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D-Mark und Schilling unter Zinsendruck

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Der Zinstrend auf dem Geldmarkt zeigt weiterhin nach oben. Die Kosten der deutschen Wiedervereinigung zwingen die D-Mark - und damit den Schilling - weiterhin zu einem hohen Zinskurs.

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Der Zinstrend auf dem Geldmarkt zeigt weiterhin nach oben. Die Kosten der deutschen Wiedervereinigung zwingen die D-Mark - und damit den Schilling - weiterhin zu einem hohen Zinskurs.

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Die Entwicklung der Zinssätze in Österreich wird grosso modo von der deutschen Entwicklung vorgegeben. Allerdings ist seit Februar 1990 die Zinsdifferenz auf dem Rentenmarkt, die bis dahin positiv war, mit kurzen Unterbrechungen stets negativ. Im wesentlichen ist dies auf den hohen deutschen Kapitalbedarf im Zusammenhang mit dem Einigungsprozeß Deutschlands zurückzuführen. Aber auch die Angebotsenge auf dem heimischen Rentenmarkt hat dazu beigetragen. Die Emissionstätigkeit kann mit der stark expandierenden Nachfrage vor allem nicht-institutioneller Anleger nach Anleihen nicht Schritt halten. Diese Konstellation erlaubt es, Emissionen zu relativ knappen Konditionen auf dem Markt unterzubringen.

Eine vollständige Entkopplung von der deutschen Entwicklung ist angesichts der engen Verflechtung mit der Bundesrepublik auch weiterhin nicht zu erwarten. Der Zinstrend wird nach wie vor von Deutschland vorgegeben werden, die Renditen dürften aber weiterhin unter den entsprechenden

DM-Werten liegen. Der bereits in den letzten Wochen zu beobachtende Aufwärtstrend der deutschen Anleihezinsen dürfte sich in den nächsten Monaten verstärkt fortsetzen. Der Finanzbedarf zur Umstrukturierung Ostdeutschlands wird eher noch zunehmen, während der Überschuß der Leistungsbilanz Deutschlands heuer rasant sinken wird. Das heißt, aus der inländischen Spartätigkeit stehen weniger Mittel zur Finanzierung der Investitionen zur Verfügung; man wird verstärkt auf ausländische Finanzierungsquellen zurückgreifen müssen. Gleichzeitig hat sich jedoch die Attraktivität von DM-Investments wechselkursbedingt, aber auch durch die geänderte politische Einschätzung verringert.

Nicht nur aufgrund der Entwicklung von Angebot und Nachfrage zeigt somit der Zinstrend nach oben. Deutschland wird auch internationalen Investoren eine höhere Risikoprämie bieten müssen. Bis Herbst dürfte die Umlaufrendite öffentlicher Anleihen daher wieder auf neun Prozent ansteigen, erst danach dürften konjunkturelle Entspannung Spielraum nach unten - um etwa einen halben Prozent-Punkt - bis zum Frühjahr kommenden Jahres eröffnen. Die öster-

reichischen Sätze dürften um etwa 0,2 Prozent-Punkte darunter liegen.

Der negative Abstand zu DM-Zinsen macht Schilling-Papiere jedoch für ausländische Investoren relativ unattraktiv. Überdies fließt derzeit viel Kapital in Form von Direktinvestitionen ins Ausland ab, unter dem Gesichtspunkt der längst überfälligen Internationalisierung durchaus zu begrüßen.

Kurzfristige Kapitalimporte

In der langfristigen Kapitalbilanz waren allerdings 1990 unter anderem deshalb Nettoabflüsse von 24 Milliarden Schilling zu registrieren, die nur teilweise durch den Leistungsbilanzüberschuß gedeckt waren. Nicht zuletzt dank des wiedervereinigungsbedingten Importsogs Deutschlands erhöhte sich der Leistungsbilanzüberschuß 1990 auf 9,4 Milliarden Schilling, das war der höchste Wert seit acht Jahren. Wenn auch die Leistungsbilanz weiterhin aktiv sein dürfte, so sind dennoch kurzfristige Kapitalimporte zur Aufrechterhaltung der fixen Schilling-DM-Parität erforderlich. Diese können jedoch nur sichergestellt werden, wenn die Schilling-Zinsen höher sind als die analogen DM-Sätze. Auf dem Geldmarkt fol-

gen die Zinsen der deutschen Entwicklung daher mit einem positiven Aufschlag. Der geldpolitische Kurs der Deutschen Bundesbank dürfte weiterhin restriktiv bleiben. Allein schon die schwache Verfassung der Währung erlaubt derzeit keine Lok-kerung. auch wenn anderswo die Zinsen weiter sinken.

Auch die jüngsten Lohnabschlüsse hält die Bundesbank für zu hoch und damit zumindest tendenziell für infla-iionstreibend. Erst bei einer spürbaren Stärkung der Mark und/oder weiteren konjunkturellen Abkühlung kann eine leichte Entspannung erwartet werden. Damit ist auch in Österreich ein anhaltend hohes Zinsniveau zu erwarten.

Die letzte Etappe der Kapitalverkehrsliberalisierung am 4. November

1991 könnte gewisse Abflüsse mit sich bringen und temporär einen höheren Zinsabstand zum deutschen Geldmarkt erforderlich machen. Im Herbst ist daher ein Drei-Monatssatz von neun Prozent und bis Frühjahr

1992 nur ein geringfügiger Rückgang um vielleicht 20 Basispunkte zu erwarten.

Der Autor ist Mitarbeiter der Abteilung Unter nehmenspolitik und Volkswirtschaft der Girozentrale.

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