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Kleinwagen in allen Gassen

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Allen Automobilausstellungen ist gemeinsam, daß sie vorteilhaft servierte Letztmodelle in gedrängter Form zur Ansicht bringen. Sie ermöglichen dadurch Schlußfolgerungen, die sonst nicht so klar gezogen werden könnten. So machte beispielsweise ein Besuch der jüngsten 38. Internationalen Automobilausstellung (IAA) sichtbar, daß der Kleinst- und Kleinwagen mehr Auftrieb denn je erfahren hat. Innerhalb dieses Sektors wiederum war der Hang der Herstellerfirmen zu konstatieren, ihre Fahrzeuge zu 500- oder 600-ccm-Fahrzeugen hinauf zu entwickeln oder durch Typen dieser Größe zu ergänzen. Dies allem Anschein nach auch auf die Gefahr hin, eine Pleite zu erleben. Warum Pleite? Jedes Fahrzeug der Klein- und Kleinstwagenklasse, das einen gewissen Preis überschreitet, wird unverkäuflich oder zumindest so schwer absetzbar, daß von einem Geschäft nicht mehr die Rede sein kann. Diese Preisgrenze ist, zumindest in Deutschland, durch den dortigen Preis des VW-Standard gegeben, der allein schon durch ein billiges und ausgezeichnet organisiertes Service besonders interessant bleibt.

Ueberrascht hat ferner, daß fast sämtliche Neuerungen der Mittelklasse nicht erst in Frankfurt als Novitäten vorgestellt, sondern bereits Wochen vorher der Oeffentlichkeit vorgeführt und sogar verkauft wurden. Wir denken hierbei an VW, Opel und Ford, also die repräsentativsten deutschen Mittelklassewagen, die es vorgezogen hatten, schon vor Beginn der Ausstellung ihre neuen Modelle auf den Markt zu bringen.

Auf dem Lkw.-Sektor brachte Frankfurt nicht viel Neues. Der deutsche Lkw.-Markt ist durch eine eigenartige Gesetzgebung — Längen- und Gewichtsbeschränkungen — in eine so unglückliche Situation geraten, daß eine Reihe angesehener Lkw.-Erzeuger vor dem Ruin steht. Es war an größeren Lkw. demnach auch nichts Neues zu sehen. An der modernen Lkw.-Kon- struktion fiel auf, daß die Stahlfederung allmählich durch die Luftfederung abgelöst wird. Es gibt heute in Deutschland fast kein Omnibus, Lkw. oder Anhänger herstellendes Werk, das nicht zumindest in einer Type Gummiluftfederung hat.

Die interessantesten Neuerungen der Frankfurter Automobilausstellung waren auf dem Gebiet der Klein- und Kleinstwagen zu sehen. Goggomobil zeigte sein bereits bekanntes Programm an Kleinstwagen. Zu den bereits bekannten 250- und 300-ccm-Zweizylinder-Zwd- taktmotoren kam noch ein 400-ccm-Motor der gleichen Art hinzu, der dem Fahrzeug eine Spitze von nunmehr mehr als 100 km/h sichert.

Das Fahrzeug bietet vier Personen Platz. Außerdem brachte diese Firma ein neues Kleinauto mit einem 600-ccm-Zweizylinder-Viertaktmotor heraus, das vom Werk als „richtiges Automobil” bezeichnet wird. Vier Sitze und Frontantrieb sind weitere Merkmale. Die Spitzengeschwindigkeit liegt bei 110 km/h.

Maico brachte als Novität einen Sportzweisitzer, der sich optisch vom Serienfahrzeug sehr klar unterscheidet. Antriebsquelle ist ein Zweizylinder-Zweitaktmotor, der im Heck des Fahrzeuges angeordnet ist. Die Leistung beträgt 20 PS, während die Spitze mit 110 km/h angegeben wird.

BMW trat neben der auch bei uns bekannten Isetta mit der neuen BMW-Isetta-600 hervor, einem viersitzigen Kleinwagen, dessen Einstieg, wie bei der Isetta, durch eine Front-, außerdem aber auch durch eine Seitentür vorgesehen ist. Die Leistung des im Heck angeordneten 600 - ccm - Zweizylinder - Viertakt - Boxermotors beträgt 19,5 PS.

Zündapp stellte seinen „Janus” aus, der allerdings bereits seit längerer Zeit im Handel ist und hier also nicht als Novität bezeichnet werden kann. Da das Fahrzeug konstruktiv jedoch sehr interessant ist, werden wir uns gelegentlich damit auseinandersetzen.

Nicht vergessen dürfen wir auf den NSU- Prinz, einen 600-ccm-Kleinwagen mit einem Zweizylinder-Viertaktmotor, der im Heck angeordnet ist. Er bietet vier Personen Platz. Auch mit ihm werden wir uns gelegentlich eigens auseinandersetzen, da auch diese Konstruktion eine sehr schöne Kleinwagenlösung darstellt; sie kömmt allerdings erst im Frühjahr auf den Markt.

Sehr interessant war auch der D K W 600, der vielleicht die sensationellste Kleinwagenkonstruktion der Frankfurter Automobilausstellung darstellte. Der Antrieb erfolgt hier durch einen 660-ccm-Zweizylinder-Zweitakt- motor (Frontantrieb), der, unserer Meinung nach, aus der vor einigen Jahren aufgelassenen Motortype ähnlicher Art heraus entwickelt wurde. Aeußerlich handelt es sich bei diesem Wagen wohl um eine absolute Neukonstruktion, doch dürfte DKW hier den Anschluß an seine alten „MeisterkIasse”-Modelle, die sehr beliebt und gut waren, gesucht — und gefunden haben. Leider ist dieses Fahrzeug in absehbarer Zeit nicht erhältlich und würde nur als Prototyp gezeigt.

Mit Karosserieschöpfungen modernster Art, die für Oesterreich mehr oder weniger uninteressant sind, wollen wir uns nicht näher auseinandersetzen.

Viel Beachtung fand außer dem neuen Opel und Ford das hübsche Goliat h - 1100- Coupė, das nunmehr eine Leistung von 55 PS aufweist. Die Spitzengeschwindigkeit wird mit 135 km/h angegeben. Tatra stellt einen neuen Achtzylinder-Heckwagen vor, der eine Weiterentwicklung des Tatraplan darstellt. Man spricht bei diesem 100 PS starken Fahrzeug von einer Spitze von rund 160 bis 170 km/h. Als größtes Fahrzeug ist der Ford- Edsel zu erwähnen, der, wie das Werk angibt, der erste serienmäßig gebaute Traumwagen sein soll. Die Leistung der Achtzylindermaschine beträgt 345 PS, der Preis etwa 150.000 S.

Die Frankfurter Automobilausstellung ging dem Pariser, Londoner und Genfer Salon voraus und stellte eine fast reine deutsche Leistungsschau mit relativ geringer internationaler Beteiligung dar, vermittelte aber einen interessanten Ueberblick über derzeitige Bautendenzen.

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