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VW 1500: Fahreindrücke positiv

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Die österreichische VW-Organisation unter der Führung ihres Pressechefs Dr. W. Paul veranstaltete Mitte August mit Motorjournalisten aus fast allen österreichischen Bundesländern eine Pressefahrt nach Wolfsburg, wo den Gästen Gelegenheit geboten wurde, den 1500er, das am meisten interessierende Modell der neuen Serie 1967 des Volkswagenwerkes, selbst zu fahren.

Wir setzten uns also in dieses äußerlich sich von den übrigen Käfern durch eine steiler gestellte hintere Nummemtafel unterscheidende Fahrzeug, bemerkten einige zwar unwesentliche, aber angenehm empfundene Veränderungen, etwa daß die Bedienungsorgane für Scheibenwischer und Lichtschalter vertauscht sind, mit Befriedigung stellten wir die erhöhte Sicherheit durch eine neue Türverriegelung fest, man erzählte uns auch, daß die Lichtmaschine im Durchmesser größer ist und früher ladet, aber dann ging es los.

Da ist vor allem der dritte Gang, der mühelos bis 90 Stundenkilometer (das entspricht 4000 Touren) ausgefahren werden kann, obwohl man uns gebeten hatte, nichts zu überziehen, konnten wir der Versuchung nicht widerstehen und jagten die Maschine für Sekunden sogar bis 110 Stundenkilometer. Der Überhol Vorgang mit diesem Wagen kann daher im Interessse der Verkehrssicherheit verkürzt werden, im heutigen Verkehr ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Der vom Werk angegebene Beschleunigungswert von 0 auf- 80 Stundenkilometer wurde fast erzielt, hingegen blieben wir etwas unter der angegebenen Maximalgeschwindigkeit von 125 Stundenkilometern, was zweifellos darauf zurückzuführen war, daß sich der Motor noch nicht freigespielt hatte. Die Tachometerfehlanzeige war übrigens unerheblich.

Die Straßenlage des neuen Wagens ist zweifellos besser geworden als die der bisherigen

Käfer, dazu tragen die breitere Spur, die Aus- I gleichfeder in der Hinterachse (es gibt jetzt fast keine Spurveränderung) und die vorderen Stabilisatoren bei. Jetzt sind 'in den VWs weichere Federstäbe. Bei den früheren härte- I ren Stäben ergab sich unbelastet eine O-Bein- stellung der hinteren Räder. Damit aber bei weicheren Stäben die Radstellung nicht zu sehr in die X-Form übergeht, ist die Ausgleichsfeder eingebaut worden. Durch die weicheren Stäbe ergibt sich in schnellen Kurven allerdings eine größere Neigung des Aufbaues, die jedoch von den vorn eingebauten Stabilisatoren aufgefangen wird. Die fast sechs Zentimeter breitere Spur, die Ausgleichsfeder und die Stabilisatoren erlauben nun schnelleres, dabei sichereres Kurvenfahren, die Tendenz zum Ausbrechen des Hecks ist bei normaler Fahrt nicht mehr vor- ) handen, im Grenzbereich weit weniger ge- Į fährlich. Die Seitenwindempfindlichkeit ist, J wie bei jedem Heckmotorwagen,- auch jetzt \ noch zu bemerken, doch läßt sie sich mittels ; der präzisen und direkten Lenkung leichter ij beherrschen.

Um auf die Qualität der Fahrzeuge Bezug zu nehmen: Ės bedurfte natürlich keines Beweises, daß diese Qualität vorhanden ist, das weiß man auch als Laie seit Jahren. Aber wie es zu dieser Qualität kommt, das festzustellen, war außerordentlich interessant. Zuerst wurde uns ein Farbfilm vorgeführt, in welchem die Automatisierung der Transferstraßen im Karosseriewerk demonstriert wurde. Anschließend daran machten wir die Bekanntschaft des Sohnes des verstorbenen Carl Borgward, Klaus Borgward, der im Veiks wagen werk eine besondere Stellung einnimmt und „Mr. Mißtrauen“ heißt. Er ist nämlich der „Inspektor der Inspektoren“. Jeder zehnte Mann im Erzeugungsprozeß ist ein dem Vorstand direkt Verantwortlicher, der

Photo: Schediwy wird. Absolut eine hoch erscheinende Ziffer, relativ jedoch wenig, denn es handelt sich bloß um ein Prozent des Gesamtmaterialwertes. Die besagte Lupe ist sehr scharf: Da gibt es — selbstverständlich — klimatisierte Labors, wo ein Tausendstel Millimeter ein Mindestmaß an Genauigkeit ist. Für die meisten Autoteile des VW genügt es zwar, aber die Instrumente, die ein solches Maß feststellen und die Werkzeuge, die es erreichen sollen, müssen ja ebenfalls, und dies noch schärfer, kontrolliert beziehungsweise geeicht werden.

