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Wagen im Gebrauchswerttest

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Die Herbstsalons in Paris, London und Turin sind vorüber, sie boten ein buntes Bild und gestatteten einige grundsätzliche Feststellungen. Mit zunehmendem Wohlstand werden die Autos in Europa und in den USA differenzierter und größer, sportliche Typen und die geräumigen Stationswagen finden immer mehr Anhänger, im dritten Schwerpunkt der Autoindustrie der Welt, in Japan, hingegen geht die Tendenz eher zum kleineren Fahrzeug. Die Parallelität zwischen der Alten und der Neuen Welt im Automobilbau geht so weit, daß man sogar von einer Art Wechselwirkung sprechen kann: Manch europäischer Wagen gleicht sich in der Form gewissen amerikanischen Vorbildern an und, umgekehrt, es gibt Amerikaner, die sich in vieler Beziehung europäisiert haben.

Wir hatten in der letzten Zeit Gelegenheit, zwei typische Vertreter dieser beiden Erscheinungen zu testen, den Dodge Dart von Chrysler und den Prinz 1000 L von NSÜ. Ersterer ist einer der Wagen von drüben, der unserem Geschmack entspricht, letzterer hat die überaus gefällige Form des Chevrolet Corvair angenommen, mit dem er auch den luftgekühlten Heckmotor gemeinsam hat, allerdings mit dem Unterschied, daß der Corvair die Boxer-Bauart aufweist, während beim Prinz ein Reihenmotor vorliegt. Beide Fahrzeuge standen uns für je einen kurzen Gebrauchswerttest zur Verfügung, und hier ist das Ergebnis.

Innerhalb der Chrysler-Corporation stellt Dodge die sogenannten intermediate cars her. Das sind die nunmehr eingeführten Zwischenmodelle, welche die Lücke zwischen den früheren eigentlichen Kompakten und den dem amerikanischen Standard entsprechenden großen Fahrzeugen ausfüllen. Eine Zeitlang glaubte man, die von Rambler und Lark begonnene Tendenz des „kleinen Amerikaners” werde den Sieg davontragen, fast ein Drittel der Produktion fiel auf diese Typen, aber der Trend hielt nicht an, die Kompakten wachsen und nähern sich langsam wieder dem, was wir gern als Straßenkreuzer bezeichnen. So steht also der Dart mit seinem Radstand von 282 cm zwischen den früheren compact cars des Chrysler Konzernes und den übrigen längeren Modellen. Seine Gesamtlänge beträgt fast 5 m und ist gegen früher um beinahe 20 cm gewachsen. Die Gesamtbreiten der verschiedenen Modelle dieser Reihe sind jedoch kleiner geworden, die Fahrzeuge erscheinen daher schlanker, gestreckter, eleganter. Mit der Verlängerung der Karosserie ging auch eine Verstärkung der Bodenanlage Hand in Hand, wodurch die Wagen um 20 Prozent widerstandsfähiger gegen etwaige Unfalleinwirkungen wurden.

Der Achtzylinder von 4,5 1 Inhalt, mit dem unser Fahrzeug ausgerüstet war (es gibt auch eine Version mit Sechszylinder von 3,7 1 Inhalt), leistet 180 SAE-PS (147 SAE-PS). Die Bedienungsinstrumente und die Bremswirkung des Wagens entsprechen durchaus dem, was wir von einem kontinentalen Fahrzeug erwarten, die äußeren Formen passen sich, wie erwähnt, ebenfalls unserem Geschmack an, und so kann man vom Dart ohne Übertreibung als von einem „europäischen Amerikaner” sprechen. Auch die allgemeine Konzeption verrät viel Gedankengut hiesiger Konstrukteure, das spürt man im Kurvenverhalten und in der Straßenlage. Wer sie gefahren hat, wird nicht mehr geringschätzig und verallgemeinernd von diesen Fahrzeugen sprechen können. Die Gewichtsverlagerung in den Kurven ist gering, der Aufbau neigt sich kaum, das Fahrverhalten des Dart ist dem eines Europawagens der gehobenen Klasse ebenbürtig. Das Leistungsgewicht bei einem

Leergewicht von 1260 kg ergibt nach SAE knapp 7 kg/PS, und damit ist auch alles bezüglich der hohen Beschleunigung gesagt. Mit diesem Wagen auf Autobahnen zu fahren, macht sehr viel Freude, aber auch im dichten Stadtverkehr kommt dem Lenker die Rasanz zugute.

Die Hinterachse des Wagens ist etwas weniger als die Vorderachse belastet, der Schwerpunkt liegt außerordentlich tief. Die flexible Aufhängung und die — wie bei den meisten Amerikanern — weichere Federung wirken sich in allen Situationen angenehm aus, der Wagen hält gerade die richtige Mitte zwischen einer weichen und einer allzu straffen sportlichen Federung. Das gleiche gilt von der Lenkung: Sie ist zwar stark untersetzt, dabei aber sehr genau. Der Getriebeautomat dieses Fahrzeuges bietet alle Vor schnelles Niederdrücken des Gaspedals des sogenannten Kick-down-Effektes.

