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Kleinwagen und Plastikkarosserie

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Was erwartet sich der Käufer heute von einem preiswerten Kleinwagen?

Diese Frage erscheint deshalb berechtigt, da seit einigen Jahren die Ansprüche der Käufer auch billiger und kleinerer Erzeugnisse des Kraftfahrzeugmarktes gestiegen sind und heute ein Niveau erreicht haben, das vor einigen Jahren noch für das richtige Automobil in Frage kam.. Wir wollen nicht vergessen, daß es vor etwa fünf Jahren noch ohne weiteres möglich war. dem an einem Kleinwagen interessierten Publikum ein Fahrzeug zu offerieren, wie es der damalige Lloyd 300 war, ein Gefährt, das weder Stoßdämpfer besaß noch irgendeinen Komfort aufzuweisen hatte, ganz zu schweigen von seiner äußeren Form, die durch die schlechte Verformbarkeit der Holzkarosserie gegeben war. Dieses Fahrzeug, das erste, das Lloyd serienmäßig herausbrachte, fand jedoch solchen Anklang, daß es dem Herstellerwerk, das zur Zeit des Lloyd 300 weder über eine Produktionsstätte noch über einen entsprechenden Maschinenpark verfügte, gelang, innerhalb kürzester Zeit ein Werk aufzubauen, das heute mit zu den größten deutschen Autofabriken gehört.

Wie sehr sich seither die Käuferwünsche erhöht haben, zeigt sehr deutlich die ständige Entwicklung allein des Lloyd-Wagens, der mit den Wünschen der Käufer wuchs. Heute sind wir so weit, daß der Käufer einen kleinen Wagen nur noch dann ersteht, wenn er ihm auch tatsächlich optisch, komfortmäßig und preislich zusagt. Mit voller Absicht erwähnen wir den Preis hier an letzter Stelle, weil auch der Kleinstwagenkäufer vor allen Dingen mit den Augen wählt. Trotzdem ist natürlich der Preis nach wie vor ein wesentlicher Faktor geblieben.

Jede Automobilfabrik, die heute also einen Kleinwagen auf den Markt bringen will, muß ein genaues Konzept verfolgen, um überhaupt konkurrenzfähig sein zu können. Es muß im Prinzip umfassen: Bequeme Unterbringungsmöglichkeit für vier Personen, möglichst großer Kofferraum und optisch hübsche Formgebung. Diese Merkmale bestimmen den ersten Eindruck, der im allgemeinen der bleibende und daher entscheidende ist. Weitere Faktoren sind eine robuste, leistungsfähige Maschine bei möglichst geringem Verbrauch und langer Lebensdauer, gute Fahreigenschaften, wie Straßen- und Kurvenlage, sowie natürlich günstiger und konkurrenzfähiger Preis bei Anschaffung und Reparatur. Diese Forderungen zwingen nun den Konstrukteur, innerhalb der bekannten Konstruktionsrichtungen eine solche Auswahl zu treffen, daß diese Forderungen erfüllt werden.

IFA stand vor demselben Problem, hatte aber bei seiner Lösung eine Reihe von Vorteilen an der Hand, die nicht zu unterschätzen waren. So konnte das Werk konstruktionsmäßig an ein Fahrzeug anschließen, das sich bereits vor dem Kriege allgemeiner Beliebtheit erfreute, an cren DKW Meisterklasse, eine Konstruktion, die auch nach dem Kriege stark gefragt war. Selbstverständlich hat man den alten DKW Meisterklasse für heutige Zwecke nicht einfach durch kleine, billige Verbesserungen für heutige Verhältnisse adaptiert, aber immerhin konnte man auf eine ganze Reihe von Konstruktionselementen zurückgreifen, die auch heute noch mit geringen Verbesserungen brauchbar sind, so die wassergekühlte Zweizylinder-Zweitaktmaschine, einen robusten, leistungsfähigen und billigen Motor, den Frontantrieb und die Hinterachsaufhängung. Diese Elemente waren immerhin vorhanden und konnten durch geringe Modernisierung dem neuesten Stand der Technik angepaßt werden. Es war nun Aufgabe des Werkes, die vom F 8 her bekannten Mängel zu eliminieren. Wir denken hierbei nur an die zu geringe Radhaftung der Antriebsräder, Kühlschwierigkeiten bei Bergfahrt sowie die an sich nur sehr begrenzte Witterungsbeständigkeit der

Karosserie.

