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Spargelder - Umschichtung

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Die Sparentwicklung in Österreich verläuft nicht ganz konjunkturkonform, hörte man vor etwa einem halben Jahr aus dem Sparkassensektor. Viel weniger konform verlief die Spareinlagenentwicklung aber mit der allgemeinen Preissteigerung. Als die Inflationsrate im Herbst des vorigen Jahres erstmals über die 6-Prozent-Marke kletterte, gingen die Einlagen auf 3,5 Prozent zwar leicht, aber doch viel weniger als angenommen, zurück. Erst der Weltspartag ließ erkennen, daß auch die Sparer Unbehagen über die Preisentwicklung zeigen. Es gab zwar wieder den programmierten Einlagenrekord, aber,, die Zuwachsrate der Einzahlungen lag deutlich unter jener des Vorjahres.

Wenn man sich auch der Problematik der Beurteilung des Weltspartages gewiß sein muß — viele Leute zahlen am 31. Oktober um eines kleinen Geschenkes willen hohe Summen ein, um sie wenige Tage später wieder abzuheben —, so zeigte sich doch das Alarmzeichen, das Banken und Sparkassen seit langem kommen gesehen hatten, am Horizont. Die Erkenntnis vom steigenden Zinsbewußtsein der Österreicher konnte nur durch eine geringfügige Anhebung der allgemeinen Sparzinsen, des Eckzinsfußes, oder aber durch die Einführung neuer, besser verzinster Sparformen beantwortet werden. Man hat die zweite Form gewählt und scheint damit, zumindest was die erste Jahreshälfte betrifft, Erfolg zu haben. So sind etwa die Spareinlagen bei den österreichischen Sparkassen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um 3,5 Milliarden Schilling gestiegen, eine Steigerung, die um 65 Prozent über der Vorjahresmarke liegt. Dieser enorme Zuwachs ging aber ausschließlich auf das Konto der höher verzinsten Sparformen, wie etwa des Prämiensparens oder des Sparbriefes.

Worauf ist diese plötzliche Sparwut der Österreicher zurückzuführen? In den Sparkassen ist man der Ansicht, daß ein Teil der jetzt eingezahlten Gelder Rückflüsse von zum Jahresende abgehobenen Summen sind. Bekanntlich hatte es in den letzten beiden Monaten des vergangenen Jahres eine bisher noch nicht dagewesene Abhebungswelle gegeben, die damals mit Angstkäufen vor Einführung der Mehrwertsteuer begründet worden war. Ein Teil der Einzahlungen scheint auch nur der Ausgleich für die relativ langsame Steigerung der Spareinlagen im Laufe der letzten Jahre zu sein. Hauptgrund sind aber sicher die neuen, attraktiven Sparformen. Während etwa im Mai die Spareinlagen insgesamt um 4,7 Prozent zugenommen haben, sind allein in diesem Monat die zu 3,5 Prozent verzinsten Einlagen um 4 Prozent zurückgegangen. Auf der anderen Seite haben die auf ein Jahr gesperrten Gelder um 9,5, die auf mehr als drei Jahre gebundenen Gelder um fast 28 und das Prämiensparen um fast 79 Prozent zugenommen. Wertmäßig bedeutet das, daß die Spareinlagen mit der gesetzlichen Kündigungsfrist und einer Verzinsung von 3,5 Prozent von Jänner bis Mai um etwas mehr als eine Milliarde Schilling abgenommen haben, während die bis zu drei Jahren gebundenen Gelder um 280 Millionen, die über drei Jahre gebundenen Konten um rund 1,8 Milliarden und die Prämiensparkonten um 760 Millionen zugenommen haben. Sparbriefe erreichten im Mai bereits 350 Millionen.

Ganz deutlich sieht man die Umschichtung der Spargelder nach, ihrem Ertrag, wenn man die Entwicklung über einen längeren Zeitraum hinweg betrachtet: Jederzeit abhebbare Spareinlagen bildeten noch 1967 77 Prozent aller Einlagen, während die höher verzinsten nur 23 Prozent erreichten. Heuer ist der Anteil der Gelder zu 3,5 Prozent auf 58 Prozent abgesackt, 42 Prozent der Spareinlagen werden zu mehr als der üblichen Verzinsung angelegt.

So erfreulich diese Entwicklung für den zinsbewußten Sparer ist, so unangenehme Nebenerscheinungen hat sie für die Sparkassen auf der Ertragsseite. Denn höhere Zinsen müssen schließlich bezahlt werden. Allein bei den Sparkassen ist der Zinsaufwand im ersten halben Jahr um 300 Millionen auf 2,8 Milliarden Schilling gestiegen. Da durch die Kreditrestriktionen gleichzeitig die Kredite weit unter dem bisherigen Maß zugenommen haben, und damit die Zinseinkünfte der Institute geringer wurden, ist die Ertragsseite der Institute momentan alles andere als rosig. Der Generalsekretär des Sparkassenverbandes, Dr. Sadleder, hat für diesen Herbst bereits eine Erhöhung der Kreditzinsen angekündigt. Die raren Kredite werden also zu allem Überfluß noch teurer.

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