation“ reicht nicht
Eine notwendige Konsequenz der aktuellen Bilanzskandale müsste sein, dass man die Abschlussprüfer nicht mehr allein auf die Kooperation des Geprüften angewiesen sein lässt, sondern ihnen deutlich erweiterte Prüfmöglichkeiten einräumt. Auch die Polizei könnte wohl nur wenige Einbrüche aufklären, wäre sie dabei immer auf die Kooperationsbereitschaft der Einbrecher angewiesen. Warum akzeptieren wir dann diese groteske Ausgangslage beim Abschlussprüfer? Die bisherigen Reformvorschläge gehen jedoch an diesem Grundsatzproblem vorbei. Wenn etwa in Zukunft das Unternehmen nicht mehr selbst seine Prüfer aussuchen kann: Wer sagt dann, dass ein mittels Los oder durch eine Behörde bestellter Abschlussprüfer nicht trotzdem auf eine Bilanzfälschung hereinfallen sollte?
Auch ein mitunter gefordertes fixes Honorar könnte nicht sicherstellen, dass ein Prüfer eine gefälschte Saldenbestätigung zuverlässig als Fälschung erkennt. Dass vorsätzlich falsche Auskünfte an den Abschlussprüfer strafbar sind, hat jedenfalls noch keinen einzigen Wirtschaftskriminellen von einer Bilanzfälschung abgehalten. Die gängige Praxis der Abschluss prüfung stützt sich auf die Auskünfte des geprüften Unternehmens. Dieses Kooperationsmodell ist eine gute Basis, um irrtümliche Fehler im Jahresabschluss ausfindig zu machen – aber reichlich unbrauchbar, wenn es um die Aufdeckung gezielter Bilanzfälschungen geht.
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