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Maximale Sicherheit beim Saab 99

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Für den Besuch des Genfer Automobilsalons hatte uns der Generalvertreter der schwedischen Saab-Werke, F. M. Tarbuk & Co., einen „99er“ zur Verfügung gestellt. Der Wagen hatte nur wenig mehr als tausend Kilometer auf dem Tachometer, als wir ihn übernahmen. Das Werk empfiehlt, erst nach Vollendung von 3000 Kilometern mit Vollgas zu fahren, so legten wir uns also Beschränkungen bezüglich des Ausfahrens der einzelnen Gänge auf, und erst auf der Autobahn von Salzburg nach Wien wagten wir es, das Gaspedal ganz durchzutreten. Es ist ein ungewöhnliches Fahrzeug, dessen technische Konzeption als bekannt vorausgesetzt werden darf: Frontantrieb mit zweitüriger, fünfsitziger, selbsttragender Karosserie. Es wird seit Ende 1968 exportiert und ist daher kein Unbekannter mehr.

Vieles ist anders bei diesem Wagen; was anfangs befremdet, erweist sich jedoch als sehr zweckmäßig und nachahmenswert. Es beginnt mit dem sympathischen Einschlüsselsystem. Man muß den Schlüssel immer wieder in die senkrechte Position zurückdrehen, gleichgültig, ob man auf- oder zusperrt. Der Abschließstift springt nicht nach oben, wenn der Schlüssel gedreht wird. Das Zündschloß befindet sich im Interesse der passiven Sicherheit weder an der Lenksäule noch am Armaturenbrett, sondern zwischen den Vordersitzen, bei geöffneter Türe ist es beleuchtet. Die Sitze, übrigens mit einem seidenartigen Stoff überzogen, sind in Längsrichtung und Höhe verstellbar, die Rückenlehnen lassen sich durch einfachen Griff umklappen, die hintere Sitzbank kann wie bei Kombiwagen nach vorne geklappt werden, woraus eine mit dem Kofferraum durchgehende Ladefläche resultiert. Die Ablageflächen vorn werden durch geräumige Taschen innerhalb der durchgehenden Armlehnen ergänzt.

Der Motor ist ein Fremdfabrikat. Das war immer schon so, früher bezog man die Antriebsaggregate aus Deutschland, nunmehr von der British Leyland (Triumph). Es ist ein Viertakter von 80 DIN-PS, also etwas stärker als etwa bei vergleichbaren Fahrzeugen, wie Opel-Rekord, VW 411 oder Ford 17 M, und etwas schwächer als die Maschinen eines Audi-Super oder eines BMW 1800. Selbst der noch nicht eingefahrene Motor war überdurchschnittlich laufruhig und zeigte große Elastizität. Die Motorgeräusche sind gering, Kurbelwelle und obenliegende Nockenwelle sind fünffach gelagert. Zur Geräuscharmut trägt auch der ärodynamische Aufbau und die reichliche Verwendung von Gummilagerungen bei. Man merkt, daß dieser Wagen von Flugzeugingenieuren gebaut wurde. Das gilt nicht nur von den Sicherheitsmaßnahmen, sondern auch von Details, die das Fahrzeug zu etwas Besonderem stempeln. Selbst bei hohen Geschwindigkeiten treten keine Windgeräusche auf. Ungewöhnlich ist auch das Abziehen des Zündschlüssels: Nur wenn der Rückwärtsgang eingelegt ist, wird der Schlüssel freigegeben.

Als Frontantriebswagen neigt der Saab 99 zum Untersteuern. Selbst bei forscher Fahrweise ist der Wagen durch entsprechendes Reagieren beherrschbar. Es dürfte wenige Fahrzeuge geben, in denen man sieh so sicher fühlt. Bei den Bremsen handelt es sich um ein hydraulisches Zweikreisbremssystem mit Vierrad-Scheibenbremsen, welches durch einen Unterdruckservo untenstützt wird. Zwei unabhängige Bremssysteme, hydraulisch auf alle vier Räder wirkend und mechanisch durch Trommeln über die Vorderräder. Das allein schon verleiht Sicherheit, dazu ist die Fußbremse mit zwei Bremskreisen ausgerüstet, der Hauptbremszylinder wirkt gleichzeitig, jedoch unabhängig auf das linke Vorderrad und das rechte Hinterrad und umgekehrt. Dieses Diagonalsystem hat sich bewährt; selbst wenn das eine System leck wird, ist das andere vorhanden. Der Kolbendurchmesser der Hinterradzylinder ist kleiner als derjenige der Vorderradzylinder, die Bremskraft hinten ist daher kleiner und das gefährliche Blockieren hinten wird vermieden.

Die Schaltwege (Mittelschalthebel) sind kurz gehalten, aber präzise geführt, die genaue Zahnstangenlenkung ist direkt und trägt außerordentlich zur Wendigkeit des Fahrzeuges bei. Nur wenige Wagen verfügen über einen ein- und ausschaltbaren Freilauf. Wir empfanden diese zusätzliche Einrichtung als sehr angenehm, nicht nur, weil sie das Schalten ohne Kupplungsbetätigung gestattet, sondern weil auch eine außergewöhnliche Treibstoffersparnis erzielt werden kann. Der Durchschnittsverbrauch über 2505 km betrug 10,6 Liter pro 100 km.

Eine Reihe von Maßnahmen erhöht die aktive und die passive Sicherheit des Saab 99: Beispielsweise eine spezielle Abstellplatte für den linken Fuß. Sie trägt wesentlich zur Hintanhaltung der Ermüdung bei, ferner ist die Sicht aus dem Wagen (mit einer kleinen Einschränkung) ganz hervorragend, so sind die sehr kräftigen, tief in den Karosseriekörper hineinreichenden Windschutzscheibenpfosten mit ihrer schmälsten Seite zu den Insassen gerichtet. Die Sichtbehinderung schräg nach vorn ist also sehr klein, obwohl besagte Pfosten kräftig ausgeführt sind. Selbst nach langer Autobahnf ahrt verließen wir das Fahrzeug ohne die geringste Müdigkeit. Dazu tragen allerdings auch das ungewöhnliche Raumangebot, der bequeme Einstieg und die angenehme Sitzposition bei. Der Wagen kommt aus einem Land des rauhen Klimas, daher wurde auf die Beheizung und die Belüftung besonderer Wert gelegt. Serienmäßig sind Defroster auch für Heck- und Seitenscheiben vorhanden, die Frischluftdüsen ebenso wie die dreistufige Scheibenwaschanlage funktionieren einwandfrei, angenehm empfunden werden die ebenfalls serienmäßige Kofferraumbeleuchtung und die Rückfahrlampen, ebenso wie die beiden Abschlepphaken. Selbstverständlich sind beim Saab 99 Dreipunktgurte, eine Lenksäule mit Sollbruchstelle und die Warnblinkanlage. All das sind

Details, die bei anderen Fahrzeugen entweder nicht oder nur gegen Aufzahlung geliefert werden.

Natürlich gibt es auch einige Wünsche, die wir bei diesem fast vollkommenen Wagen äußern möchten: Ein absperrbarer Benzintank, eine etwas bessere Sicht nach oben für Fahrer großer Statur und eine Zündsperre, denn der Mot tor läuft so ruhig, daß es vorkommt, daß man den Zündschlüssel nochmals in die Startposition dreht. Zusammenfassend: Es ist ein Wagen von Individualisten für Individualisten gebaut, ein Wagen, der viel mehr ist, als er zu sein scheint, mit einem Maximum an eingebauter Sicherheit, von hoher Fahrkultur, wirtschaftlich, wartungsfreundlich, ein Wagen, mit dem zu fahren sehr viel Freude bereitet.

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