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Sozialversicherung in der Krise

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Sozialversicherung und Soziale Sicherung. Von Otto Schobesberger. Verlag O. Schobesberger, Braunau am Inn. Printo-Metallblattvervielfältigung. 161 Seiten, brosch. Preis 36 S.

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Sozialversicherung und Soziale Sicherung. Von Otto Schobesberger. Verlag O. Schobesberger, Braunau am Inn. Printo-Metallblattvervielfältigung. 161 Seiten, brosch. Preis 36 S.

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Der Gedanke der Sozialversicherung ist unverkennbar von einer elementaren Krise bedroht. Es ist eine Krise des Vertrauens in die sozialreformatorische Wirksamkeit der Institution. Die Verteidiger der Institution sind in erster Linie nicht die „Begünstigten", die Zwangsversicherten, sondern die durch Anstellung oder durch Diätenhoffnung Verpflichteten. Auf der anderen Seite stehen ebenfalls die Interessenten, die Aerzte und die Unternehmer. Angriff und Gegenangriff erfolgen daher in Befangenheit. Dazu kommt die unleidige Verpolitisierung des Sozialversicherungswesens. Die Chance, ein bestimmtes Medikament oder einen Heilaufenthalt zu bekommen, hängt auch mit politischer Beziehung zusammen. Man sehe sich etwa nur an, wer auch in die Erholungsheime kommen kann.

Eine Reform der Institution ist unvermeidbar. Aber die Sozialversicherung selbst muß unangetastet bleiben, das sei festgestellt.

Die vorliegende Schrift, die einen Juristen zum Verfasser hat, ist geeignet, zur Klärung des Sachverhaltes beizutragen. Der Autor untersucht die soziale Ausgangslage und bietet dann einen aus-gezeichneten kurzen Abriß der Versicherungs-theorie, soweit sie für den Gegenstand von Belang ist. Dabei wird stets auf das Ganze der Gesell-I schäft Bedacht genommen und jede isolierende Be- I trachtung vermieden.

Der Verfasser sieht die Problematik der Zwangsversicherung in mehrfacher Weise, insbesondere in der Tatsache, daß die Leistung des Versicherungsnehmers in keinem sagen wir buchungstechnischen Zusammenhang mit der ihm oft nur gnadenweise gebotenen Gegenleistung steht. Zudem schafft die Organisation der Sozialversicherung wir sind hier an die Institution der mittelalterlichen Caritas erinnert Anreize zum Vera Sicherungsbetrug, etwa zur mutwilligen Herbeiführung einer Arbeitslosigkeit. Das ist evident. Alle anständigen Menschen in diesem Land sprechen es offen aus. Lediglich aus Gründen der Politik auch ein Sozialparasit hat eine Stimme wird es vermieden, diesem Uebelstand wirksam zu Leibe zu gehen. Der Apparat ist totalitär. Vielleicht muß es so sein; dann wäre es richtig, das einzugestehen und nicht das üble Schlagwort von der „Demokratisierung" des Apparates stets im Munde zu führen. Der Verfasser will nun einen durchaus beachtenswerten Beitrag zur Ueberwin- dung der Vertrauenskrise auf dem Sektor der Sozialversicherung leisten. So schlägt er u. a. vor:

1. Unter Beibehaltung des Zwanges zur Leistung der Versicherungsprämien geschieht die Einzahlung über den Unternehmer wie bisher auf ein Bankkonto, dessen Guthaben dem Versicherten .gehört.

Die Entnahmen erfolgen bei Bedarf durch Scheck.

5. Die Kosten beschränken sich auf die Kosten der Gestion des Kontos.

4. Die Zinsen werden rum Teil zur Dotierung eines Fonds verwendet, aus welchem jenen Versicherten Darlehen gewährt werden, die ihr Konto überzogen haben.

Es geht dem Autor also um einen weitgehenden Ersatz des Prinzips der Gemeinw ohlgerechtigkeit durch die Verkehrsgerechtigkeit. Leistung und Gegenleistung werden geradezu kommerziell abgestimmt.

Die vom Verfasser aufgeworfene Problematik ist derart umfangreich, daß es im Rahmen einer Rezension nicht möglich ist, Stellung zu nehmen. Grundsätzlich wäre zu klären: 1. Die Frage der Wertsicherung der eingezahlten Prämien; 2. die Art der Deckung des Zusatzbedarfes, den Famalienväter etwa durch die mehrfache Inanspruchnahme der Arzthilfe haben. Wie kann 3- ein durch Jahre. Arbeitsloser, wenn er sein Konto erheblich überzogen hat, seinen Saldo jemals abdecken usw.

Hoffentlich geht man über die Schrift nicht in quasi-demokratischer l eberheblichkext hinweg. Die vorgebrachten Gedanken wären wert, eingehend diskutiert zu werden.

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