6809339-1972_25_04.jpg
Digital In Arbeit

Die Inflationsfludit

19451960198020002020

Seit nunmehr zwei Jahren bewegt sich die jährliche Preissteigerungsrate, gemessen am Verbraucherpreisindex, um die 5 Prozent. Seit langem schon warnen die Vertreter der Kreditwirtschaft und Theoretiker der Ökonomie vor einem Kollaps des Sparwillens, der böse Folgen für den Kapitalmarkt, ja für die ganze Volkswirtschaft haben müßte. Bislang freilich wuchs das Sparaufkommen nahezu parallel mit dem Volkseinkommen. Nur einmal in den letzten beiden Inflationsjahren — im März 1972 — wurde ein im langjährigen Vergleich relativ starker Rückgang der Zuwachsrate des Sparaufkommens registriert, der vor allem auf die heftige Diskussion, die im Zusammenhang mit dem Uberschreiten der 6-Prozent-Inflationsgrenze entstand, zurückzuführen war.

19451960198020002020

Seit nunmehr zwei Jahren bewegt sich die jährliche Preissteigerungsrate, gemessen am Verbraucherpreisindex, um die 5 Prozent. Seit langem schon warnen die Vertreter der Kreditwirtschaft und Theoretiker der Ökonomie vor einem Kollaps des Sparwillens, der böse Folgen für den Kapitalmarkt, ja für die ganze Volkswirtschaft haben müßte. Bislang freilich wuchs das Sparaufkommen nahezu parallel mit dem Volkseinkommen. Nur einmal in den letzten beiden Inflationsjahren — im März 1972 — wurde ein im langjährigen Vergleich relativ starker Rückgang der Zuwachsrate des Sparaufkommens registriert, der vor allem auf die heftige Diskussion, die im Zusammenhang mit dem Uberschreiten der 6-Prozent-Inflationsgrenze entstand, zurückzuführen war.

Werbung
Werbung
Werbung

Der Sparer, von der hohen Inflationsrate sicherlich erschreckt, denkt nicht daran, aufs Sparen zu verzichten, wohl aber weicht er auf höher rentierliche. Sparformen aus. Der Anteil der 3,5 Prozent verzinsten Sparbeträge sinkt immer stärker zugunsten längergebundener und besser verzinster Sparbeträge. Allerdings entspricht das vom Staat geförderte Prämienkontensparen mit einer Laufzeit von fünf Jahren und einer jährlichen Rendite von 7,3 Prozent längst nicht mehr den Erfordernissen in einer inflationierenden Wirtschaft. Dies, vor allem, hat das ÖVP-Duo Koren und Mock bewogen, eine Novelle zum Prämiensparförde-rungsgesetz 1962 als Initiativantrag ins Parlament einzubringen, wobei eine Reduktion der Laufzeit auf vier Jahre und eine Verzinsung von elf Prozent, die sich je zur Hälfte die

Kreditunternehmungen und der Staat teilen, vorgesehen ist. Damit wurde sowohl vermögenspolitischen Anliegen als auch Forderungen der Kreditwirtschaft, die in dieser Frage vor allem vom Sparkassenverband beeinflußt WHrde, Rechnung getragen. Die Kreditwirtschaft befürchtete nicht zuletzt, daß das ab dem nächsten Jahr geplante, durchaus attraktive Bausparen mit einer jährlichen Rendite von etwa 15,5 Prozent viele Sparer veranlassen würde, vom Kontensparen auf das Bausparen umzusteigen. Auch Finanzminister Dr. Androsch konnte sich diesem Argument nicht verschließen und zeigte sich endlich bereit, die 'VP-Sparer-Initiative gutzuheißen.

Schließlich aber könnte ein höher rentierliches Prämienkontensparen dazu beitragen, die Diskussion über den Habenzinssatz von 3,5 Prozent für Sparguthaben mit gesetzlicher Kündigungsfrist wieder zu beenden. Die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Argumente hatten stets einen primitiv-ökonomischen Anstrich, der verdecken sollte, daß der Sparzins nicht die Funktion haben kann, die Geldentwertungsrate abzudecken. Der Sparzins muß sich vielmehr an den kreditwirtschaftlichen Möglichkeiten orientieren. Gewiß sieht es auf den ersten Blick verlockend aus, etwa den Sparerzins mit dem Verbraucherpreisindex zu koppeln. Doch die Realität sieht völlig anders aus, wie die kläglich gescheiterten Versuche in Frankreich und auch in Finnland gezeigt haben. Geldwertsicherungsklauseln würden eine Lawine von weiteren indexgebundenen Verträgen ins Rollen bringen. Ein Sparzinsindex würde die Inflation sanktionieren, die Geldentwertung automatisieren.

Freilich, ein noch so günstiges Prämienkontensparen kann nicht dazu dienen, die Regierung ihrer Verantwortung für die Preisstabilität zu entheben. Inflationsraten von fünf Prozent und — nächstes Jahr — mehr sind für den Sparer unzumutbar. Solch hohe Inflationsraten sind ein Betrug am Sparer, der zugleich Staatsbürger ist. Dies muß der Regierung auch dann vorgeworfen werden, wenn in Rechnung gestellt wird, daß das Sparen einem sehr persönlichen Ziel dient und daß es sich, unabhängig vom Zinsertrag, immer „lohnt“: auch der geringste Sparbetrag zielt auf eine Erweiterung des individuellen Freiheitsraumes hin. Das kann in einer Zeit, in der das Thema der Freiheit des Individuums von materiellem und geistigem Zwang besonders intensiv diskutiert wird, nicht hoch genug veranschlagt werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung