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Quartett in Aaah!-dur

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Vor kurzem wurden die Pforten des Pariser Automobilsalons geschlossen. Wir würden gern auf die dort erstmals gebrachten Neuerungen näher eingehen, müssen dies jedoch auf eine der nächsten Nummern verschieben, da für die österreichischen Leser die Neuigkeiten auf dem österreichischen Markt interessanter und aktueller sein dürften. Gerade in letzter Zeit ließ sich darin eine erhöhte Aktivität feststellen. Eine ganze Reihe neuer Fahrzeuge wurde der Oeffent-lichkeit vorgestellt, die durchweg unsere Aufmerksamkeit verdienen.

Da dem Kleinwagen gerade heute in der Motorisierung eine wichtige Rolle zukommt, wollen wir den in Oesterreich seit Jahren bestens bekannten Lloyd vorausnehmen, der sich nunmehr in der Ausführung des Lloyd Alexander TS vorstellt. Lloyd wurde bekanntlich erst nach dem Kriege gegründet, wobei sich das Werk von vornherein mit der Absicht trug, Kleinwagen, seinerzeit auch Kleinstwagen, zu bauen. Der erste Lloyd, den man ab und zu auch noch auf österreichischen Straßen entdecken kann, war der Lloyd 300, dessen Karosserie noch aus Sperrholz mit Kunststoffüberzug gefertigt war und der keinerlei Komfort zu bieten hatte: ein reiner sogenannter „fahrbarer Untersatz“. Durch die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation — nicht nur Deutschlands, sondern auch des übrigen Europa — erfuhren auch die Lloyd-Wagen eine Veränderung. Die Konjunktur brachte es mit sich, daß auch die Käufer der Klein- und

Kleinstwagen wesentlich andere Anforderungen an die „fahrbaren Untersätze“ zu stellen begannen, als dies noch zur Zeit der Gründung von Lloyd der Fall war.

Lloyd wuchs mit den Wünschen seiner Käufer und wurde ein 400-ccm-Fahrzeug mit Blechkarosserie. Der Fahrkomfort ließ die Bezeichnung „fahrbarer Untersatz“ nicht mehr zutreffend erscheinen. Der weitere wirtschaftliche Aufstieg und die Wünsche der Kunden ließen aber bald auch den Lloyd 400 nicht voll entsprechend erscheinen, und das Werk sah sich nunmehr gezwungen, von dem etwas unpopulären Zweitaktmotor auf den wesentlich beliebteren Viertaktmotor überzugehen, wobei gleichzeitig der Hubraum um 200 ccm erhöht wurde. So entstand der Lloyd Alexander 600.

Inzwischen hatten sich die Käuferwünsche schon in andere Richtung entwickelt. Die Verkehrsmiseren in den Städten, Parkschwierigkeiten, Raummangel usw. brachten es mit sich, daß sich der anspruchsvolle Kraftfahrer, der sich daneben noch einen größeren Wagen leisten kann, jetzt auch eine kleinere Type für den Ortsverkehr oder für die Familienangehörigen hält. Dieser Käufer stellt nun an den kleinen Wagen gewisse Forderungen nicht nur rein wirtschaftlicher Art, sondern auch was den Komfort betrifft. Aber auch der „kleine Mann“ wünscht heute bei seinem kleinen Fahrzeug ein Maximum an Komfort. Um all dem gerecht zu werden, schuf Lloyd den Lloyd Alexander TS, ein Fahrzeug, das über einen 600-ccm-Motor verfügt, dessen Leistung nunmehr nicht 19, sondern bereits 25 PS beträgt. Die Federung wurde wesentlich verbessert und die Sitze können sich heute schon mit jenen einer Reihe von Mittelklassewagen messen. Ebenso ist das vollsynchronisierte Getriebe ein Charakteristikum teuerer Wagen. Aber nicht nur die für den Fahrbetrieb notwendige Einrichtung wurde einer wesentlich höheren Klasse angeglichen. Auch Kleinigkeiten, die den Fahrbetrieb wesentlich angenehmer oder sicherer gestalten, erfuhren beim Alexander Berücksichtigung. So verfügt dieses Fahrzeug serienmäßig über eine Scheibenwaschanlage, eine Lichthupe, asymmetrisches Abblendlicht und .ähnliches, ja selbst eine automatische Kupplung kann in diesen kleinen Wagen auf Wunsch eingebaut werden. Man sieht also, daß der Lloyd TS heute zwar größenmäßig zur Kleinwagenklasse, in seinem Komfort aber zur Mittelklasse gehört.

Aehnliche Tendenzen werden beim neu herausgebrachten NSU-Sport-Prinz offenbar. Das Werk hat noch gar nicht lange angefangen, seine ersten serienmäßigen Prinz-Modelle auf den Markt zu bringen, und schon folgt ein neuer, wesentlich luxuriöserer Sport-Prinz mit zwei Sitzen für Erwachsene und zwei für Kinder, der mit einer sehr hübschen Linienführung aufzuwarten hat. Auch dieser Wagen gehört in Fahrkomfort und Ausstattung nicht mehr zur Klasse der Kleinwagen, sondern zur Mittelklasse, wenn ihn auch die Abmessungen zum Kleinwagen stempeln.

Der NSU-Sport-Prinz verfügt über den bekannten Prinz-Motor, der in der Normalausführung 20 PS, in der Sportausführung jedoch 30 PS leistet. Die Spitzengeschwindigkeit liegt, wie das Werk angibt, bei 135 km/h. Sicherlich ein Fahrzeug, das vor allen Dingen als zweiter Wagen interessant ist. Wir können uns jedoch auch vorstellen, daß diese Neukonstruktion auch am Sport interessierten Fahrern etwas zu bieten hat und sich mit ihr die ersten Straßenerfahrungen im Schnellfahren relativ gefahrlos erwerben lassen. Auch wartungs- und ersatzteilmäßig bietet der neue Sport-Prinz ebenso wie der Lloyd Vorteile. Er ist damit für den „kleinen Mann“ noch immer erreichbar und daher auch entsprechend interessant.

Eine weitere Neukonstruktion ist der neue Austin A 40 F. Es handelt sich dabei nicht etwa um eine Weiterentwicklung des vor einigen Jahren in Wien häufig gesehenen Austin A 40, sondern um eine direkte Weiterführung der Austin A 30 und Austin A 3 5. Dieses Fahrzeug weist eine ganze Reihe von Konstruktionselementen auf, die auch im A 35 verwendet werden. So zum Beispiel den 34 PS starken Vierzylindermotor, der sich in Oesterreich bereits einen guten Namen machen konnte. Rein äußerlich hat diese Neukonstruktion allerdings mit den Vorgängern nichts gemein, denn die englischen Erzeuger gingen diesmal einen etwas unkonservativen Weg und ließen von Pinin Farina eine Karosserie schaffen, die dem Fahrzeug ein außergewöhnlich elegantes Aussehen verleiht, obwohl es sich ja eigentlich um ein Commercial-Fahrzeug handelt. Denn der Austin. A 40 F ist im Grunde ein Kombiwagen, dessen hintere Sitze umgeklappt werden können, wodurch sich eine relativ große Ladefläche mit einer eigenen Tür ergibt. Trotzdem wirkt der Wagen bei aufgeklappten Sitzen durchaus als aparter Pkw! und'hat als solcher . einen für seine Größe beachtlichen Kofferraum. Die Innenausstattung des Fahrzeuges ist für ein Nutzfahrzeug überraschend nobel. Wir möchten sogar behaupten, daß den Erzeugern mit der Schaffung dieser Type ein großer Wurf gelungen ist. Auch hier handelt es sich um ein Fahrzeug, das durch seinen Einlitermotor wohl in die Kleinwagenklasse gehört, Linienführung, Fahrkomfort und Leistung aber gehören bereits in die Mittelklasse. Auch bei dieser Konstruktion wird die Tendenz deutlich: Eleganter, bequemer und praktischer!

Gleichfalls in neuem Gewand erschien auf dem Wiener Markt der neue S i m c a P 6 0, eine französische Konstruktion. Auch bei Simca folgte man ebenso wie bei Austin der gesunden Entwicklungsrichtung, bewährte Konstruktionselemente möglichst weiterzuverwenden. Auch hier ließ man den bewährten Flash-Motor, die Kraftübertragung und eine ganze Reihe anderer erprobter Elemente unberührt und gab vor allem der Karosserie eine moderne Linienführung. Für den Käufer sind Fahrzeuge, wie der Austin A 40 F und Simca P 60, außerordentlich interessant, denn es handelt sich bei ihnen nicht um absolute Neuschöpfungen, die stets die Gefahr mit sich bringen, daß man zwangsläufig gleichsam in die Fahrversuchsabteilung des betreffenden Werkes mit einbezogen wird, daß man also ein Fahrzeug in die Hand bekommt, dessen Kinderkrankheiten im allgemeinen die Käufer erst festzustellen haben und die dann auf Grund der entsprechenden Beschwerden erst in der zweiten oder dritten Serie restlos beseitigt erscheinen. Einen Wagen, wie den Simca, kann man auch als abgewandelte Konstruktion ohne Bedenken erwerben, denn erstens garantiert der Name dieses erstklassigen Werkes für wirklich hervorragende Erprobung, und zweitens handelt es sich, vor allem maschinell, ja bereits um vielfach bewährte Elemente, so daß man optisch wohl einen neuen Wagen erwirbt, das Risiko, damit in Schwierigkeiten zu kommen, jedoch äußerst gering ist.

Wir selbst konnten mit einem der Vorgängermodelle bereits vor Jahren entsprechende Erfahrungen sammeln und waren bereits damals von der Qualität dieses Fahrzeuges beeindruckt. Anschließend hatten wir Gelegenheit, ein Modell 1957 über 30.000 km zu betreiben, während welcher Zeit auch nicht die geringsten Beanstandungen zu verzeichnen waren. Nicht einmal die Zündkerzen oder andere Verbrauchsteile mußten ausgewechselt werden, sondern es wurden ausschließlich die vom Werk vorgeschriebenen Servicearbeiten korrekt durchgeführt — das war alles. Simca ist der typische Wagen für alle jene Fahrer, die Wert darauf legen, ein Automobil zu besitzen, ohne sich darüber den Kopf zerbrechen zu müssen, wie es am besten gepflegt wird und welche Ueber-holungsarbeiten nun eventuell erforderlich werden könnten, um den Wagen gleichmäßig fahrbereit zu erhalten. Ein Simca ist ein harter Gebrauchsgegenstand, der durchaus keinen Mangel an Komfort aufzuweisen hat, der aber durch seine unbedingte Verläßlichkeit gerade für jene in Frage kommt, die Automobile nicht zum Ver-. gnüge/i halten und an alles andere v/eit lieber denken als an seine eventuellen Gebrechen, weil sie ausschließlich einen bestimmten Zweck zu erfüllen haben: sie von Ort A nach Ort B zu bringen, und dies möglichst verläßlich und unproblematisch.

Auch der Simca P 60 ist ebenso wie die Vorgängermodelle ein bequemer Viersitzer, in dem notfalls auch fünf Personen Platz finden. Er verfügt immer noch über Abmessungen, die einen bequemen Betrieb auch im dichten Stadtverkehr zulassen, und ist gerade größenmäßig heute der ideale Wagen, denn alle Fahrzeuge, die seine Größe überschreiten, werfen bei den modernen Verkehrsmiseren bereits Probleme auf. Außerdem ist es erfahrungsgemäß nicht unbedingt erforderlich, daß ein Fahrzeug über fünf oder sechs Sitze verfügt, da statistisch erwiesen wurde, daß im allgemeinen nicht mehr als zwei bis drei Personen befördert werden.

Der österreichische Automarkt ist also um interessante neue Typen bereichert worden, die, da es sich um Klein- bis normale Mittelklassewagen handelt, noch dazu dem echten Bedarf entsprechen;, wie er in Oesterreich gegeben ist.

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