In gewissen Labors also arbeitet man mit Genauigkeiten von zehn- und sogar hunderttausendstel Millimetern. Im „Allerheiligsten“ dieser Labors steht ein sogenannter Interferenzkomparator, der mit der Verschiedenheit der Wellenlänge im Lichtspektrum arbeitet, die Kleinigkeit von 80.000 DM (ohne Drum und Dran und Klimaanlage) kostet und angeblich nur noch bei dem zweiten Giganten der Autoindustrie, den General Motors, zu finden ist. Immer neuere und modernere Prüfgeräte werden angeschafft, um die Qualität dės VW zu verbessern: Da stehen Geräte, welche die geringste Abweichung von der Kreisform (zum Beispiel bei Bremstrommeln) in mehrfacher Vergrößerung festhalten, da schreiben zarte Hebelchen Berge und Täler auf Millimeterpapier, wenn ein Fühler über die scheinbar spiegelglatte Oberfläche eines Werkstücks streicht, da gibt es Labors, in denen man mit Blitzesschnelle die Zusammensetzung von Materialien feststellen kann. Früher brauchte man zum Beispiel für eine Chrombestimmung volle vier Stunden, die neuen Apparate schaffen es in 30 Sekunden. In einer Schallkammer wird mit großem elektronischen Aufwand jedes in einem Auto vorkommende Geräusch auf Intensität, Schwingungszahl, Lästigkeit usw. geprüft, man untersucht Dröhnerscheinungen, kritische Frequenzen und alles, was mit der Akustik am Fahrzeug und in dessen Innerem zusammenhängt.

Die Besichtigung des in Bau befindlichen Prüfgeländes auf einem ans Werk anschließenden Areal bildete den Abschluß der Führung durch die größte europäische Autofabrik, die sich übrigens auf fünf Werke verteilt (Wolfsburg, Hannover, Kassel, Braunschweig und Emden) und natürlich auch Tochtergesellschaften aufweist. In der 220.000 Quadratmeter großen Prüfanlage ist eine Schnellbahn, ein Steigungshügel, eine Lenkungsprüfstrecke, eine Schleuderstrecke, eine Seitenwindanlage und sämtliche praktisch vorkommenden Arten von Fahrbahnen vorhanden. Auf der Schnellbahn wird Tag und Nacht in drei Schichten gearbeitet, um in Dauer- und Funktionsversuchen eigene und Konkurrenzprodukte zu erproben. Die Seitenwindanlage besteht aus 30 VW-1500er-Moto- ren mit insgesamt 1600 PS Leistung, die auf eine Länge von 50 Metern einen senkrecht zur Fahrbahn gerichteten Seitenwind erzeugt, welcher in drei Meter Abstand von der Anlage noch Windstärke neun aufweist. Mit einem Kreiselgerät wird die Reaktion des Fahrzeuges auf den Seitenwindistoß gemessen.

Auch eine künstliche Schlammdurchfahrt ist vorhanden, hier wird die Abdichtung der bewegten Teile der Achsaufhängung untersucht, dann wird relativ langsam im Schlammbett über zehn Zentimeter hohe Höcker gefahren. Durch geschickte Anordnung dieser Hindernisse wird das Fahrwerk zu vollen Federbewegungen unter Schlammeinwirkung gezwungen. Die sogenannte Bel- gisch-Pflasterstrecke ist eine Nachbildung von Kopfsteinpflaster, ihre Oberfläche wurde von einer tatsächlich vorhandenen Landstraße naturgetreu übernommen. Ihre Schlaglöcher und Querrillen beanspruchen Fahrgestell und Aufbau bis an die Grenze der Festigkeit.

mit äußerster Genauigkeit auf die Einhaltung der strengsten Normen bedacht ist. Und über diesem Heer von Kontrolloren steht das Mißtrauen in persona, denn es gibt kein einziges Erzeugnis, noch weniger ein Produkt von Zu- lieferflrmen oder gar von Lieferanten verschiedener Chemikalien, Rohstoffen usw., das nicht — stichprobenweise oder, je nachdem, auch Stück für Stück — von Borgwards Stab unter die Lupe genommen würde. Wir glaubten nicht richtig gehört zu haben, als man uns sagte, daß monatlich für 3,5 Millionen DM Material (rund 23 Millionen Schilling) an die Lieferanten wegen Mängel zurückgeschickt

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