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„Einbeinige Restriktionen“
Fünf Minuten vor zwölf verfügte die Nationalbank per 1. April eine Senkung der von den Kreditinstituten bei ihr „zwangsweise“ gehaltenen Mindestreserven um ein Prozent, wodurch rund 2,5 Milliarden Schilling frei wurden, die eine Entlastung des Geldmarktes^ bringen sollen. Ohne diese Maßnähme, lo urteilt man in Kreisen der Kreditwirtschaft, wäre die Restriktion zweifelsohne überdreht worden. Immerhin ist durch die „einbeinige“ konjunkturelle Restriktionspolitik des Finanzministers der österreichische Kapitalmarkt in seiner Funktionsfähigkeit bereits derart eingeengt, daß eine noch stärkere Zinseskalation auf der Spar- ebenso wie auf der Kreditseite zu befürchten ist. Bekanntlich trieben Ende des Vorjahres einschneidende liquiditätspolitische Maßnahmen, verbunden mit einem Run auf Konsurrikredite und einer sehr zurückhaltenden Sparneigung, die Kreditkosten um jedenfalls 1 Prozent in die Höhe. Teils war es die seit Beginn dieses Jahres besonders ausgeprägt feststellbare Umschichtung der Spareinlagen auf höher verzinsliche Werte, teils der doch recht zwiespältige „Erfolg“ der Sparförderungsmaßnah-men, die dazu führten, daß die Kreditkostenkurve weiterhin ansteigt. Walter Flöttl, Generaldirektor der mächtigen Gewerkschaftsbank
BAWAG, riet damals der Regierung in einer offiziellen Aussendung, doch im Interesse einer wirksamen Stabilitätspolitik den Ausbau der Infrastruktur zu bremsen, womit er dem Finanzminister, der immer wieder für ein überproportionales Wachstum des öffentlichen Bereichs (der Abbau der sogenannten „öffentlichen Armut“ zu Lasten des „priva-
ten Reichtums“) eintritt, ganz offensichtlich in die Quere kam.
Finanzminister Dr. Androsch und Bundeskanzler Dr. Kreisky wiederholten auf der „ökonomischen Kor ferenz der Sozialistischen Partei“ die Forderung nach „Abbau des privaten Relchtmims“, .bequemten sich aber gleichzeitig in Verhandlungen mit Vertretern der Sozialpartner dazu, eine Lockerung der Kreditbremse zu versprechen. Nun, da dieses Versprechen jedenfalls teilweise eingehalten wurde — man hatte in Kreisen der Kreditwirtschaft angesichts der zunehmenden Schwierigkeiten auf dem Kapitalmarkt mit einer größeren Senkung der Mindestreservesätze gerechnet — scheint man in Kreisen der Regierung zwar weiterhin nicht bereit, von der Expansionspolitik im öffentlichen Bereich zu lassen, doch will man sich dabei auf einen funktionierenden Kapitalmarkt stützen. Generaldirektor Dr. Ockermüller von der mehrheitlich sozialistischen Länderbank meinte in diesem Zusammenhang in einer doch recht deutlichen Anspielung auf die „einbeinige“ (also allein monetäre) Restriktionspolitik des Finanzministers, daß ein funktionsfähiger Kapitalmarkt ja auch im Interesse der Regierung gelegen sei.
Äußerst unbefriedigend verlief in den ersten drei Monaten dieses Jahres der Absatz neu emittierter Anleihen, so daß, nach einer überraschend einberufenen und sehr kurzen Absprache zwischen der Notenbank, dem Finanzminister und den Vertretern der Kreditwirtschaft, eine Anleihenemissionspause für diesen Monat verfügt wurde. Solche Maßnahmen sind, ganz unabhängig von der akuten Notwendigkeit, sie zu
treffen, in den letzten Jahren nicht mehr registriert worden.
Bekanntlich wirft das novellierte Prämienkontensparen in einer Bindungsdauer von nur vier Jahren eine jährliche Rendite von rund 10 Prozent, das gleichfalls novellierte Bausparen ift einer Zeitspanne von sechs Jahren eine jährliche Durchschnittsrendite von gar 17 Prozent ab. Solche hohe staatliche Sparbegünstigungen widerspiegeln nicht nur die Bereitschaft einer Regierung, das private Sparen zu fördern, sondern eine Deroutierung des Geldanlagemarktes als Folge außergewöhnlich hoher Inflationsraten und einer gleichzeitig sinkenden Sparneigung. Zudem liefern so hohe (staatlich geförderte) Renditen einen Hinweis darauf, daß sich die Regierung mit sehr hohen Inflationsraten für eine längere Zukunft schon abgefunden hat. Würde nämlich die Inflationsrate im Jahresdurchschnitt auf etwa 4 oder 5 Prozent zurückgehen, so wären Renditen von 10 und weit mehr Prozent für mittelfristig gebundenes Geld kaum möglich. Jedenfalls finden auch derzeit und in großem Ausmaß Umschichtungen von täglich fälligen Sparbeträgen auf neue Sparformen statt, ohne daß von einer sichtlichen Zunahme der Wachstumsraten der Spareinlagen etwas zu bemerken wäre. Offensichtlich ist nur der starke Nachfragerückgang bei steuerbegünstigten Anleihen, die bei einer Laufzeit von 15 Jahren bloß 11,5 Prozent Jahresrendite abwerfen. Und dieser Nachfragerückgang wiederum ist die Folge der Schwierigkeiten auf dem Kapitalmarkt, wobei der Finanz-minister und eine zum Spielball parteipolitischer Kräfte gewordene Notenbank gewiß nicht von Schuld freizusprechen sind.
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