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Liebeserklärung an „Ariane 4“

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Daß die Franzosen Automobile zu bauen verstehen, haben wir an dieser Stelle schon mehrmals betont. Daß sie aber auch immer wieder Mut zum Experiment zeigen, erscheint uns besonders beachtenswert. Die Bezeichnung „Experiment“ in Verbindung mit einem Gebrauchsgegenstand hat dabei meist einen eigenartigen Beigeschmack. Für allgemeine Begriffe kann man eher in der Kunst als in der Technik experimentieren. Begrüßenswert ist es immer; sobald es sich aber um einen Massenartikel handelt, wie ein Automobil, wird das Käuferpublikum meist mit Recht etwas mißtrauisch. Das Experiment, über das wir heute sprechen wollen, ist — und das wollen wir vorweg betonen — keines, das dem Käufer nicht zum Nutzen gereichen würde.

Die hervorstechendsten französischen „Versuchsballons“, die in den letzten Jahren auf dem Auramobilsektor steigen gelassen wurden, waren der bald nach dem Krieg auf dem Markt erschienene Citroen 2 CV, ein häßliches Fahrzeug mit einer viel zu kleinen Maschine und einer bis dato im Automobilbau unüblichen Federungsart, ein Fahrzeug, das auf Grund seiner gesamten Charakteristik sofort auf Widerstand stoßen mußte — und das heute, nach vieljähriger, fast unveränderter Produktion zu einem der weltweiten französischen Erfolge im Automobilbau zu zählen ist. Eine zweite Konstruktion, der DS 19 der gleichen Firma, ist ein vollkommen unkonventionelles Fahrzeug, das bei seinem Erscheinen sowohl Widerspruch als auch helle Begeisterung zu entfachen verstand. Nun hat diese revolutionierende Konstruktion bereits einige Jahre hindurch seine

Brauchbarkeit ebenso wie seine Lebensfähigkeit und auch Beliebtheit unter Beweis gestellt.

Das dritte Experiment wurde von Simca gestartet. Hier brachte man den Mut auf, Fahrgestell und Aufbau eines Achtzylinderfahrzeuges mit einem kleinen Vierzylindermotor von 1300 ccm auszustatten, der, im Gegensatz zu der Achtzylindermaschine mit 84 PS, nur eine Leistung von 48 PS aufweist; an sich eine Kombination, zu der eine Menge unkonventionelles Denken ebenso wie Vertrauen in die Käuferschaft gehörte. Es war klar, daß dieses Fahrzeug bei den Fachleuten, vor allem aber beim technisch vorbelasteten Laien auf Widerstand stoßen mußte, und zwar nicht nur bezüglich der Leistung, sondern auch, was die Lebensdauer des Fahrzeuges betraf. Nun, ehrlich gesagt, bevor wir die Ariane 4 der ersten kurzen Probefahrt unterzogen, waren wir gleichfalls etwas skeptisch. Wir hatten den gleichen Vierzylinder-Flash-Motor, der in die Ariane 4 eingebaut wird, im Simca-Aronde kennengelernt, und wenn er dort auch ausgezeichnete Fahrleistungen brachte, so mußte dies in einem wesentlich größeren Fahrzeug nicht gleichfalls zutreffen. Wie er sich in der Ariane 4 bewähren würde, war also nicht abzusehen. Nach nun mehr als 3000 Kilometer Fahrstrecke mit diesem Wagen konnte man jedoch bereits ein ziemlich klares Bild darüber gewinnen und ist in der Lage, eine genaue Charakteristik des Fahrzeuges zu geben.