Diese Fehler ließen sich an sich relativ leicht beheben. Durch Vorbau des Motors vor die Vorderachse wurde eine entsprechende Radhaftung erreicht, die es auch ermöglicht, Steigungen ohne Durchrutschen der Antriebsräder zu bewältigen. Eine Vergrößerung der Kühlfläche verhindert Kühlschwierigkeiten. Durch Neugestaltung der Karosserie in Pontonform konnte der Innenraum vergrößert und damit der Wagen bequemer gestaltet werden. Die erstmalige Verwendung eines Kunststoffes für die Karosserie bringt gleich eine ganze Reihe von Vorteilen mit sich, nämlich geringeres Gewicht, absolute Witterungsbeständigkeit, erstklassige Kälte- und Wärmeisolierung sowie Geräuscharmut. Weitere Vorteile der Anwendung von Plastikstoff sind aber auch große Elastizität, Stoß- und Schwingungsfestigkeit. Damit kann die neue Karosserie den modernsten Anforderungen gerecht werden. Eventuelle Schäden an der Karosserie durch äußere Einwirkung, wie etwa bei Karambolagen, können billigst, da leichtest, und sehr rasch behöben werden. Sie lassen sich durch einfaches Verkleben mit entsprechenden Klebemitteln so behandeln, daß ein nachträgliches Darüberlackieren die verletzte Stelle vollkommen unkenntlich macht. Dies gilt für Risse. Herausgebrochene Teile können durch Einsetzen ebenfalls unkenntlich und — was besonders vermerkt werden muß — ohne daß dadurch die Festigkeit der Karosserie in • irgendeiner Form leidet, repariert werden. Das Werkzeug für einfache Reparaturen beschränkt sich auf Feilen, Schmirgelpapier und Klebemittel und ist billiger als entsprechendes Spenglerwerkzeug. Angelernte Hilfskräfte können überdies nach kürzester Zeit diese Reparaturen einwandfrei durchführen.

Die Karosserie des P 70 besteht aus einem leichten, jedoch sehr stabilen Holzgerippe, das Blechversteifungen aufweist und dessen Außenverkleidung, wie erwähnt, aus formgepreßten Preßstoffteilen hergestellt wird. Der hierzu herangezogene Plastikstoff ist ein Phenol-Kresol-Harzstoff, der bei nicht allzu harten Stößen in der Lage ist, die Stoßenergie vollkommen aufzunehmen und wieder elastisch zurückzugeben. Der alterprobte Motor mit den ebenfalls bekannt guten Fahreigenschaften des Fahrgestells und der nunmehr vollkommen neuentwickelten und nach neuesten Gesichtspunkten geschaffenen Konstruktion der Karosserie ergeben somit ein Fahrzeug, das besonders für den kleinen Gewerbetreibenden, den Vertreter, den Landarzt und ähnliche Berufszweige wie geschaffen ist.

Daten: Wassergekühlter Zweizylinder-Dreikanal-Zweitaktmotor mit Umkehrspülung, Bohrung 76 mm, Hub 76 mm, Hubraum 690 ccm, Verdichtungsverhältnis 6,8:1, Höchstleistung 22 PS, Mischschmierung 1:25, Mehrscheibenkupplung in Oelbad, Dreiganggetriebe, sperrbarer Freilauf in allen Vorwärtsgängen, automatische Sperre im Rückwärtsgang, Vorderachse Einzelradaufhängung, Hinterachse Starrachse mit hochliegender Feder. Zwei Frontantriebgelenke, innen Gummi, außen metallische Weitwinkelgelenke. Wendekreis 10 m, Verwindungssteifer Kastenprofilrahmen, PJattquerfeder vorn und hinten, mechanische Duplex-Vierradbremse, Bereifung 5,00 — 16, Radstand 2380 mm, Spurweite vorn 1190 mm, hinten 1200 mm, Gesamtlänge zirka 3740 mm, Gesamtbreite zirka 1500 mm, Gesamthöhe zirka 1480 mm, Eigengewicht betriebsfertig 800 kg, zulässige Belastung 320 kg, Höchstgeschwindigkeit zirka 90 km/h, Kraft-stoffnormverbraucb. sieben Liter auf 100 km.

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