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Zu kompliziert

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Der Sparwille der österreichischen Bevölkerung scheint ungebrochen zu sein. Trotz der anhaltend starken Verbraucherpreisindexsteigerung — bereits den dritten Monat mehr als sechs Prozent — scheint es einer großen Zahl von Österreichern noch zu genügen, für Sparkonten nur dreieinhalb Prozent an Zinsen zu erhalten.

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Der Sparwille der österreichischen Bevölkerung scheint ungebrochen zu sein. Trotz der anhaltend starken Verbraucherpreisindexsteigerung — bereits den dritten Monat mehr als sechs Prozent — scheint es einer großen Zahl von Österreichern noch zu genügen, für Sparkonten nur dreieinhalb Prozent an Zinsen zu erhalten.

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Die Kreditinstitute scheinen zu hoffen, daß die positive Entwicklung am Sparsektor anhalten wird — wie lange, das wird allerdings langsam fraglich. Gegenwärtig zeigt sich jedenfalls noch keine Umkehr in der Anlagepolitik der Sparer. Dennoch gibt es bereits Anzeichen dafür, daß die Sparbuchsparer ihre Situation überdenken: am deutlichsten zeigt das wohl die ungeheure Zunahme der abgesetzten Inlandsanleihen. Im ersten Halbjahr 1972 stieg das Anleihevolumen gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um fast 100 Prozent, eine Steigerung, die nicht nur auf institutionelle Anleihekäufer zurückzuführen ist. Wohl hat der Kauf österreichischer Anleihen durch Ausländer stark zugenommen — Notenbank-Präsident Dr. Schmitz bezifferte ihn mit etwa 2 Milliarden Schilling im ersten Halbjahr —, aber die wachsende Anlagefreudigkeit der einzelnen Staatsbürger ist nicht zu übersehen.

Freilich: gerade Anlagemöglichkeiten, wie etwa das Anleihesparen oder auch Pfandbriefe scheinen nur für einen Teil der Bevölkerung interessant zu sein. Denn nur finanzstärkere Sparer können es sich leisten, ihr Geld längerfristig — über vier Jahre hinaus — zu binden. Sparern mit geringerem Einkommen scheint die Form des Sparbuchsparens, allenfalls des Prämiensparens, nach wie vor die günstigste zu sein. Denn es ist leichter, Geld anzulegen, über das man jederzeit verfügen kann. Doch die Steigerung der Lebenshaltungskosten verhindert einen Wertzuwachs des angelegten Kapitals: Ist es in Zeiten der Hochkonjunktur bisher zumindest möglich gewesen, durch die Zinsen das angelegte Kapital in derselben Kaufkraft zurückzubekommen, wie man es angelegt hat, so ist das bei Preissteigerungen von mehr als 5 Prozent sicher nicht mehr der Fall.

Prämiensparförderungsgesetz

Die in der letzten Woche vom Kreditapparat, der Nationalbank und dem Finanzministerium getroffene Vereinbarung über die Auswirkungen des Stabilisierungsprogramms auf den Geld- und Kreditsektor wird dem Sparer einige Neuigkeiten bringen. Sicher scheint nun bereits zu sein, daß es zu keiner Erhöhung der allgemeinen Sparzinsen kommen wird. „Das würde nur zu einer Erhöhung der Kreditzinsen führen“, meinte der Vizegouverneur der Postsparkasse, Dr. Walter Fremuth, und das würde dem einzelnen keine Verbesserung bringen. Eine Meinung, mit der Fremuth im Kredit-apparät nicht allein dasteht. Dennoch will man den Sparern, die echten Sparwillen zeigen, also bereit sind, ihr Kapital für längere Zeit zu binden, entgegenkommen. Zunächst soll ein „Sparbrief“ eingeführt werden, der mit einer sechsprozentigen Verzinsung und einer Bindung des Kapitals auf fünf Jahre breiten Kreisen der Bevölkerung einen echten Anreiz zum Sparen bieten soll. Will der Sparer sein Kapital vorzeitig beheben, so muß er allerdings mit einem Zinsabschlag rechnen.

Manche Bankleute bezweifeln aber, ob diese neue Sparform neue Sparer bringen können wird, oder aber nur Sparbuchsparer veranlassen wird, ihr Kapital auf die neue Anlagemöglichkeit umzuschichten.

Einen echten Anreiz für Sparwillige könnte aber die Novellierung des Prämiensparförderungsgesetzes bringen. Die entsprechenden Verhandlungen zwischen dem Finanzministerium und dem Kreditapparat einerseits und in der Sektion Geld-und Kreditwirtschaft in der Bundeswirtschaftskammer anderseits, scheinen schon ein recht konkretes Stadium erreicht zu haben. Danach soll bei einer Bindung des Kapitals auf mehr als drei Jahre (in Bankkreisen sprach man zuletzt von vier Jahren), der Sparer 10 Prozent Zinsen erhalten, von denen 4 vom Staat bezahlt werden.

Dennoch geben sich Bankfachleute skeptisch: Sie befürchten, daß diese neuen Sparformen, wie alle „komplizierteren“ Sparformen, nur von Sparern mit einem höheren Informationsgrad in Anspruch genommen werden, die ohnehin schon bisher die Möglichkeiten der Geldanlage optimal ausgenützt haben. Einfache Sparer könnten aber, gezwungen durch den Preisanstieg, auf das Sparen in Zukunft überhaupt verzichten oder aber in weit geringeren Maße als bisher Geld anlegen. Das würde aber die Flucht in den Konsum und damit eine weitere Anheizung des Preisanstieges bedeuten.

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