Hervorstechend ist vor allem, daß die Beschleunigungsfähigkeit der Ariane 4 gegenüber dem kleinen Simca-Aronde-Elysee kaum meßbar ist. Einzig und allein die Spitzengeschwindigkeit liegt mit einigen Kilometern unter der der Aronde. Genau läuft die von uns neu übernommene und daher noch nicht ganz eingefahrene Ariane 4 heute bereits 120 Stundenkilometer, während der vorher über tausende Kilometer gefahrene Elysee an die 130 Stundenkilometer erreichte. Die Differenz zwischen beiden Wagen beträgt also etwa acht bis zehn

Stundenkilometer. Die gute Beschleunigung der Ariane 4 ist nicht allein darauf zurückzuführen, daß das Übersetzungsverhältnis der Ariane etwas niedriger liegt als jenes des Elysee, sondern auch in der Tatsache begründet, daß das

Fahrzeuggewicht beider Fahrzeuge nicht einmal um 100 Kilogramm differiert. Und nun kommt die große Überraschung: nicht nur der Motor in diesem sechssitzigen Fahrzeug entspricht absolut, auch die Fahreigenschaften des Fahrgestells der Ariane sind so hervorragend, daß die geringere Spitzengeschwindigkeit hier eine absolute Kompensation erfährt, ja sogar noch bessere Durchschnitte gefahren werden können als mit dem Simca-Aronde, der international anerkannt hervorragende Fahreigenschaften besitzt. Bei der Ariane wurde aus eigentlich drei Fahrzeugtypen eine Einheit geschaffen, die manche Automobilfabrik nicht einmal bei kompletter, einheitlicher Grundkonzeption eines Fahrzeuges zuwege bringt. Das Fahrgestell und die Karosserie stammen von der ehemaligen „Vedette“ (die französischen Ford-Werke wurden von Simca aufgekauft), der Motor, wie erwähnt, von der Simca-Aronde und die Kraftübertragung vom Simca-Kombiwagen Chate-laine. Für den Käufer ist von Bedeutung, daß die Ariane wohl eine grundsätzliche Neuschöpfung darstellt, für ihn aber dennoch keinerlei Gefahren einer Neukonstruktion mit sich bringt, wie etwa sich erst im täglichen Gebrauch in der Hand des Privatfahrers ergebende Mängel, denn Fahrgestell und Aufbau haben sich in tausenden und aber tausenden Fahrzeugen bestens bewährt, ja waren sogar wesentlich härterer Beanspruchung gewachsen, als dies bei der Ariane 4 je der Fall sein kann, wurden sie doch mit einem weit stärkeren Achtzylindermotor erprobt, wodurch also beim Vierzylindermotor nur ein fühlbar geringerer Verschleiß auftreten kann. Die Flash-Maschine aber, einer der bewährtesten Motoren, die heute international gebaut werden, ist in mehr als Millionenstückzahl in den Aronde-Typen erprobt; und nicht nur das, die gewöhnliche Serienmaschine hat auch in einer Reihe von Weltrekorden gezeigt, was sie kann. Sie galten durchweg dem Ziel, den außerordentlich geringen Verschleiß, dem diese Maschine unterliegt, aufzuzeigen. Erwähnt sei hier nur der eine der Weltrekorde, den eine Aronde mit Flash-Motor in Montlhery aufstellte, indem sie über 100.000 Kilometer in ununterbrochener Fahrt mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 113 Stundenkilometern, inklusive Mannschaftswechsel, Reifen- und Ölwechsel, gefahren wurde. Auch die Maschine stellt für den Käufer demnach keinerlei Gefahrenquelle dar. Die dritte Sicherheit findet er in dem gleichfalls bewährten Kupplungsgetriebe und der Achsübersetzung des Chatelaine. Was also die maschinelle Anlage anbelangt, sind hier keine Überraschungen zu erwarten.

An den technischen Ausstattungsdetails sind alle jene Dinge interessant, die der Verkehrssicherheit dienen, wie etwa die Bremsen. Die Bremsen der Ariane 4 sind nicht nur für ein Fahrzeug geschaffen worden, das eine Spitzengeschwindigkeit zwischen 140 und 150 Stundenkilometern erreicht, sondern weisen auch für diese Geschwindigkeit noch einen relativ großen Sicherheitskoeffizienten auf, um wieviel mehr erst für die nur 120 Stundenkilometer erreichende Ariane 4. Die zur Verfügung stehende Bremsfläche beträgt mehr als 1200 cm2 und garantiert damit eine Bremsfähigkeit, wie man sie nur in ganz wenigen Wagen in annähernd ähnlicher Form finden wird. Über die Lenkung brauchen ebenfalls nicht viele Worte verloren zu werden, denn es gibt unserer Meinung nach keine besseren Lenkungen, als sie Simca in ihren einzelnen Typen verwendet, und dies gilt für die Präzision ebenso wie für die Leichtgängig-keit. Straßenkontakt und Führungsgenauigkeit des Fahrzeuges sind dadurch so ausgezeichnet, daß hier wirklich kein Wunsch offenbleibt.

