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Zinsen-Ralley

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„Wenn heute einer zu mir kommt und 9,5 Prozent verlangt, muß ich ihn in Zeiten wie diesen zuerst einmal fragen: Soll oder Haben?" klagt ein befreundeter Banker. Was soviel heißen soll wie: „Wollen Sie 9,5 Prozent für Ihr Geld (als Anleger) oder wollen Sie Geld (Kredit) für 9,5 Prozent?" und die (etwas überspitzte) Umschreibung dafür ist, daß das enorm gestiegene Zinsenbewußtsein der Kunden (Sparer wie Kreditnehmer) den Banken nicht mehr die notwendige (Zinsen-) Spanne zum komo-den Leben läßt. (Was letztlich auch die Gebührenwelle auslöste.)

Um eben dieses gestiegene Zinsenbewußtsein soll es hier gehen. Ausgelöst wurde es von der sehr breit angelegten Aufklärungsarbeit der Medien und den Kreditinstituten selbst, die nach Jahren eines faktischen Konditionenkartells plötzlich wie wild mit Zinsenvorteilen um Kunden warben.

Was grundsätzlich zu begrüßen ist, hatten wir doch in Geldangelegenheiten einen gewaltigen Nachholbedarf gegenüber westlichen Nachbarländern.

Jetzt freilich orte ich eine gewisse Gefahr, daß die erfreuliche Zuwendung breiterer Bevölkerungsschichten zu den Spielregeln des Geldgeschäftes zu einer bloß sportiven Beschäftigung degeneriert und in eine Art Ausverkaufsstimmung mündet:

Es geht nicht mehr um das Verstehen und den sinnvollen Einsatz des gesamten Instrumentariums der Geldanlage, sondern um das Viertelprozent Zinsen an sich. Das man sich nicht durch den Übergang zu höherwertigen (und daher höher verzinsten) Sparformen, sondern durch möglichst hartnäckiges Feilschen am Bankschalter und das Ausspielen der Kreditinstitute gegeneinander sichern will. Ohne sich über die Kosten-Nutzen-Relation dieses Tuns Rechenschaft zu geben.

Rechnen wir doch einmal nach: Selbst bei einem 100.000 Schilling-Sparbuch bringt ein Vietelprozent mehr Zinsen nach Abzug der KESt (Kapitalertragsteuer) nur 112,50 Schilling netto für ein halbes Jahr (um etwa diesen Zeitraum handelt es sich in der Regel bei Zinsbewegungen), die an sich fällige, in Österreich aber gerne „vernachlässigte" Einkommensteuer noch gar nicht berücksichtigt.

Lohnt sich dafür der Weg von Filiale zu Filiale wirklich, wenn man gleichzeitig beispielsweise, wie das mehr als 90 Prozent der Autofahrer tun, darauf verzichtet, sich eine günstigere Haftpflichtversicherung zu nehmen, obwohl man sich dort locker 1.000 Schilling ersparen kann?

Leider geht es vielfach um die Optik, und der Zinssatz, den man bei „seiner" Bank herausgeholt hat, ist heute etwas zum Renommieren am Stammtisch wie einstens die Fahrzeit Wien - Walserberg.

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