Als ganz hervorragend darf man die Bremsen bezeichnen. Weich sprechen sie dem geringsten Pedaldruck an, was auch auf die Bremshilfe zurückzuführen ist, die drüben ganz allgemein verlangt, bei uns hauptsächlich von der Damenwelt geschätzt wird. Vorbildlich ist die Sitzverstellung. Mit einem links an der Sitzbank angebrachten Hebel kann man die Verriegelung aufheben und den Sitz nach individuellen Wünschen in die bequemste Position rücken, wobei er sich beim Verschieben nach vorn automatisch hebt, was eigentlich logisch, aber nicht bei allen Fahrzeugen der Fall ist. Die Betätigung des äußeren Rückspiegels erfolgt von innen. Um ihn richtig einzustellen, besonders während der Fahrt, muß man allerdings über eine gewisse Übung verfügen, ansonsten ist es wohl besser, stehenzubleiben und eine „Feineinstellung” vorzunehmen. Im Anfang haben wir auch einige Male die Vorrichtung zum öffnen der Tür mit der Mechanik des nigkeiten ließen sich noch aufzählen, etwa die Haltebügel der Scheibenwischer, die bei zunehmender Geschwindigkeit stärker angepreßt werden, auch das ist ein bedeutender Sicherheitsfaktor. Windgeräusche sind kaum zu hören, erst ab 120 km aufwärts machen sie sich bemerkbar. Der Preis von 139.500 Schilling erscheint durchaus angemessen, ja niedrig, wenn man die Eleganz des Fahrzeugs, die hervorragende Straßenlage und die ungewöhnliche Geräumigkeit neben der langen Lebensdauer in Betracht zieht.

Der Prinz 1000 L gleicht ebenso wie seine Vorgänger dem Chevrolet, sein Fahrverhalten läßt sich am besten mit „sportlich-straff” umreißen. Diese Eigenschaft wird man sowohl als Mitfahrer, sogar im Fond des Wagens, besonders aber als Lenker am Volant gleich in den ersten Minuten spüren. Das Fahrzeug hat außerdem eine Reihe von Einrichtungen, die man sogar bei Fahrzeugen einer höheren Preis- und Größenklasse vermißt. Ein Arretierungsmechanismus hält z. B. die geöffneten teile der Automatik und nähert sich dabei in seinen Eigenschaften stark dem bei uns gewohnten klassischen Getriebe. Es wird mit fünf Knöpfen bedient. 1 und 2 und D entsprechen den drei Getriebestufen, die neutrale Stellung N dient zum Starten des Wagens, drückt man den Knopf R, dann schaltet sich der Rücklauf ein. Auf ebener Strecke konpnt man mit der Stellung D aus. Im Gebirge wird man mit Vorteil die unteren Stufen verwenden, hier macht sich auch die Getriebesperre zum Abstellen des Wagens auf Steigungen oder Gefällen angenehm bemerkbar. Soll aus dem Wagen die Maximalleistung herausgeholt werden, dann bedient man sich durch

Rückspiegels verwechselt, doch sind solche Dinge eben immer eine Sache der Gewöhnung.

Der Radioempfänger, der serienmäßig eingebaut ist, hat viel Freude bereitet, denn die Wiedergabe ist hervorragend. Das Handschuhfach ist im Vergleich zur sonstigen großzügigen Ausstattung etwas klein ausgefallen. An den kleinen Ruck, den es beim Anfahren zu spüren gibt, gewöhnt man sich sehr rasch, das ist nun einmal bei der Automatik nicht zu vermeiden, dafür hat man die außerordentliche Annehmlichkeit einer ermüdungsfreien Fahrt, selbst bei längeren Reisen, was sich indirekt natürlich auch auf die Verkehrssicherheit auswirkt. Viele Klei

Türen fest, sie belästigen einen beim Ein- und Ausstieg nicht, ein diebsicheres Handrad betätigt die ausstellbaren Drehfenster, an beiden Türen sind Schlösser angebracht, ein großer Vorteil in der Zeit der Parkraumnot. Daß man die Türen leise schließen kann, ist ebenfalls ein wichtiger Faktor. Die Innenleuchte läßt sich so schalten, daß sie immer aufleuchtet, wenn man eine Tür öffnet, auch das findet man sonst meist nur bei teureren Wagen. Unter der Hutablage, hinter der Rücklehne im Fond, ist viel Platz für Gepäck, die Ablage vorn allerdings könnte besser sein. Fährt man bloß zu zweit, mit viel Gepäck, dann kann man zusätzlichen Gepäcksraum schaffen, indem man die Rücklehne nach vorn klappt und sie mit eigens dafür vorgesehenen Halteschlaufen sichert. Wer viel Kleinigkeiten mit sich zu führen gewohnt ist, schätzt die rechts und links neben der Sitzbank angebrachten Ablagenischen, die einen Polsterrand als Armauflage, eine praktische und bequeme Anordnung, bieten.

Das Armaturenbrett darf man getrost als ein Muster an günstiger Anordnung und Übersichtlichkeit bezeichnen. Die Drucktasten sind mit international verständlichen Symbolen versehen (Parkleuchten, Stand-, Fern- und Abblendlicht) und daneben ist gleich ein handlicher Drehgriff für die Scheibenwischer zu finden, der mit einem Gummidrücker für die Scheibenwaschanlage versehen ist. Die Instrumente sind auch in der Nacht gut ablesbar, das einzige Instrument, das wir ver-

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