Als dritte und sehr wichtige Einrichtung ist die Fahrzeugbeleuchtung zu erwähnen. Nicht nur, daß das Fahrzeug über asymmetrisches Abblendlicht verfugt, ist die Leuchtkraft der Scheinwerfer so groß, daß auch bei Nacht — Wenn es sein muß — 120 Stundenkilometer verkehrssicher gefahren werden können. Das Abblendlicht ermöglicht Sichtverhältnisse, die eine Geschwindigkeitsreduktion im normalen Fahrbetrieb fast niemals erforderlich machen, da keine Gefahr besteht, daß ein Hindernis übersehen werden könnte. Außerdem ist die Blendgefahr entgegenkommender Fahrzeuge dadurch auf ein Minimum reduziert. Durch große Glasflächen ist die Sicht aus der Ariane 4 gleichfalls absolut zufriedenstellend. Die leicht gewölbte Halbpanoramascheibe ermöglicht die Sicht auf die beiden vorderen Kotflügel, die ebenso gestaltete Heckscheibe gibt den Blick auf das Heck frei, so daß, obwohl das Fahrzeug relativ breit ist, auf Millimeter genau durch Engpässe gefahren werden kann, ohne daß man sich allein auf sein Können oder Gefühl verlassen müßte. Solche Situationen können optisch stets genau kontrolliert werden. Obwohl das Fahrzeug annähernd fünf Meter lang ist, erweisen sich auch die Parkschwierigkeiten als minimal. In Verbindung mit dem großen Radeinschlag kann noch die kleinste Parklücke ohne besondere Schwierigkeiten zum Parken herangezogen werden. Wir kennen eine ganze Reihe kleinerer Fahrzeuge, die uns in gleich großen Parklücken wesentlich größere Schwierigkeiten beim Zurückschieben verursacht haben, da die Sichtverhältnisse durch die kleineren Rückfenster sowie das unsichtbare Heckteil meist zu einer Verschwendung von P.arkraum zwangen, wollte man sicher sein„ an das nachfolgende Fahrzeug nicht anzustoßen.

Ausstattung, Instrumentierung und Bedien-barkeit des Fahrzeuges sind voll befriedigend.

Das gleiche gilt für die Heizung und den Defroster für die Windschutzscheibe. Daß die Luxusausführung auch noch eine Scheibenwaschanlage, vor allen Dingen aber eine Schlafbank vorsieht, sei hier nur positiv vermerkt.

Die Ariane 4 gehört zu jenen Fahrzeugen, die man einerseits ohne Risiko kaufen kann und die anderseits auch wirklich verwöhnte Kraftfahrer absolut zufriedenstellen kann. Ihre Sechssitzigkeit in Verbindung mit einem entsprechend großen Kofferraum und angepaßter Tragfähigkeit (insgesamt etwa 500 kg) wird einer ganzen Reihe von geschäftlichen und privaten Forderungen gerecht. Bezüglich der Wirtschaftlichkeit dieses Fahrzeuges konnten wir feststellen, daß die Ariane 4 bei scharfer Fahrweise im Überlandverkehr mit neun Liter auf 100 Kilometer das Auslangen findet, aber nicht etwa Superbenzin. Die Flash-Maschine verträgt ohne jegliche Schädigung Normalbenzin. Dieser niedrige Verbrauch in Verbindung mit der Tatsache, daß Normalbenzin verwendet werden kann, setzt die Betriebskosten dieses preiswerten Wagens auf ein Minimum herab, und dies bei niedriger Steuer und Versicherung. Die Ariane 4 ist also nicht nur ein bequemer, großer und schöner Wagen, sie schont auch in hohem Maße die Geldbörse ihres Besitzers.

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